TECHNIK
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Fachbeitrag
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FASSADE 4/2018
de der häufigste Schaden an der Gebäude-
hülle ist. Hierfür können Materialfehler ver-
antwortlich sein; oft liegt der Grund aber in
der mangelnden Bauausführung. Mit dem
Ziel, den Energieverbrauch zu reduzieren,
sind in den letzten Jahrzehnten die Bauvor-
schriften strenger geworden. Während frü-
her die Gebäudehülle atmen konnte und
gegenüber einer mangelnden Ausführung
toleranter war (Feuchtigkeit trocknete auf-
grund des Luftflusses), wird sie zunehmend
luftdichter konzipiert. Heute werden Ge-
bäude luftdicht entworfen, um sie energie-
effizienter zu machen, wodurch sie intole-
ranter gegenüber Fehlern sind. Die richtige
Ausführung des Gebäudedesigns ist wich-
tiger geworden. „Seit der Einführung des
Energy-Codes 1980 haben wir eine deutli-
che Zunahme von Schadensfällen festge-
stellt“, erklärt Lee Dunham von OAC. In der
Baupraxis werden diese Anforderungen oft
ungenügend umgesetzt, was zur Schimmel-
bildung führen kann. Obwohl die Architek-
ten die Gebäude zunehmend nachhaltiger
entwerfen, versagen laut OAC-Studie die
installierten Systeme immer schneller. Die
prognostizierten Lebenszykluskosten sind
schon nach wenigen Jahren Makulatur.
Laut Dunham trifft der Architekt auch aus
Kostengründen
Design-Entscheidungen,
die die Integrität der Gebäudehülle unter-
graben – die Amerikaner nennen dies Value-
Andreas Karweger
ist Geschäftsführer
der Advanced Building Skins GmbH und Experte
für die Architektur der Gebäudehülle.
Engineering. Eine der Aufgaben des foren-
sischen Experten ist es häufig, den Verant-
wortlichen für die Schäden am Gebäude zu
bestimmen. Beruht der Schaden auf man-
gelnde Ausführung oder Materialfehler
oder ist der Gebäudeentwurf verantwort-
lich? Auch ein zeitlich sehr enger Bauplan,
knappe Budgets, ein schlecht kommunizier-
tes Design oder neue Systeme und Materia-
lien können für eine reduzierte Performance
verantwortlich sein.
Forensische Architektur und Facility
Management
Forensische Untersuchungen kommen auch
bei Immobilientransaktionen zum Einsatz,
wenn untersucht wird, ob ein Gebäude in
Ordnung ist oder welches die Ursache von
Schimmel an den Wänden ist und wie die-
ser zu stoppen ist. Der forensische Architekt
wird auch oft im Rahmen einer präventi-
ven Strategie eingesetzt: er soll Schäden an-
tizipieren und Korrekturmaßnahmen ein-
leiten, bevor Schäden auftreten. Gebäude
sind nicht statisch, sondern kontinuierlich
in Bewegung. Stahl, Beton oder Holz bewe-
gen sich mit unterschiedlichen Geschwin-
digkeiten als Reaktion auf Schwerkraft, Ver-
schmutzung oder Wetter wie Regen, Sonne,
Schnee, Eis, Luftdruck etc. Oft finden jah-
relang Veränderungen in und an der Ge-
bäudehülle statt, die mit dem bloßen Auge
nicht sichtbar sind.
Da die Gebäudehülle maßgeblich für die
thermische und akustische Performance
des Gebäudes verantwortlich ist, kann die
Durchführung einer periodischen Wartung
die Lebensdauer der Gebäudehülle erhö-
hen und die Kosten von aufwendigen Re-
paraturarbeiten vermeiden. Der forensische
Architekt leitet Maßnahmen ein, die die Le-
benserwartung des Gebäudes bzw. die War-
tungszyklen verlängern, um somit die Le-
benszykluskosten zu reduzieren. Für das
Facility Management kann die forensische
Architektur zu erheblichen Kosteneinspa-
rungen bei Betrieb und Wartung von Ge-
bäuden führen.
Foto:
© Greg Semendinger, New York City Police Aviation Unit
Staubwolke WTC: Aufnahme nach dem Einsturz des World Trade Centers am 11. September 2018 um 10:34 Uhr.