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FASSADE 4/2018

TECHNIK

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Interview

„Mehr Grün für den urbanen Raum“

Interview mit Dr. Gunter Mann, Präsident Bundesverband GebäudeGrün (BuGG)

Herr Dr. Mann, Fassadenbegrünung ist nicht

nur ein architektonischer Trend, sondern ange-

sichts einer wachsenden Anzahl von Großstäd-

ten mit entsprechenden „Betonburgen“ hat

die Begrünung ja weitere positive Aspekte.

Können Sie die bitte kurz skizzieren?

Dr. Gunter Mann:

Natürlich ist es einer-

seits der optische Aspekt, begrünte Fassa-

den sehen schön aus und man fühlt sich

wohl. Doch das ist nur eine der vielen po-

sitiven Wirkungen von Fassadenbegrünun-

gen. Sie sorgen mit ihrer Verdunstungsleis-

tung für „frische“ Luft und tragen dazu bei,

den urbanen Hitzeinseln entgegen zu wir-

ken. Sie kühlen das Gebäude und ihre Um-

gebung nicht nur durch Verdunstung, son-

dern bewahren das Gebäude auch durch

Verschattung vor der großen Sommerhit-

ze. Ebenfalls wird die Hauswand vor Witte-

rungseinflüssen (Sturm, Hagel, Starkregen),

UV-Strahlung und (auch wenn es sich erst

einmal kurios anhört) vor Graffiti geschützt.

Weitere positive Wirkungen sind Minde-

rung der Schallreflexion (siehe auch Lärm-

schutzwände) und Bindung von Feinstaub

und Stickoxiden. Weiterhin bieten begrün-

te Wände Kleintieren und Vögeln neue Le-

bensräume und Nistmöglichkeiten.

Ist eine solche Begrünung an prinzipiell allen

Fassaden umsetzbar? Oder bedarf es bestimm-

ter Voraussetzungen?

Mann:

Vielleicht kurz zur Unterscheidung

der beiden grundsätzlichen Fassadenbe-

grünungsformen „boden- und wandge-

bunden“: Die traditionellen bodengebun-

den Begrünungen erfolgen an einer fertigen

Außenwand je nach Klettermodus mit oder

ohne Kletterhilfe. Sie sind im wesentlich

dadurch charakterisiert, dass die verwen-

deten Pflanzen „Kletterpflanzen“ sind und

eine direkte Verbindung zum gewachsenen

Boden haben. Die „Kletterpflanzen“ sind

Selbstklimmer oder benötigen geeignete

dauerhafte Kletterhilfen. Die Wasser- und

Nährstoffversorgung findet in der Regel

über natürliche Einträge statt. Die wandge-

bundenen Begrünungssysteme benötigen

keinen Bodenanschluss und eignen sich da-

her besonders für innerstädtische Bereiche.

Sie zeichnen sich durch sofortige Wirksam-

keit, große Gestaltungsspielräume („verti-

kale Gärten“, „Living Walls“) sowie ein gro-

ßes Spektrum verwendbarer Pflanzen aus.

DieVersorgung mit Wasser und Nährstoffen

erfolgt über eine automatische Anlage. Der

Aufwand für Pflege und Wartung ist höher

als bei bodengebundenen Begrünungen.

Nun zu Ihrer Frage: Bei vorgehängten und

hinterlüfteten Fassaden, wärmegedämm-

ten Vorsatzfassaden, holzbekleideten Fas-

saden und Trapezblechwänden sind grund-

sätzlich nur Gerüstkletterpflanzen bzw.

wandgebundene Begrünungssysteme zu

empfehlen. Die Triebe von Selbstklimmern

wachsen in Fugen und Spalten hinein und

verursachen durch Dickenwachstum Schä-

den an der Fassade. Bei der Verwendung

von Selbstkletterern bzw. Selbstklimmern

ist die Eignung des Untergrunds zu prüfen.

Selbstklimmer sollten nur auf intakten Un-

tergründen ohne Risse, Spalten und offene

Fugen eingesetzt werden. Fassaden mit Au-

ßendämmung sind hierfür meist nicht ge-

eignet.

Zerstören die Pflanzen nicht mittelfristig das

Mauerwerk?

Mann:

Nein bzw. nicht bei fachgerech-

ter Planung, Umsetzung und Ausführung.

Oft sind es „ungeplante“ Selbstklimmer, die

unbedacht gepflanzt und sich selbst über-

lassen werden. Und dann kommen die klas-

sischen Efeu-Wände zustande, die schwer

rückbaubar sind, wenn es zu viel wird.

Kommen Gerüstkletterpflanzen oder wand-

gebundene Fassadenbegrünungssysteme,

die wie eine vorgehängte Fassade wirken,

besteht keine Gefahr für das Mauerwerk.

Welche Probleme stellen sich bei der Begrü-

nung der Fassaden?

Mann:

Aus unserer Sicht sind die „Haupt-

probleme“, wenn wir überhaupt von Prob-

lemen sprechen wollen, eher Herausforde-

rungen wie die noch fehlende Information,

Akzeptanz und die positive Einstellung zur

begrünten Fassade. Wo ein positiver Wille,

Die Fachvereinigung Bauwerksbegrünung (FBB) und der Deutsche Dachgärtner

Verband (DDV) sind zum Bundesverband GebäudeGrün (BuGG) fusioniert. Der neue

Branchenverband für die Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünung umfasst ein

fünfköpfiges Präsidium, das nun die Aufgabe hat, den Verband engagiert und schlagkräftig

zu positionieren: Dr. Gunter Mann (Präsident), Carsten Henselek (Vizepräsident), Gerd Vogt

(Schatzmeister), Hans Schmid (Präsidiumsmitglied) und Helmut Kern (Präsidiumsmitglied).

Die Redaktion der FASSADE wollte mehr zum Thema Fassadenbegrünung wissen und der

frisch gekürte Präsident gab ausführlich Auskunft.

Der neue BuGG-Präsident Dr. Gunter Mann.