Previous Page  32 / 60 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 32 / 60 Next Page
Page Background

TECHNIK

|

Fachbeitrag

32

FASSADE 5/2017

beschriebenen BIM-Prozess. Es wurde

allerdings noch kein Gesamtmodell zur

Prüfung und Koordination der Betei-

ligten im Sinne eines BIM-Projektab-

wicklungsplans erstellt.

National Museum Katar

Im Zuge des Ausbaus von Doha, der

Hauptstadt von Katar, zu einem welt-

weiten Finanz-, Kultur- und Touris-

muszentrum entstand auf der Grund-

lage eines Entwurfs von Atelier Jean

Nouvel der Neubau des Nationalmu-

seums (National Museum of Qatar –

NMoQ). Das unverwechselbare drei-

dimensionale Design und die Größe

des Projekts stellten höchste Anforde-

rungen an Planung, Herstellung und

Montage der Gebäudehülle. Der Ent-

wurf folgt den komplexen rosettenar-

tigen Strukturen von „Sandrosen“, die

sich in der Wüste beiVerdunstungskris-

tallisation von Gips bilden. Aus diesem

Motiv wurde ein Gebäudekomplex

entwickelt, der auf einer Grundfläche

von ca. 400 m x 250 m und einer Hö-

he von bis zu 40 m etwa 600 verschie-

dene „Disk“-Elemente beinhaltet, die

im dreidimensionalen Raum ineinan-

der gewürfelt und untereinander ver-

schnitten sind. Daraus ergibt sich für

das Gesamtprojekt eine extrem kom-

plexe, dreidimensionale Geometrie.

Die Größe und Komplexität des Bau-

vorhabens mit einem Volumen von ca.

1 Mrd. USD ebenso wie die komplexe

Geometrie des Entwurfs und das auf

mehrere Kontinente verteilte Planungs-

und Produktionsteam erforderten eine

neue Herangehensweise. Zentral war hier-

bei ein BIM-Datenmodell, in das alle betei-

ligten Fachplaner und ausführenden Firmen

kontinuierlich ihre Planungsergebnisse ein-

speisten und diese dabei miteinander koor-

dinierten. Nur mit Hilfe dieses Modells war

es möglich, die besondere dreidimensionale

Komplexität zu bewältigen und Kollisio-

nen der einzelnen Bauteile zu vermeiden.

Das BIM-Datenmodell wurde mit der Soft-

warelösung „Digital Project“ umgesetzt und

war seinerzeit aufgrund der Größe des Pro-

jekts und des Level of Development (LOD

400) eines der größten Modelle seiner Art.

Nur dadurch, dass das Projekt von

Anfang an komplett dreidimensio-

nal geplant wurde, konnte die extre-

me Komplexität beherrscht werden.

Permanente Kollisionsprüfung und

durchgehende Pflege und Wartung

des BIM-Datenmodells unter den defi-

nierten Verantwortlichkeiten waren der

Schlüssel zum Erfolg der Bauaufgabe,

die auch mit einem Sonderpreis beim

BIM-Award 2016 honoriert wurde.

Fazit

In den letzten fünf Jahren ist bei der

Planung von Gebäuden ein deutlicher

Anstieg der BIM-Anwendungen zu

verzeichnen. Dabei hat sich die Digita-

lisierung von geometrisch komplexen

Projekten und Großprojekten zuneh-

mend auch auf die Planung „alltägli-

cher“ Projekte ausgeweitet. Es ist zu

erwarten, dass BIM in den kommenden

Jahren zum allgemeinen Standard bei

der Planung wird und sich weiter auf

den Betrieb von Gebäude ausweiten

und schließlich den kompletten Le-

benszyklus erfassen wird. Daher ist es

wichtig, die Implementierung von BIM

in Projekten und Unternehmen mög-

lichst früh zu initiieren und voranzu-

treiben.

NMoQ – 3D-Modell und dessen Umsetzung

Literatur

T. Winterstetter, A. Toth, W. Sobek, M. Baur, K. Gra-

ser: National Museum of Qatar - Stahlbau, Gebäu-

dehülle und 3D-BIM in höchster Komplexität, Stahl-

bau Volume 86, 4/2017, Ernst & Sohn, S. 346-350

L. Blandini, T. Schmidt, T. Winterstetter, W. Sobek:

Das Enzo Ferrari Museum – eine Fusion zweier De-

signwelten, Glasbau 2013, Ernst & Sohn, Hrsg. B.

Weller, S. Tasche, S. 1-10

Prof. Dr. Steffen

Feirabend ist Pro-

fessor für digita-

les Planen und

Bauen an der

Hochschule für Technik (Stuttgart) und Prokurist

der Werner Sobek Stuttgart AG.

Dr. Lucio Blandini

ist Partner und

Prokurist der

Werner Sobek Stuttgart AG und Director Facade

Technologies bei Werner Sobek Dubai.

Dr. Thomas Winterstetter ist Vorstand und

Partner der Werner Sobek Stuttgart AG.

Rene Müller, Stuttgart (3)