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Holz an der Fassade

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FASSADE 6/2017

Auf der grünen Wiese

In einem Landschaftsschutzgebiet, direkt

am Flusslauf der Schmutter, fügen sich die

scheunenartigen Baukörper mit ihren hell-

grauen Holzfassaden und leicht geneigten

Satteldächern harmonisch in die Topogra-

phie ein. Die landschaftsverträgliche Ein-

bindung des großen Bauvolumens war eine

spannende Herausforderung für die in einer

Arbeitsgemeinschaft wirkenden Architek-

ten Hermann Kaufmann und Florian Nag-

ler. „Ursprünglich wollten wir das Raum-

programm auf sechs Gebäude verteilen“,

so Architekt Florian Nagler. „Doch Überle-

gungen der Wirtschaftlichkeit und Energie-

effizienz führten uns schließlich zu der jet-

zigen Anlage.“ Das Ensemble besteht aus

vier einander ähnlichen, kompakten Ge-

bäuden, die sich um einen rechteckigen Hof

gruppieren – zwei dreigeschossige Unter-

richtstrakte, eine Dreifachsporthalle und ein

Pädagogik trifft Architektur

Nachhaltiger Holz-Schulbau für eigenverantwortliches und soziales Lernen

Das Schmuttertal-Gymnasium in Diedorf bei Augsburg ist eine Schule mit Modellcharakter. Rund

1000 Schüler lernen hier nach innovativen Konzepten in einem gesunden, sinnfälligen Umfeld.

In nur zweijähriger Bauzeit entstand im Rahmen eines Forschungsvorhabens der Deutschen

Bundesstiftung Umwelt ein Plusenergie-Holz-Schulbau, der architektonisch überzeugt und den

Schülern eine optimale Lernumgebung bietet.

zweigeschossiges Eingangsgebäude mit Au-

la, Mensa,Verwaltung und Bibliothek. Raum

und Struktur bilden eine Einheit, das sicht-

bare Holztragwerk prägt die Innenräume.

Zur optimalen Tageslichtnutzung wird Licht

über shedartige Dachfenster und Lichthöfe

in die vergleichsweise tiefen Baukörper ge-

leitet, transparente Zwischenwände und Ta-

geslichtsysteme unterstützen die Lichtver-

teilung.

Nachhaltige hinterlüftete

Fassadenverkleidung

In einem partizipativen Prozess haben die

Lernenden und Lehrenden in enger Zu-

sammenarbeit mit Fachplanern und Bau-

herrn die Gestalt ihrer Schule mitbestimmt.

Ab Oberkante Keller bzw. Bodenplatte wur-

de das Gebäude komplett als elementier-

ter Holzbau realisiert. Auch die Fassade und

ein Großteil des Innenausbaus sind aus dem

nachwachsenden Rohstoff Holz. Insgesamt

wurden knapp 5000 Kubikmeter unter-

schiedliche Holz- und Holzwerkstoffe wie

Konstruktionsvollholz, Brettschichtholz und

Brettsperrholz verbaut. Die Geschossde-

cken wurden in Holz-Beton-Verbundbau-

weise ausgeführt, was für optimalen Schall-

schutz in allen Nutzungsbereichen und ei-

ne ausreichende Wärmekapazität sorgt.

Zusätzliches Öko-Plus ist die hocheffizient

gedämmte Gebäudehülle mit hinterlüfte-

ter Fassadenverkleidung aus lasierten, säge­

rauen Brettern. Sie entspricht ebenso den

Kriterien des Passivstandards wie die ent-

sprechend qualifizierten dreifach verglas-

ten Fensterelemente, die im Zuge der Vor-

fertigung schon in die Wandbauteile inte­

griert waren. Die Fassadenverkleidung kragt

über jeder Etage etwas nach vorn vor – das

ist konstruktiver Witterungsschutz im Holz-

bau. Heizenergie bezieht das Gymnasium

aus zwei 100-kW-Pelletkesseln, Frischluft

liefern zwei große Lüftungsanlagen mit ei-

nemWärmerückgewinnungsgrad von bis zu

73 %. Die Satteldächer integrieren auf ih-

ren flach geneigten Südseiten 1650 Photo-

voltaikmodule, die im Jahr 510 MWh Strom

liefern und damit den Primärenergiebedarf

der Schule um den Faktor 1,5 überkompen-

sieren.

Innovative Sonderlösungen

Weil offene Lernlandschaften bislang weder

in den Bauordnungen der Länder noch in

den Schulbaurichtlinien geregelt sind und

daher einen Sonderfall darstellen, muss-

ten im Bereich Brandschutz und Akustik

neue Ansätze entwickelt werden. Wesent-

liches Ziel des Brandschutzkonzepts ist die

schnelle und sichere Evakuierung aller im

Schulgebäude befindlichen Personen über

direkte Zugänge aller Unterrichtsräume

zum notwendigen Treppenraum. Entschei-

dend ist in diesem Zusammenhang die au-

tomatische Brandmeldung, die gewähr-

leistet, dass bei einem Brandereignis das

Mit ihren grauen Holzfassaden und leicht

geneigten Satteldächern wirken die vier

Baukörper des Schmuttertal-Gymnasiums

wie übergroße Scheunen.