titelthema
|
Holz an der Fassade
12
FASSADE 6/2017
Auf der grünen Wiese
In einem Landschaftsschutzgebiet, direkt
am Flusslauf der Schmutter, fügen sich die
scheunenartigen Baukörper mit ihren hell-
grauen Holzfassaden und leicht geneigten
Satteldächern harmonisch in die Topogra-
phie ein. Die landschaftsverträgliche Ein-
bindung des großen Bauvolumens war eine
spannende Herausforderung für die in einer
Arbeitsgemeinschaft wirkenden Architek-
ten Hermann Kaufmann und Florian Nag-
ler. „Ursprünglich wollten wir das Raum-
programm auf sechs Gebäude verteilen“,
so Architekt Florian Nagler. „Doch Überle-
gungen der Wirtschaftlichkeit und Energie-
effizienz führten uns schließlich zu der jet-
zigen Anlage.“ Das Ensemble besteht aus
vier einander ähnlichen, kompakten Ge-
bäuden, die sich um einen rechteckigen Hof
gruppieren – zwei dreigeschossige Unter-
richtstrakte, eine Dreifachsporthalle und ein
Pädagogik trifft Architektur
Nachhaltiger Holz-Schulbau für eigenverantwortliches und soziales Lernen
Das Schmuttertal-Gymnasium in Diedorf bei Augsburg ist eine Schule mit Modellcharakter. Rund
1000 Schüler lernen hier nach innovativen Konzepten in einem gesunden, sinnfälligen Umfeld.
In nur zweijähriger Bauzeit entstand im Rahmen eines Forschungsvorhabens der Deutschen
Bundesstiftung Umwelt ein Plusenergie-Holz-Schulbau, der architektonisch überzeugt und den
Schülern eine optimale Lernumgebung bietet.
zweigeschossiges Eingangsgebäude mit Au-
la, Mensa,Verwaltung und Bibliothek. Raum
und Struktur bilden eine Einheit, das sicht-
bare Holztragwerk prägt die Innenräume.
Zur optimalen Tageslichtnutzung wird Licht
über shedartige Dachfenster und Lichthöfe
in die vergleichsweise tiefen Baukörper ge-
leitet, transparente Zwischenwände und Ta-
geslichtsysteme unterstützen die Lichtver-
teilung.
Nachhaltige hinterlüftete
Fassadenverkleidung
In einem partizipativen Prozess haben die
Lernenden und Lehrenden in enger Zu-
sammenarbeit mit Fachplanern und Bau-
herrn die Gestalt ihrer Schule mitbestimmt.
Ab Oberkante Keller bzw. Bodenplatte wur-
de das Gebäude komplett als elementier-
ter Holzbau realisiert. Auch die Fassade und
ein Großteil des Innenausbaus sind aus dem
nachwachsenden Rohstoff Holz. Insgesamt
wurden knapp 5000 Kubikmeter unter-
schiedliche Holz- und Holzwerkstoffe wie
Konstruktionsvollholz, Brettschichtholz und
Brettsperrholz verbaut. Die Geschossde-
cken wurden in Holz-Beton-Verbundbau-
weise ausgeführt, was für optimalen Schall-
schutz in allen Nutzungsbereichen und ei-
ne ausreichende Wärmekapazität sorgt.
Zusätzliches Öko-Plus ist die hocheffizient
gedämmte Gebäudehülle mit hinterlüfte-
ter Fassadenverkleidung aus lasierten, säge
rauen Brettern. Sie entspricht ebenso den
Kriterien des Passivstandards wie die ent-
sprechend qualifizierten dreifach verglas-
ten Fensterelemente, die im Zuge der Vor-
fertigung schon in die Wandbauteile inte
griert waren. Die Fassadenverkleidung kragt
über jeder Etage etwas nach vorn vor – das
ist konstruktiver Witterungsschutz im Holz-
bau. Heizenergie bezieht das Gymnasium
aus zwei 100-kW-Pelletkesseln, Frischluft
liefern zwei große Lüftungsanlagen mit ei-
nemWärmerückgewinnungsgrad von bis zu
73 %. Die Satteldächer integrieren auf ih-
ren flach geneigten Südseiten 1650 Photo-
voltaikmodule, die im Jahr 510 MWh Strom
liefern und damit den Primärenergiebedarf
der Schule um den Faktor 1,5 überkompen-
sieren.
Innovative Sonderlösungen
Weil offene Lernlandschaften bislang weder
in den Bauordnungen der Länder noch in
den Schulbaurichtlinien geregelt sind und
daher einen Sonderfall darstellen, muss-
ten im Bereich Brandschutz und Akustik
neue Ansätze entwickelt werden. Wesent-
liches Ziel des Brandschutzkonzepts ist die
schnelle und sichere Evakuierung aller im
Schulgebäude befindlichen Personen über
direkte Zugänge aller Unterrichtsräume
zum notwendigen Treppenraum. Entschei-
dend ist in diesem Zusammenhang die au-
tomatische Brandmeldung, die gewähr-
leistet, dass bei einem Brandereignis das
Mit ihren grauen Holzfassaden und leicht
geneigten Satteldächern wirken die vier
Baukörper des Schmuttertal-Gymnasiums
wie übergroße Scheunen.