TECHNIK
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Fachbeitrag
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FASSADE 5/2018
Dipl.-Ing. Günther
Breder ist Ge-
schäftsführer des
Ingenieurbüros
Breder GmbH in Bad Salzuflen und Beratender
Ingenieur IK Bau Nordrhein-Westfalen.
ner Pfostenverdrehung führt (vergl. Bild 3),
welche die zulässige angenommene maxi-
male Verformung aus Translation von 5 mm
nochmals reduziert, weil die Rotation des
Pfostens hinzu kommt, welche ebenfalls zu
einerVerringerung des Falzgrunds führt.
Aus dieser Betrachtung wird klar, dass die
fassadenparallelen Windlasten aus vorge-
setzten Konstruktionen nicht in die Pfos-
ten eingeleitet werden können, sondern
ein eigenständiges Bauteil bilden müssen,
welches die Lasten direkt an den Baukör-
per abgibt. Bei der Bemessung dieses eigen-
ständigen Bauteiles müssen die zulässigen
Verformungen nicht auf 5 mm beschränkt
werden, was dann bei der Ermittlung der
Flächenträgheitsmomente einer Lamelle ei-
nen wesentlich günstigeren Einfluss hat, als
bei der Ermittlung des Iy-Wertes für den
Pfosten. Selbst eine Lasteinleitung der Pa-
rallellasten einer Lamelle über den Pfosten
im Auflagerbereich ist kritisch. Zwar wird
dann der Pfosten nicht auf Biegung in der
Fassadenebene beansprucht, aber es kommt
zu Lastkonzentrationen an dieser Stelle,
welche eine sehr massive Anbindung an
den Pfosten erfordern. Systembauteile von
Systemherstellern sind hierfür in der Regel
nicht geeignet, da diese häufig nur für Las-
ten senkrecht zur Fassade und für Vertikal-
lasten ausgelegt sind und geprüft wurden.
Eigenkonstruktionen an dieser Stelle bein-
halten oft eine Durchdringung der wasser-
führenden Ebene, was immer kritisch ist.
Die aus statischer Sicht beste Möglichkeit
ist es, die fassadenparallelen Lasten direkt
ohne Pfostendurchdringung in den Baukör-
per einzuleiten (vergl. Bild 4). Dieses kann
mittels einer Sonderkonstruktion erfolgen,
welche am Massivbau anschließt. An dieser
Sonderkonstruktion werden dann ebenfalls
die Fassadenpfosten angeschlossen. Diese
Konstruktion hat den Vorteil, dass die Las-
ten aus der vorgesetzten Konstruktion nicht
über die Fassadenpfosten in den Baukörper
eingeleitet werden und somit den Fassa-
denpfosten auch nicht belasten.
Verwendung von tiefen Deckschalen
Bei der Verwendung von tiefen Deckscha-
len ist die beschriebene separate vorgesetz-
te Lösung nicht möglich, da die Deckscha-
len direkt mit dem Pfosten verbunden sind
(vergl. Bild 5). Bei der Planung dieser Sys-
teme sind die fassadenparallelen Windlas-
ten zu untersuchen und der Einfluss auf die
Pfosten ist zu beachten. Dieses kann, wie
oben am Beispiel gezeigt, dazu führen, dass
die Pfosten massiv verstärkt werden müssen
oder dass ein Fassadensystem mit einer grö-
ßeren Ansichtsbreite gewählt werden muss.
Zusätzlich ist bei der Wahl tiefer Deckscha-
len darauf zu achten, dass die Windlasten
in den Pfosten eingeleitet werden können,
was üblicherweise mit einer Verschraubung
im Schraubkanal und über Klemmung zur
Klemmleiste erfolgt. Um auch hierfür einmal
die Kräfte bzgl. der Verschraubung zu veran-
schaulichen, bleiben wir bei dem oben ge-
nannten Beispiel. Aus der Rasterbreite von
1500 mm, einem cp-Wert von 1,3 und einem
Staudruck von 1,0 kN/m² ergibt sich für die
Klemmleiste eine Beanspruchung von 1,95
kN/m. Aus der 400 mm tiefen Deckscha-
le ergibt sich die Windlastresultierende zu
1,3 x 1,0 x 0,4 = 0,52 kN/m. Die Lastresultie-
rende hat einen Hebelarm bezogen auf die
Klemmleiste von ca. 200 mm. Die Klemm-
leiste muss dieses Moment aufnehmen, was
nur über ein Kräftepaar „Zug in der Schrau-
be“ und „Druck auf den Glasrand“ erfol-
gen kann (vergl. Bild 6). Dieser Gegenhebel-
arm beträgt nur ca. 20 mm, was dazu führt,
dass die Zug- bzw. Druckkraft den 10-fa-
chen Wert von 0,52 kN also 5,2 kN/m be-
trägt. Hinzu kommt die Querkraft in derVer-
bindungsschraube zwischen Klemmleiste
und Schraubkanal, welche in der Regel nicht
über die Zulassungen der Systemhersteller
bezüglich dieserVerbindung abgedeckt ist.
Aus diesem Beispiel ist zu erkennen, dass
sich aufgrund der ungünstigen Hebelarm-
verhältnisse sehr große Kräfte einstellen,
welche bei der Planung unbedingt zu beach-
ten sind und häufig zu Sonderlösungen füh-
ren.
Fazit
Diese einfachen Beispiele für eine Lisene
und eine tiefe Deckschale zeigen, dass die
hieraus resultierenden Windlasten einen
enormen Einfluss auf die Planung der Fas-
sade haben und oft zu Sonderlösungen füh-
ren. Aus diesem Grund ist es wichtig, diese
Lasten aus vorgesetzten Bauteilen bereits in
der Entwurfsphase mit einzuplanen.
Bild 5: Resultierende Parallellast.
Bild 6: Resultierende Kräfte an der
Klemmleiste.