TECHNIK
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Fachbeitrag
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FASSADE 4/2018
Gebäudeeinsturz in Bangladesch
Am 24. April 2013 stürzte in Sabhar, Bang-
ladesch, das achtgeschossige Rana Plaza ein
und begrub 1127 Menschen unter sich. Im
Gebäude waren mehrere Textilfirmen und
Geschäfte untergebracht. Am Vortag waren
im Gebäude Risse festgestellt worden. Ein
örtlicher Ingenieur empfahl, das Gebäu-
de bis zur Behebung der Schäden geschlos-
sen zu lassen. Ungeachtet dessen befanden
sich am 24. April mehr als 3000 Menschen
im Gebäude, größtenteils Arbeiterinnen der
Textilfabriken. Unter Androhung von Lohn-
kürzungen wurden sie dazu gedrängt, ih-
re Arbeit wieder aufzunehmen. Widerwil-
lig begaben sie sich um 8.45 Uhr an ihren
Arbeitsplatz. Bereits gegen 9.00 Uhr kam es
zum ersten Stromausfall an diesem Tag, so
dass die Transformatoren auf dem Dach des
Gebäudes ansprangen und wie üblich Vib-
Forensische Untersuchungen von
Schäden an der Gebäudehülle
von Andreas Karweger
Durch forensische Untersuchungen lassen sich Schäden an der Gebäudehülle feststellen
und die Verantwortlichen können bestimmt werden. Der Beitrag gibt anhand verschiedener
Schadenfälle einen Einblick zur Arbeit forensischer Architekten und Ingenieure.
rationen durch das Gebäude schickten. Die-
se Schwingungen waren stärker als sonst
und versetzten die Arbeiter in Panik. Sie
versuchten das Gebäude zu verlassen, doch
bevor sie den Ausgang erreichten, stürzte
das oberste Stockwerk auf das darunterlie-
gende, das wiederum nachgab und das dar-
unterliegende zum Einsturz brachte. In we-
niger als einer Minute kollabierte das kom-
plette Gebäude.
Risse in der Gebäudehülle
Die forensische Analyse konnte anhand von
Fotos einen bestehenden Riss am Gebäu-
de nachweisen. Wie ein Fingerabdruck sind
Risse einmalig und können nicht reprodu-
ziert werden. Risse gehen dorthin, wo sie
auf den geringsten Widerstand stoßen, al-
so dorthin wo die Struktur am schwächsten
ist. In einem Ende Mai 2013 veröffentlichten
400 Seiten starken Untersuchungsbericht
wurden folgende Gründe für den Einsturz
aufgeführt: Der für das Gebäude verwende-
te Beton enthielt zu viel Sand. Aus Kosten-
gründen wurde außerdem weniger Stahl im
Beton verwendet, wodurch der Beton anfäl-
liger bei Belastungen wurde. Außerdem war
das ursprünglich auf vier Stockwerke konzi-
pierte Gebäude hauptsächlich für den Ein-
zelhandel und Büroräume konzipiert. Dann
wurden dem Gebäude ohne Genehmi-
gung vier weitere Stockwerke hinzugefügt,
in die Textilfabriken einzogen. Diese Fabri-
ken brachten mit ihren Maschinen zusätzli-
che Lasten, für die das Gebäude nicht kon-
zipiert war. Hinzu kamen die Dieselgenera-
toren auf dem Dach des Gebäudes, die zur
Notstromversorgung benötigt wurden. Der
Bericht empfahl eine lebenslange Haftstra-
fe für den Besitzer des Rana Plaza, der durch
Korruption und Nichtbeachtung von Bau-
vorschriften für den Gebäudeeinsturz ver-
antwortlich war.
Toxischer Staub beim Einsturz des
World Trade Center
Auch der Einsturz des World Trade Cen-
ters am 11. September 2001 wurde ausgie-
big analysiert. Die Ursachen für den Ein-
sturz sind bekannt: die starke Hitze, die auf
die Stahlsäulen einwirkte, brachte die Tür-
me nach jeweils ca. einer Stunde zum Ein-
sturz. Sehr umstritten sind hingegen die
Auswirkungen von Gas und Staub, die beim
Einsturz freigesetzt wurden und nachträg-
lich zu weiteren Todesfällen führten. Als die
Zwillingstürme kollabierten, wurden Ton-
nen von Beton, Glas, Möbel, Teppiche, Iso-
liermaterial, Asbest, Arsen, Benzol, Glasfa-
ser, Kunststoff, Quecksilber und Gold von
mehreren tausend Glühbirnen und Blei von
Computer-Monitoren zu Gas und Staub.
Der Trümmerhaufen brannte über drei Mo-
nate lang und wirkte wie eine chemische
Fabrik, die Gase von giftigen Metallen und
Foto:
© Abir Abdullah/European Pressphoto Agency
Rana Plaza, Sabhar Bangladesch.