33
FASSADE 5/2018
TECHNIK
|
Interview
„GIPV bietet noch große Potenziale“
Im Gespräch mit Dieter Geyer (ZSW)
Herr Geyer, was ist der Vorteil einer gebäude-
integrierten Photovoltaikanlage (GIPV)
gegenüber einer auf dem Dach oder einer
Freiflächenanlage?
Dieter Geyer:
Neben der elektrischen
Energiegewinnung bietet die GIPV wie
klassische Fassaden Schutz vor Wind und
Wetter, Abschattung und Tageslichtnutzung,
Schallschutz sowie Wärmedämmung. Die
Energieeinsparverordnung EnEV belohnt
die Anwendung zudem mit einer höheren
Gebäudeklasse nach DIN 18599. Und da ab
2020 alle neuen Nichtwohngebäude in der
EU als „Niedrigstenergiegebäude“ gebaut
werden müssen, werden Architekten und
Gebäudeplaner die Technologie künftig ver-
stärkt einsetzen.
Bei der Nutzung von CIGS-Dünnschicht-
modulen in der Fassade kommen ästheti-
scheVorteile hinzu: Die Module bieten ähn-
liche Gestaltungsmöglichkeiten wie Glas-
fassaden, da ihre Zellstruktur anders als bei
der Silizium-Photovoltaik kaum sichtbar
ist, was homogene Glasflächen in dezenten
Farben ermöglicht. Variable Modulgrößen,
Sonderformen und flexible Bauteile stehen
ebenfalls zurVerfügung.
Was sind die jüngsten Entwicklungen in dem
Bereich? Welche neuesten Möglichkeiten gibt
es oder stehen kurz vor der Fertigentwicklung?
Geyer:
Unser Institut leitet derzeit ein For-
schungsprojekt, in dem wir zusammen mit
Partnern aus Forschung und Industrie die
für die Gebäudeintegration besonders ge-
eignete CIGS-Dünnschichtphotovoltaik für
Fassadenanwendungen optimieren. Es ste-
hen sowohl fertigungstechnische als auch
systemtechnische Themen auf dem Pro-
gramm.
Wir optimieren das Moduldesign hinsicht-
lich Energieertrag, Schattentoleranz, Mon-
tagefreundlichkeit und Flexibilität der Mo-
dulgröße und passen es an die übrigen
Systemkomponenten an. Die optimierten
Fassadenmodule und Systemkomponenten
werden am Ende von den Projektpartnern
hergestellt. Bis dahin wird es aber noch ein
wenig dauern.
Ist die in die Fassade integrierte Dünnschicht-
Photovoltaik denn genauso leistungsfähig wie
die Aufdach-Produkte?
Geyer:
Der Ertrag an Fassaden ist etwas
niedriger als auf einem Süddach. Positiv ist
jedoch, dass er eher in den Morgen- und
Abendstunden entsteht. Auf diese Weise
lässt sich der Mittagspeak elegant vermei-
den. Eine eventuell vorgesehene Batterie
für die Nachtstunden benötigt dann weni-
ger Speicherkapazität. Hinzu kommt: Fassa-
denanlagen nutzen die tief stehende Sonne
imWinter aufgrund ihrer vertikalen Ausrich-
tung gut. Zudem sind sie bei Schneewetter-
lagen gegenüber Dachanlagen imVorteil.
Wie weit sind wir weg von sich zumindest mit
Strom autark versorgenden Gebäuden?
Geyer:
Hier gibt es enorme Fortschritte. Ein
Nichtwohngebäude kann mit Solarfassaden
und einer Dachanlage inzwischen bis zu 75
Prozent des Strombedarfs selbst decken.
Auch das ist Thema unseres Forschungspro-
jekts: Wir prüfen das energiewirtschaftliche
Potenzial von CIGS-Fassaden im Hinblick
darauf, wie der elektrische und auch ther-
mische Energiebedarf auf Gebäudeebene
gedeckt werden kann.
Die Fragen stellte Camillo Kluge.
Die weitaus meisten Photovoltaikmodule in Deutschland sind auf Dächern montiert, in die
Gebäudehülle werden bislang nur die wenigsten integriert. Ein Forschungsprojekt unter der
Leitung des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW)
soll hier künftig für Fortschritte sorgen. Die FASSADE stellte Dieter Geyer, der sich seit 1990
als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung
Baden-Württemberg (ZSW) in Stuttgart mit der Thematik beschäftigt, ein paar Fragen.
Projektleiter Dieter Geyer berichtet über den
Stand der Entwicklung.
Über das ZSW
Das ZSW gehört zu den führenden Instituten
für angewandte Forschung auf den Gebieten
Photovoltaik, regenerative Kraftstoffe,
Batterietechnik und Brennstoffzellen sowie
Energiesystemanalyse. An den drei Standorten
Stuttgart, Ulm und Widderstall sind derzeit
rund 250 Wissenschaftler, Ingenieure und
Techniker beschäftigt. Hinzu kommen 90
wissenschaftliche und studentische Hilfskräfte.
www.zsw-bw.deCIGS-Dünnschichtmodule an der Fassade des
ZSW-Institutsgebäudes in Stuttgart.
Fotos (2):
© ZSW