Wie sieht der „Normalfall“ aus?
Im Allgemeinen wird von Folgendem aus-
gegangen: Handbetätigte Fensterflügel, die
vom normalen Stand aus bedient werden
sollen, werden als gebrauchstauglich bedien-
bar eingestuft, wenn diese leicht zu erreichen
und der für den Öffnungs- und Schließvor-
gang (vor allem aus der Flügel-Kippstellung)
benötigte Kraftaufwand entsprechend zuläs-
sige Bedienkräfte nicht überschreitet. Zuläs-
sige Bedienkräfte für die Bedienung von üb-
lichen Drehkipp- und Drehflügeln können
der DIN EN 13115 entnommen werden
[5]
.
In dieser Norm sind Klassen definiert und
zugehörige, maximal zulässige Bedienkräf-
te zum Öffnen und Schließen von Fenster-
flügeln klassifiziert. Unter der Klasse 1 wird
für Flügel mit handbetätigten Hebelgriffen
ein maximal zulässiger Kraftaufwand von
100 N oder ein maximales Moment von 10
Nm angegeben, für die Klasse 2 30 N oder
5 Nm. Hinweis: Im aktuellen Entwurf aus
April 2018 zur DIN EN 13115 werden für
die Klassen 1 und 2 analoge Grenzwerte be-
nannt
[6]
. Fachleuten dürfte zudem bekannt
sein, dass für RAL-geprüfte Oberlichtbe-
schläge die maximal zulässige Betätigungs-
kraft zur Betätigung des Handhebels eben-
falls 100 N (50 mm vom Griffende) beträgt.
An dieser Stelle erscheint es zudem wichtig,
auf folgende in der DIN 18055 abzulesende
elementare Forderung hinzuweisen
[7]
. Unter
Ziffer 4.13 (Bedienungskräfte) heißt es: „Die
Bedienungskräfte sind Merkmale für die Ge-
brauchstauglichkeit und sind vom Planer
unter Berücksichtigung der Benutzerkrei-
se vorzugeben.“. Zudem ist an dieser Stel-
le zu erwähnen, dass in der ATV DIN 18357
(VOB Verdingungsordnung für Bauleistun-
gen, Teil C, Beschlagarbeiten) u.a. folgendes
ausgeführt wird: „Beschläge müssen so ein-
gebaut werden, dass sie leicht und unfallsi-
cher zu betätigen sind.“ sowie „Türen, Fens-
ter und Fenstertüren sind so zu beschlagen,
dass sie sich leicht und unfallsicher öffnen
und schließen lassen.“
[8]
.
Trend zu immer größeren, höheren,
schwereren Fensterflügeln
Neben den für Frauen und Männer ange-
gebenen anthropometrischen Werten sowie
der nach Norm einzuhaltenden zulässigen
Bedienkräfte spielt natürlich die eigentliche
geometrische sowie technisch-konstruktive
Ausbildung des zu bedienenden Fensterflü-
gels einschließlich dessen Beschlagtechnik
und Verglasung eine entscheidende Rolle.
Während vonseiten der Beschlags-System-
geber seit einigen Jahren durchdachte Neu-
entwicklungen im Bereich der kraft- bzw.
schließunterstützenden Beschlags-Kompo-
nenten konzipiert und erfolgreich auf den
Markt gebracht werden, ist andererseits
seit Jahren im Wohnungs- und Objektbau-
bereich leider ein anhaltend hoher „Trend“
zu immer größeren, insbesondere zu höhe-
ren, und somit zu immer schwereren, Flü-
gelkonstruktionen unübersehbar. Die Fol-
gen eines teils deutlich beeinträchtigten
Bedienkomforts (zum Öffnen und Schlie-
ßen des Fensterflügels) werden dabei häu-
fig unterschätzt. Denn mit zunehmender
Flügelhöhe geht eine Erhöhung der Flügel-
masse oberhalb des Griffes einher. Ein Um-
stand, der zwangsläufig und recht häufig zu
höheren bzw. teils gar zu unzulässig hohen
Bedienkräften führt.
Konkrete Anwendungsfälle
Unter Berücksichtigung der für übliche Nut-
zer benannten anthropometrischen Wer-
te und der dargelegten maximal zulässigen
Bedienkräfte hat sich in der Praxis für brüs-
tungshohe Fensterflügel, unter Zugrund-
legung üblich-schwerer sowie üblich-aus-
gestatteter Flügelkonstruktionen mit übli-
chen Flügelabmessungen, eine Griffhöhe
zwischen ca. 1400 und 1450 mm über OKFF
als ergonomisch angenehme und in die-
sem Sinne als gebrauchstaugliche Griffhö-
he durchgesetzt. Diese Griffhöhe resultiert
u.a. aus dem Umstand des sog. Bedienungs-
komforts, der insbesondere auch aus der
Ruhelage beim Schließvorgang des gekipp-
ten Flügels in die geschlossene Flügelstel-
lung gegeben sein soll.
Körperhöhe ca. 163cm
ca. 90cm
GH ca. 145cm ü. OKFF
Schulterhöhe ca. 135cm
Flügelhöhe 140cm
Griffhöhe ca. 170cm über OKFF
1/2
ca. 450
1/2
a (125)
Abb. 3. Fenster-/Griffhöhen in Relation zur
„Reichweite nach oben“ einer Frau.
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© Thomas Stephan