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FASSADE 4/2018
TECHNIK
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Interview
„Die Standards der Welt
an einem Ort abbilden“
Interview mit Ingo Rübenach (UL)
Herr Rübenach, Sie haben im Frühjahr in
Rosenheim direkt in der Nachbarschaft zum
ift Technologiezentrum ein Brandprüflabor
eröffnet. Dabei wird Brandschutz auch im
Technologiezentrum getestet. Was kann UL
also prüfen, was das ift nicht kann?
Ingo Rübenach:
Durch die Kombination
unserer Prüfmöglichkeiten mit denen des
benachbarten ift Rosenheim lassen sich die
Standards der Welt an einem Standort ab-
bilden. Des Weiteren hat UL in Brandprüf
öfen investiert, mit denen sich auch beson-
dere Prüfvorgänge entsprechend der Stan-
dards durchführen lassen. So gibt es etwa
den Säulenprüfofen in dieser Form nur eini-
ge wenige Male auf der Welt.
UL und ift Rosenheim teilen sich in bei-
den Hallen die Geschäftsprozesse. UL sei-
nerseits hat etwa Brandprüföfen in der Hal-
le des ift aufgestellt, das ift wiederum wird
entsprechende Tests in der Halle von UL
vornehmen. Auch Muster werden entspre-
chend in der Halle des jeweils anderen vor-
bereitet. Wir verweben uns, was die Ge-
schäftsprozesse angeht. Die Hallen bleiben
jedoch getrennt, wie auch die Geschäfte ge-
trennt bleiben. Wir arbeiten in einer klassi-
schen Partnerschaft zusammen.
Welche Tests genau werden bei UL in
Rosenheim durchgeführt?
Ingo Rübenach:
Die neue Anlage in Ro-
senheim bietet eine Vielzahl von Testverfah-
ren an, mit denen Bauprodukte auf Einhal-
tung der Brandschutzbestimmungen geprüft
und zertifiziert werden. Die Tests werden
nach europäischen, nordamerikanischen
und weiteren internationalen Prüfstan-
dards durchgeführt. Zu den Services bei der
Brandschutzprüfung am neuen Standort ge-
hören unter anderem die Prüfung von Pro-
dukten und Materialien auf Entzündbarkeit,
Brandweiterleitung, auf Eigenschaften hin-
sichtlich des Rauchschutzes sowie der Feu-
erbeständigkeit. Durch die Zusammenarbeit
und räumliche Nähe von UL und ift erhal-
ten Hersteller und Systemgeber die Mög-
lichkeit, auf kurzen Wegen ihre Produkte für
den weltweiten Markt und Europa an einem
Standort prüfen und zertifizieren zu lassen.
Wie läuft ein Test beispielsweise einer
Fassaden-Front ab, wenn Sie bei UL getestet
wird? Also das Prüfverfahren an sich?
Ingo Rübenach:
Zuerst muss im Rahmen
einer Norm oder mit dem Hersteller geklärt
werden, wie ein solches Element auszusehen
hat. Denn im Normalfall besteht es aus vie-
len einzelnen Materialen: Rahmen, Metall,
Isolierstoffen, Folien, Fensterglas. Das Bauteil
wird dann im Prüflabor genauso zusammen-
gestellt, wie es in der Praxis bei Hochhäu-
sern von außen an die Fassade angebracht
werden würde. Der exakte Zusammenbau
kann je nach zugrundeliegender Norm meh-
rere Wochen Zeit in Anspruch nehmen, bis
das Material dann testbereit ist. UL kann also
sowohl einzelne Baustoffe als auch Gesamt-
kompositionen im Brandprüflabor testen,
das kann vom Fenster bis zum Bauschaum
reichen. Es gibt einen Katalog von Normen,
den wir hier am Standort zusammen mit un-
serem Partner ift Rosenheim abdecken, und
alles, was unter diese Normen fällt, können
wir auch dementsprechend prüfen.
Sollten nicht insbesondere für den
mehrgeschossigen Wohn- und Objektbau
beiderseits des Atlantiks gleiche höchste
Sicherheitsstandards gelten, schließlich gilt
es doch, Menschenleben zu schützen?
Ingo Rübenach:
Definitiv. Die Sicherheit
sollte immer imVordergrund des Bemühens
stehen – das ist übrigens auch die Missi-
on von UL seit 1894, „Working for a Safer
World”. Allerdings ist die Frage der Harmo-
nisierung letztlich keine ganz einfache. Das
beginnt schon bei Standards wie der Elek-
trizität auf beiden Seiten des Atlantiks. Da
gibt es nicht nur unterschiedliche Spannun-
gen, sondern ein ganz anderes System. Wir
unterstützen jedoch alle Anstrengungen, die
zu bestmöglichen Standards führen.
Gibt es Pläne und Ziele von UL, noch an
anderen Stationen in Deutschland oder
Europa Prüflabore zu installieren? Eventuell in
Kooperation mit anderen Instituten?
Ingo Rübenach:
UL wächst international,
soviel kann ich sagen. In Phasen des Markt-
eintritts kommen auch die Kooperationen
mit Partnern hinzu. Es hängt im Einzelfall
immer davon ab, welche Industrie in welcher
Geographie nach welcher Expertise verlangt.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Camillo Kluge.
Das ift Rosenheim hat mit UL ein führendes, unabhängiges und weltweit tätiges Unternehmen für
Produktsicherheit und Zertifizierung als direkten Nachbarn seines Technologiezentrums in Rosenheim.
Dort haben die beiden Unternehmen bewusst Tür an Tür gebaut, denn sie blicken auf eine erfolgreiche,
langjährige Zusammenarbeit in den Bereichen Prüfung und Zertifizierung im Brandschutz zurück. Die
FASSADE wollte von dem für Deutschland zuständigen UL Vice President mehr wissen.
Foto:
© UL
Ingo Rübenach, VP Central, East and South
Europe Region, UL.