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fassadenSanierung
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FASSADE 1/2019
mit einer Breite von etwa 3,50 m hergestellt
und anschließend zu Tafeln in der Maximal-
größe 3,21 m x 6,00 m geschnitten. Überlän-
gen gehen teilweise bis 20 m und werden
nur von wenigen Herstellen angeboten. Bei
der Länge wäre herstellungstechnisch sogar
noch Luft nach oben. Die produktionstech-
nischen Möglichkeiten bestimmen jedoch
nicht die Grenzen des Machbaren, sondern
das spätere Bearbeiten, Veredeln, Transport,
Logistik und letzten Endes die Wirtschaft-
lichkeit.
Limitierung der Glasbreite auf 3,21 m
An den Rändern der Glasfläche hinterlassen
die Toproller während der Einstellung der
Glasdicke im Floatprozess ihre Spuren, so
dass die Ränder am Ende des Prozesses ab-
geschnitten werden müssen. Dadurch redu-
ziert sich die ursprünglich auf der Zinnbad-
Oberfläche eingestellte Glasbreite. Hinzu
kommen die Einschränkungen hinsichtlich
der Transportabmessungen. EU-weit darf
die Fahrzeughöhe inkl. Ladung die 4-Meter-
Grenze nicht überschreiten. Andernfalls
ist ein kosten- und zeitaufwändiger Son-
dertransport in Kauf zu nehmen. Nach der
flächendeckenden Einführung des Float-
verfahrens in den 1970er Jahren wurde in
Europa die Maximalbreite auf 3,21 m festge-
legt. In der Flachglasindustrie richtete man
alle weiteren Maschinen und Anlagen zur
Bearbeitung undVeredelung des Flachglases
sukzessive nach den Vorgaben der neuen
Herstellungsmethode. Die Fahrzeugindust-
rie reagierte mit der Entwicklung von Spe-
zialfahrzeugen zum Transport von Float-
gläsern. Der sogenannte Floatliner (Innen-
lader) wurde als Reaktion auf den rasanten
Anstieg der Glasproduktion entwickelt. Da-
mit können heute auch breitere Scheiben
bis etwa 3,50 m transportiert werden. Eine
Erweiterung der Maximalbreite scheint sich
trotzdem nicht zu amortisieren.
Nicht die Länge, sondern die Breite
Bei Neubauten kann das Raster der Fassa-
de so gewählt werden, dass die Glasabmes-
sungen den aktuellen Marktanforderungen
entsprechen oder bei Bedarf in Überlängen
eingesetzt werden. Alleine die Standard-
maße (3,21 m x 6,00 m) stellen eine enor-
me Herausforderung für die Logistik und
Statik dar und sind im Projektgeschäft eher
in Ausnahmefällen anzutreffen. Viel häu-
figer sehen wir uns als Fassadenplaner mit
dem Wunsch nach breiteren Scheiben kon-
frontiert. Auf diese Nische hat die Glas-
industrie seit der Einführung des Float-
glas-Verfahrens durch Pilkington bis heute
nicht reagiert. Eine Ausnahme findet man
jedoch seit ein paar Jahren im fernen Os-
ten: Weltweit hat ein einziger Hersteller die
Schallmauer an dieser Stelle durchbrochen
und kann Funktionsgläser mit einer Über-
breite bis zu 3,60 m im Floatverfahren her-
stellen und gleichzeitig weiterbearbeiten
und veredeln. Seit Mitte 2018 stellt auch
in Deutschland ein Hersteller überbreite
Scheiben bis 3,51 m her. Jedoch ohne Ver-
edelung, so dass die Verarbeitung zum Iso-
lierglas nicht möglich ist. Die Herstellung
solcher Glasformate durch die Glasindustrie
in Europa würde eine Nische schließen und
bei Fassadensanierungen die Entscheidung
für oder gegen Austausch von Kristallspie-
gelgläsern deutlich erleichtern. Insofern lag
es auf der Hand, bei dem o.g. Vorhaben den
Erhalt der Originalscheiben als eine ästhe-
tisch und wirtschaftlich sinnvolle Alternative
detailliert zu überprüfen. Ein Erhalt setzt
jedoch grundsätzlich voraus, dass auf die
energetische Sanierung nach den heutigen
Anforderungen verzichtet und die bestehen-
de Fassade nur konstruktiv ertüchtigt wird.
XXL-Glasscheiben vor 60 Jahren
Interessanterweise betritt die Glasindustrie
mit dem Trend zu immer größeren Schei-
ben keinesfalls ein neues Terrain. Bereits in
der Nachkriegsmoderne wurden auf inter-
nationalen Ausstellungen Glasscheiben mit
gigantischen Abmessungen als Innovation
gefeiert. Auf einer internationalen Spiegel
Der traditionelle Tischguss im Vegla-Werk Herzogenrath in den 1950er Jahren
Glastänzer tanzen zum Schleifen der Scheibe mit Holzschuhen auf dem sich drehenden
Rundtisch (1926).