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Metall an der Fassade
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FASSADE 3/2018
Können Metallfassaden auch einen aktiven
Beitrag für die Energie- und Umweltbilanz
eines Gebäudes leisten?
Hachul: Definitiv ja. Moderne Gebäude-
hüllen bei Industrie- und Gewerbebau-
ten können viel mehr als nur gut aussehen.
Wir haben in einem Gemeinschaftsprojekt
mit der RWTH Aachen, dem Karlsruhe In-
stitute of Technology und der HTW Berlin
erforscht, wie eine solarthermische Nut-
zung der Fassade aussehen könnte. Da-
zu haben wir Rohrleitungen in die Fassa-
denelemente einer Metallsandwichkonst-
ruktion integriert bzw. eingeschäumt (Bild
2). Ein Ergebnis dieses Projektes war, dass
wir belegen konnten, dass an Südfassaden
selbst im Winter beträchtliche Strahlungs-
erträge anfallen. Je nach Farbe der Fassade
lag der Temperaturunterschied zur Außen-
temperatur bei bis zu 45 Kelvin. Sowohl die
industrielle Fertigung solcher aktiven Ele-
mente ist problemlos möglich als auch die
Nutzung der Sonnenenergie für die Warm-
wasserbereitung, Prozess-
wärme oder die Kühlung
im Sommer. An einer Lo-
gistikhalle in Lübeck wird
ein ähnlicher Aufbau der-
zeit bereits in der Praxis ge-
testet. Im Prinzip könn-
ten damit eigentlich schon
heute Gebäudehüllen aus
diesen Fassadenelementen
einen wichtigen Beitrag zur
CO
2
-Einsparung und damit
zur Erreichung der Klima-
schutzziele leisten.
Lässt sich mit der gemes-
senen Sonnenenergie auch
Strom erzeugen?
Hachul: Dafür gibt es an
Fassaden ja schon viele Bei-
spiele in der Baupraxis. Neu
ist hier unsere Idee der Nutzung fotoakti-
ver Lacke (Bild 3). So könnten entsprechend
beschichtete PIR/PUR Metallsandwichele-
mente ganz ohne Solarzellen auskommen.
Ein Nachteil ist dabei im Moment noch die
begrenzte Lebensdauer dieser Lacke, die
derzeit in der Erprobungsphase sind. Wenn
sie die Serienreife erreichen, sind insbeson-
dere Industrie- und Gewerbebauten mit ih-
ren großen Flächen attraktiv für diese An-
wendung. Auch sogenannte fotokatalytisch
aktive Beschichtungen könnten eine sinn-
volle Ergänzung der Stahlsandwichelemen-
te bieten. Durch sie wird das in der Luft ent-
haltene Stickoxid in Nitrat zerlegt. Oder
einfacher gesagt: Die Fassade reinigt bei
Sonneneinstrahlung die Umgebungsluft.
Beide Lackvarianten könnten im industri-
ellen Maßstab durch Bandbeschichtung auf
die Sandwichelemente aufgebracht werden.
Die Fragen stellte Rüdiger Utsch
(Covestro Deutschland AG)
Prof. Dr.-Ing. Helmut Hachul (48) lehrt Architek-
tur und Metallbau an der Fachhochschule Dort-
mund. In einem Gemeinschaftsprojekt mit der
RWTH Aachen, dem Karlsruhe Institute of Tech-
nology und der HTW Berlin hat Prof. Hachul
mehrdimensional energieoptimierte Gebäude-
hüllen in Stahlleichtbauweise für den Industrie-
und Gewerbebau erforscht.
Bild 2: Logistikhalle und Büro in Lübeck: Die Wandaufbauten bestehen aus horizontal verlegten
PIR/PUR Stahlsandwichelementen, in die solarthermische Leitungen integriert wurden.
Die Gesamtfläche beträgt 220 m², die dunkle Beschichtung soll den Ertrag erhöhen. Die
gewonnene Energie wird als Vorlauf zur Wärmepumpe genutzt.
Foto:
© Prof. Hachul
Bild 3: Für bandbeschichtete Feinbleche noch eine Vision.
Energieerzeugung über den Decklack. Vorteil gegenüber
konventionellen Lösungen wäre eine stimmige Integration
der Photovoltaik in die Gebäudehülle, Gebäudegestaltung.
Bild 4: Innovative Lacksysteme lassen sich
über Bandbeschichtung u.a. auf PIR/PUR
Stahlsandwichelementen auftragen. Die
Technologie ist unsichtbar in der Beschichtung
integriert und integraler Bestandteil der
Fassade und damit eine sinnvolle Ergänzung
der Stahlsandwichelemente.
Foto:
© ThyssenKrupp Steel Europe AG
Foto:
© Prof. Hachul