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Holz an der Fassade

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FASSADE 6/2017

ZÜBLIN Timber

Karl-Heinz Roth

ist Leiter Akqui-

sition bei der Züblin Timber Aichach GmbH

und seit vielen Jahren Experte für Holzfassaden-Konstruktionen.

Theatre UK in Aylesbury

Anforderungen

Speziell bei dieser Fassade gab es zwei gro-

ße Herausforderungen. Zum einen mussten

die Fassadenpfosten die gesamte Dachlast

und teils die Last aus den Emporen tragen,

zum anderen sollte die Tragstruktur gleich-

zeitig im Außenbereich angeordnet werden

(Umkehrfassade).

Planung

Für die Detaillierung der Profile bei einer

Umkehrfassade ist es unumgänglich die

Wasserführung und die Dichteebene im

Detail zu durchdenken. In Zusammenar-

beit mit dem ift Rosenheim konnte anhand

von Standardprofilen durch geschickte An-

ordnung gewährleistet werden, dass die

Entwässerung immer nach außen geleitet

wird und auch die zwei Dichtebenen vom

Pfosten zum Riegel konsequent verlaufen.

Auf dem Fassadenprüfstand des ift wur-

den bei einem ca. 3,0 x 7,0 m großem Mus-

ter die Leistungswerte für Luftdichtigkeit,

Schlagregendichtigkeit und Verformung er-

mittelt.

Fertigung

Der Grundriss der Fassadenlinie gleicht ei-

ner unregelmäßigen Erdnussform, die Linie

des Kopfpunktes steigt und fällt zusammen

mit der Dachfläche. Dies bedingt, dass jeder

Fassadenpfosten eine andere Geometrie er-

hält. Durch die sehr exakte CNC-Bearbei-

tung der Bauteile konnte die unregelmäßi-

ge Geometrie sicher und sehr präzise gefer-

tigt werden. Obwohl die Bauteile bezüglich

der Abmessungen eher Ingenieur-Holzbau-

teilen entsprachen, war es gewünscht, diese

bezüglich der Präzision und Oberflächen-

beschaffenheit in Schreinerqualität herzu-

stellen.

Montage

Bei dieser Konstruktion wurden die bis zu

15 m langen Pfosten der Primärstruktur für

die Verglasung genützt. Das bedeutet, dass

diese Bauteile mit höchster Präzision ge-

fertigt und montiert werden mussten, wie

es im Fassadenbau für Verglasungen erfor-

derlich ist. Mit speziellen Montage-Scha­

blonen und zunächst flexiblen Verankerun-

gen am Fußpunkt konnten die Bauteile äu-

ßerst exakt den Vorgaben des Vermessers

folgen. Dies gewährleistete ein problemlo-

ses Einsetzen der großformatigen Isolier-

glaseinheiten, die aufgrund der Umkehrfas-

sade von innen eingesetzt werden mussten.

Entscheidend für die spätere einwandfreie

Funktion ist der spannungsfreie und geo-

metrisch exakte Einbau der Verglasungsein-

heiten.

Konstruktiver Holzschutz

Die Umkehrfassade mit den außenliegen-

den Traggliedern stellt spezielle Herausfor-

derungen an den konstruktiven Holzschutz.

Spezielles Augenmerk wurde auf den Fuß-

punkt gerichtet, der einen entsprechenden

Abstand zum Grund aufweist und das Was-

ser ungehindert am Pfosten abfließen lässt.

Die Riegel, die ebenfalls außen liegen, wur-

den mit ca. 7 mm Abstand um die Pfosten

montiert, dadurch wurde erreicht, dass zwi-

schen Pfosten und Riegel keine Kapillarfuge

entsteht und das BS-Holz rasch austrock-

nen kann. Der Fuß-Riegel, der direkt im

Spritzwasserbereich eingesetzt wird, konn-

te in diesem Fall nicht aus Brettschichtholz

hergestellt werden. Hier wurde auf ein feu-

erverzinktes Stahlprofil zurückgegriffen.

Als weitere Maßnahme wurde Lärchen-

Kernholz verwendet, das offenporig la-

siert ist. Diese Lasurbeschichtung reduziert

die Wasseraufnahme des Holzes, lässt aber

gleichzeitig die Diffusion zu. Das bis zu 4 m

auskragendeVordach trägt sicher auch posi-

tiv zum konstruktiven Holzschutz bei, wäre

jedoch alleine nicht ausreichend, da bei ei-

ner Fassadenhöhe von bis zu 15,50 m auch

bei diesen überaus großzügigen Dachüber-

ständen die Fassaden trotzdem einer star-

kenVerwitterung ausgesetzt sind.

Auch Jahre nach der Fertigstellung machen

sich die erläuterten Maßnahmen und deren

Zusammenwirken bemerkbar und gewähr-

leisten bis heute eine einwandfreie Nut-

zung, obgleich der sensiblen Bauweise.

Fazit

Die zwei gezeigten Beispiele sollen Inspira-

tion sein für ausgefallene Holz-Fassaden-

konstruktionen. Gleichzeitig sei hier aber

auch der mahnende Finger erhoben, die

Konstruktionen immer als Ganzes zu be-

trachten. Wartungs- und Instandsetzungs-

aufwand muss im angemessenen Verhältnis

stehen. Auch die geplante Lebensdauer der

Holzfassade muss sicher und zweifelsfrei

erreicht werden. Mangelhaft oder nur ein-

geschränkt funktionierende Holzfassaden

schaden dem Image des Werkstoffes.

Detailblick auf die Fassade des Theatre UK in

Aylesbury.

Eindrucksvolle Holzfassade: Das von RHWL Architects

London geplante Theatre UK in Aylesbury.

ZÜBLIN Timber Aichach