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fassadenSanierung
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FASSADE 1/2019
ausstellung zeigte die Firma Saint-Gobain
bereits im Jahr 1958 die größte Spiegelglas-
scheibe der Welt mit 20 m x 2,50 m. Bevor
das Floatglas-Verfahren nach und nach al-
le anderen Verfahren verdrängte, existierten
zur Herstellung von Basisglas zwei wesent-
licheVerfahren:
Guss- undWalzverfahren zur Herstellung
von Kristallspiegelgläsern:
Das Kristall-
spiegelglas war nach dem Auswalzen un-
eben und undurchsichtig und musste des-
halb anschließend beidseitig geschliffen
und poliert werden. Dieses Verfahren er-
folgte zunächst von Hand und wurde spä-
ter maschinell vorgenommen. Das Kristall-
spiegelglas diente bis in die 1960er Jahre für
Verglasungen, die eine besonders klare und
verzerrungsfreie Durchsicht bieten sollten,
wie zum Beispiel Schaufenster und Glasvi-
trinen. Ferner konnten im Guß- und Wal-
zenverfahren hergestellte Spiegelgläser in
den 1960er Jahren bis zu einer Breite von
3,78 m hergestellt werden.
Ziehverfahren zur Herstellung von Tafel-
glas:
1905 gelang es dem Belgier Fourcault,
eine Glastafel unmittelbar aus der Glas-
schmelze zu ziehen. Das Fourcault-Verfah-
ren bekam 1917 Konkurrenz aus den USA.
Dort wurde das Tafelglas nach dem Lib-
bey-Owens-Verfahren hergestellt. Ein drit-
tes Ziehverfahren wurde von der amerikani-
schen Firma Pittsburgh-Plate-Glass-Com-
pany entwickelt. Das Pittsburgh-Verfahren
wurde ab 1928 angewandt. Das Tafelglas ist
ein maschinell gezogenes Flachglas. Die-
se Gläser boten eine klare Durchsicht und
wurden als Fensterglas vermarktet. Anwen-
dung fanden sie dort, wo Standardabmes-
sungen als Massenware verlangt wurden.
Auch die Transporttechnik für XXL-Glä-
ser ist keine neue Erfindung. Die Firma
Faymonville aus Belgien stellte bereits 1973
den ersten Floatliner vor, bei dem keine
durchgehenden Achsen zwischen den Rä-
dern vorhanden waren, um großformati-
ge Scheiben transportieren zu können. Was
also früher ohne weiteres möglich war, ist
heute nur mit großen Klimmzügen zu er-
reichen, wenn das Projektbudget es über-
haupt zulässt.
Bei übergroßen Scheiben generell zu
beachten
Sind die höheren Investitionskosten ein-
mal akzeptiert, müssen noch eine Reihe von
Kriterien im Vorfeld überprüft werden und
sind projektabhängig unterschiedlich zu ge-
wichten. Hierzu gehören vor allem:
Logistische Herausforderungen
• Gegebenheiten am Einbauort
• Einbauhöhe und -lage sowie Neigung
der Glasscheibe
• Verglasen erst auf der Baustelle
• Eigengewicht und späterer Austausch
der Scheibe
• Transportwege (Ausnahmegenehmigung/
Schwertransport)
• Auswahl geeigneter Hebezeuge und
Montageunternehmen
• Längere Lieferzeiten und beschränkter
Bieterkreis
Konstruktive Herausforderungen
• Ermittlung der einwirkenden Kräfte
• Durchbiegung der Glasscheibe
• Wahl der geeigneten Fassadenkonstruk-
tion zur Aufnahme der Glasscheibe
• Durchbiegungsbegrenzung des unteren
Riegelprofils
• Ausbildung der Tragkötze und deren An-
bindung an Tragglieder der Fassade
• Abmessungen abweichend von Prüf-
zeugnissen, daher Zustimmung im Ein-
zelfall
• Bimetalleffekt/Krümmung der Scheibe
(Dichtigkeit Randverbund)
• Kompatibilität der Glasstärke mit gängi-
gen Alu-Aufsatzsystemen
• Ungeeignet für Dachverglasungen (zu
große Durchbiegung)
• Erschütterungen, Schwingungen im
Bauwerk (Dichtigkeit/Glasbruch)
• Verformungen im Rohbau (Dichtigkeit/
Glasbruch)
Bauphysikalische und veredelungstech-
nische Herausforderungen
• Ausbildung des Randverbundes (höhere
Leistungsfähigkeit)
• Sonnenschutz in Überlängen nicht ver-
fügbar
• Einschränkungen bei Beschichtung, Be-
druckung oder Emaillierung
• Einschränkungen bei Vorspannung und
Laminieren
Bei überbreiten Scheiben im Bestand
zu beachten
Beim Erhalt älterer Glasscheiben im Über-
format und einer Ertüchtigung der Fassa-
denkonstruktion sind u.a. folgende Kriteri-
en zu beachten:
• Zustand der Glasscheiben
• Zustand der Tragglieder der Fassaden-
konstruktion
• Lagerung der Scheiben im Glasfalz
• Verklotzung der Scheiben
• Entwässerung und Belüftung der Glas-
falzräume
• Erneuerung der Dichtungsprofile und
Versiegelungen
• Untersuchung der Dichtungsprofile und
Versiegelungen auf Schadstoffe
• Beschränkter Bieterkreis
Ferner sind beim Austausch von älteren
Scheiben folgende Kriterien zu beachten:
• Optischer Unterschied in der Glasober-
fläche und bei Eckverglasungen
• Statische Restriktionen aufgrund ver-
schärfter Anforderungen
• Zustimmung im Einzelfall aufgrund
Scheibenformat oder Ertüchtigung der
Tragglieder
Karan Djalaei ist
Gründer des auf
Fassadentechnik
spezialisierten Bü
ros KD Fassaden
planung. Er berät als Fassadenplaner private In
vestoren, Projektentwickler, Architekten, Gene
ralunternehmer und die öffentliche Hand in allen
Fragen rund um die Gebäudehülle.
Beispiel Glasecke Kristallspiegelgläser – heute in dieser filigranen Ausführung
nicht mehr möglich.
Fotos (2):
© KD Fassadenplanung