titelthema
|
fassadenSanierung
20
FASSADE 1/2019
Während Untersuchungen an der Bestands-
fassade eines Bauwerks aus den 1960er
Jahren haben wir festgestellt, dass die groß-
formatigen schaufensterartigen Glasschei-
ben im Erdgeschoss neben der Länge von
4,70 m eine Breite von 3,50 m aufweisen. So
groß die Freude einerseits war, gut erhalte-
ne großformatige „Kristallspiegelgläser“ in
Überbreite vorgefunden zu haben, so groß
war auch die Sorge, einen adäquaten Ersatz
für diese Scheiben bei der anstehenden Fas-
sadensanierung zu finden. Die Kristallspie-
gelgläser wurden etwa zum gleichen Zeit-
punkt realisiert wie die überbreiten Schei-
ben der Nationalgalerie in Berlin von Mies
Van der Rohe. Im Gegensatz zur National-
galerie wurden hier weder Kondensat-Aus-
Überbreite Glasscheiben in Bestands
fassaden – erneuern oder instandsetzen?
Von Dipl.-Ing. Karan Djalaei
fall noch Glasbrüche innerhalb der letzten
50 Jahre festgestellt. Insofern hatten wir es
mit Originalscheiben aus den 1960er Jahren
zu tun, die noch im Guss- und Walzverfah-
ren hergestellt und durch das anschließen-
de Schleifen und Polieren unter dem Na-
men „Kristallspiegelglas“ vermarktet wur-
den. In der Tat handelte es sich bei jeder der
einzelnen Scheiben um eine Art gut erhal-
tener Oldtimer der Flachglasindustrie. Die
Kondensat-Freiheit wurde gewährleistet
durch die ausreichende Luftzirkulation ei-
nes Unterflurkonvektors. Die Fassade war
als freitragende Sprossenkonstruktion mit
einer sogenannten kittlosenVerglasung aus-
geführt, die zwischen einer äußeren Alu-
minium-Decksprosse und einem T-förmi-
Der Trend zu immer größeren Glasformaten ist weltweit ungebrochen. Während bei der
Glaslänge immer neue Rekorde zu verzeichnen sind und mittlerweile wieder Scheiben von
bis zu 20 Meter Länge hergestellt werden, ist die Glasbreite immer noch auf das Maß von
3,21 Meter beschränkt. Und das obwohl in der Vergangenheit breitere Glasformate zum
Tagesgeschäft der Glasindustrie gehörten und diese in einigen Objekten aus der Nach-
kriegszeit auch heute noch zu bestaunen sind. Der Beitrag gibt einen Überblick zu über-
breiten Glasscheiben und zeigt auf, was es insbesondere bei Sanierungsprojekten mit alten
Kristallspiegelgläsern im Überformat zu beachten gilt.
gen Stahlkern linear gelagert war. Durch die
beidseitig angebrachten Neopren-Profile als
Glasanlagedichtung konnte ein gleichmä-
ßiger Anpressdruck über die gesamte Falz-
länge gewährleistet werden. Ferner war im
Glasfalz ausreichend Spielraum vorgese-
hen. Dadurch waren die überbreiten Schei-
ben seit der Fertigstellung zwängungsfrei
gelagert. Darüber hinaus waren die großfor-
matigen Scheiben thermisch nachbehandelt
und unter dem Markennamen „Sekurit“
als Sicherheitsglas hergestellt, das die
Vegla Vereinigte Glaswerke GmbH als
Tochter von Saint Gobain bereits seit 1933
als erster Einscheibensicherheitsgläser der
Welt herstellte.
Überdimensionale Glasscheiben heute
Auf die weltweite Nachfrage nach Gläsern
im Überformat reagiert die Flachglasindus-
trie schon seit einigen Jahren mit der Her-
stellung von immer größeren Gläsern. Die
meisten Bauwerke mit überdimensionalen
Scheiben werden weiterhin im Ausland re-
alisiert. Aber auch hierzulande ist dieser
Trend zumindest mit Blick auf die Exponate
der letzten Baumessen nicht zu übersehen.
Neben den logistischen Herausforderun-
gen und den deutlich höheren Investitions-
kosten wird in der Planungsphase im Um-
gang mit großen Scheiben teilweise überse-
hen, dass sich der aktuelle Wettlauf um die
Scheibengröße nur auf die Scheibenlänge
beschränkt. Hinsichtlich der Breite ist die
Glasindustrie hingegen unflexibel und hält
an der seit etwa 50 Jahren festgelegten Ma-
ximalbreite von 3,21 m fest. Und das nicht
ohne Grund: Floatglas wird bei dem end-
los-kontinuierlichen Prozess als Glasband
Aufgipsen der Scheibe vor dem Polieren im Vegla-Werk Herzogenrath in den 1950er Jahren.
Fotos (3):
© Saint-Gobain Glass