TECHNIK
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Fachbeitrag
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FASSADE 5/2017
beschriebenen BIM-Prozess. Es wurde
allerdings noch kein Gesamtmodell zur
Prüfung und Koordination der Betei-
ligten im Sinne eines BIM-Projektab-
wicklungsplans erstellt.
National Museum Katar
Im Zuge des Ausbaus von Doha, der
Hauptstadt von Katar, zu einem welt-
weiten Finanz-, Kultur- und Touris-
muszentrum entstand auf der Grund-
lage eines Entwurfs von Atelier Jean
Nouvel der Neubau des Nationalmu-
seums (National Museum of Qatar –
NMoQ). Das unverwechselbare drei-
dimensionale Design und die Größe
des Projekts stellten höchste Anforde-
rungen an Planung, Herstellung und
Montage der Gebäudehülle. Der Ent-
wurf folgt den komplexen rosettenar-
tigen Strukturen von „Sandrosen“, die
sich in der Wüste beiVerdunstungskris-
tallisation von Gips bilden. Aus diesem
Motiv wurde ein Gebäudekomplex
entwickelt, der auf einer Grundfläche
von ca. 400 m x 250 m und einer Hö-
he von bis zu 40 m etwa 600 verschie-
dene „Disk“-Elemente beinhaltet, die
im dreidimensionalen Raum ineinan-
der gewürfelt und untereinander ver-
schnitten sind. Daraus ergibt sich für
das Gesamtprojekt eine extrem kom-
plexe, dreidimensionale Geometrie.
Die Größe und Komplexität des Bau-
vorhabens mit einem Volumen von ca.
1 Mrd. USD ebenso wie die komplexe
Geometrie des Entwurfs und das auf
mehrere Kontinente verteilte Planungs-
und Produktionsteam erforderten eine
neue Herangehensweise. Zentral war hier-
bei ein BIM-Datenmodell, in das alle betei-
ligten Fachplaner und ausführenden Firmen
kontinuierlich ihre Planungsergebnisse ein-
speisten und diese dabei miteinander koor-
dinierten. Nur mit Hilfe dieses Modells war
es möglich, die besondere dreidimensionale
Komplexität zu bewältigen und Kollisio-
nen der einzelnen Bauteile zu vermeiden.
Das BIM-Datenmodell wurde mit der Soft-
warelösung „Digital Project“ umgesetzt und
war seinerzeit aufgrund der Größe des Pro-
jekts und des Level of Development (LOD
400) eines der größten Modelle seiner Art.
Nur dadurch, dass das Projekt von
Anfang an komplett dreidimensio-
nal geplant wurde, konnte die extre-
me Komplexität beherrscht werden.
Permanente Kollisionsprüfung und
durchgehende Pflege und Wartung
des BIM-Datenmodells unter den defi-
nierten Verantwortlichkeiten waren der
Schlüssel zum Erfolg der Bauaufgabe,
die auch mit einem Sonderpreis beim
BIM-Award 2016 honoriert wurde.
Fazit
In den letzten fünf Jahren ist bei der
Planung von Gebäuden ein deutlicher
Anstieg der BIM-Anwendungen zu
verzeichnen. Dabei hat sich die Digita-
lisierung von geometrisch komplexen
Projekten und Großprojekten zuneh-
mend auch auf die Planung „alltägli-
cher“ Projekte ausgeweitet. Es ist zu
erwarten, dass BIM in den kommenden
Jahren zum allgemeinen Standard bei
der Planung wird und sich weiter auf
den Betrieb von Gebäude ausweiten
und schließlich den kompletten Le-
benszyklus erfassen wird. Daher ist es
wichtig, die Implementierung von BIM
in Projekten und Unternehmen mög-
lichst früh zu initiieren und voranzu-
treiben.
NMoQ – 3D-Modell und dessen Umsetzung
Literatur
T. Winterstetter, A. Toth, W. Sobek, M. Baur, K. Gra-
ser: National Museum of Qatar - Stahlbau, Gebäu-
dehülle und 3D-BIM in höchster Komplexität, Stahl-
bau Volume 86, 4/2017, Ernst & Sohn, S. 346-350
L. Blandini, T. Schmidt, T. Winterstetter, W. Sobek:
Das Enzo Ferrari Museum – eine Fusion zweier De-
signwelten, Glasbau 2013, Ernst & Sohn, Hrsg. B.
Weller, S. Tasche, S. 1-10
Prof. Dr. Steffen
Feirabend ist Pro-
fessor für digita-
les Planen und
Bauen an der
Hochschule für Technik (Stuttgart) und Prokurist
der Werner Sobek Stuttgart AG.
Dr. Lucio Blandini
ist Partner und
Prokurist der
Werner Sobek Stuttgart AG und Director Facade
Technologies bei Werner Sobek Dubai.
Dr. Thomas Winterstetter ist Vorstand und
Partner der Werner Sobek Stuttgart AG.
Rene Müller, Stuttgart (3)