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FASSADE 1/2018
Fassade als gewaltiger Massivabsorber ver-
wendet werden. Der Werkstoff Beton bietet
eine rasche Temperaturanpassungsfähigkeit
und hohe Strahlungswärmeübertragung bei
gleichzeitig günstiger thermischer Speicher-
fähigkeit und sorgt so für ein angenehmes
Raumklima. Darüber hinaus ist er regional
verfügbar und individuell formbar. In Kom-
bination mit ultraleichtem, zementgebunde-
nem Schaum als nichtbrennbare Dämmung
wird ein nahezu sortenreiner Materialaufbau
im Dach- und Wandbereich erzielt, dessen
spätere Trennung einfach durchführbar ist.
Abb. 2 zeigt einen Querschnitt der 10 m bzw.
20 m langen modularen Wand- und Dach-
elemente.
Diese Elemente vereinen die Funktionen des
Tragens, des Dämmens, des Begrenzens und
der thermischen Interaktion. Hierbei die-
nen die raumseitig angeordneten PI-Platten
als Schalung für den neu entwickelten, zem-
entgebundenen, mineralisierten Schaum, der
werkseitig mit einer Rohdichte von 180 kg/m³
bei einer Wärmeleitfähigkeit von 0,06 WmK
aufgebracht wurde. Die Herstellung erfolgt
in zwei Teilschritten (Zementleim und wäss-
riger Proteinschaum) mit einem speziellen
Mischverfahren. Eine Autoklavierung ist auf-
grund des Zements nicht erforderlich. Den
äußeren Abschluss der Hüllkonstruktion bil-
den 5 cm starke hinterlüftete und aktivier-
te Fassaden- und Dachplatten aus mikro-
bewehrtem, ultrahochfestem Beton (System
Ducon
®
). Das Rohrleitungsnetz zur thermi-
schen Aktivierung besitzt einen Innendurch-
messer von 3 mm und einen Rohrabstand
von 15 mm. Hiermit kann die, in einer Fa-
brik nötige, hohe thermische Dynamik des
Systems erreicht werden. Mit diesem Sys-
tem lassen sich Heizleistungen von bis zu
95 W/m² und Kühlleistungen von bis zu
92 W/m² bei einer Differenztemperatur zwi-
schenVor- und Rücklauf von lediglich 2 K er-
zielen.
Weitere Informationen unter
www.eta-fabrik.tu-darmstadt.deoder bei And
reas Maier, Technische Universität Darmstadt
(Institut für Statik und Konstruktion, ISM+D),
maier@ismd.tu-darmstadt.de.Im Zuge der Energiewende und den Diskus-
sionen um den Ausbau und die zeitliche und
örtliche Verteilung von elektrischer Energie
muss gerade im Gebäudesektor auch dem
effizienteren Nutzen von thermischer Ener-
gie mehr Beachtung geschenkt werden. Die
Frage, welche Energieform in welcher Menge
zu welchem Zeitpunkt an welchem Ort sein
muss, um Überkapazitäten zu vermeiden, ist
speziell im Industriegebäudesektor hilfreich,
da der Wunsch nach Produktivitätssteige-
rung bei gleichbleibender Produktqualität
den Forderungen nach einer Reduzierung
des Primärenergiebedarfs sowie einer Sen-
kung der CO
2
-Emissionen entgegensteht.
Im Rahmen des von BMWi und Land Hes-
sen geförderten und durch den Projektträ-
ger Jülich unterstützten Forschungsprojektes
ETA Fabrik wurden über die bisher stets iso-
lierte Optimierung von Einzelkomponenten
(z. B. Werkzeugmaschine, Heiz-, Kühlsys-
tem, Gebäudedämmung) hinaus das System
Produktionsfabrik als Ganzes betrachtet und
durch synergetische Verknüpfung von Ma-
Thermisch aktive Fassaden
für Industrieprozesse
schinen, Haustechnik und Gebäude über die
Gebäudeleittechnik, Effizienzsteigerungs-
maßnahmen in einer Größenordnung von
40 % identifiziert, welche eine Auflösung des
erwähnten Zielkonfliktes ein Stück weit er-
möglichen. Die Validierung erfolgt anhand
der am Campus der TU Darmstadt gebauten
Modellfabrik (Abb. 1).
Einen wesentlichen Beitrag zur Energieef-
fizienzsteigerung liefert hierbei die durch
oberflächennahe, wasserführende, kapillar-
ähnliche Rohrleitungsnetze thermisch akti-
vierte Gebäudehülle aus Beton. Die Wand-
und Dachelemente wirken im Gebäude als
riesige Heiz- und Kühlflächen in Abhän-
gigkeit der aus dem Produktionsprozess ge-
speisten Vorlauftemperatur und der Raum-
temperatur. Überschüssige Wärme kann ef-
fizient über die äußeren Oberflächen der
Hüllelemente an die Umgebungsluft abge-
führt werden, im Dachbereich wird das Sys-
tem über eine Berieselungsanlage, durch
Ausnutzen der Verdunstungsenthalpie, un-
terstützt. In den Übergangszeiten kann die
TECHNIK
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Fassaden der Zukunft
In der Rubrik „Fassaden der Zukunft“ stellen
Fassadenexperten aus Forschung und Praxis
innovative Fassadenkonzepte und zukunftswei-
sende Lösungen vor.
Abb. 1: Modellfabrik ETA-
Fabrik auf dem Campus
Lichtwiese der TU Darmstadt
Abb. 2: Hüllelement für Dach- und Wandbauteile aus Beton
2030
2050
2020
Eibe Sönnecken, Darmstadt.
Andreas Maier