TECHNIK
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Fachbeitrag
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FASSADE 1/2018
Dicht und schwellenfrei –
seit über 20 Jahren technisch gelöst
Von Dipl.-Ing. Ulrike Jocham
Die Problematik barrierefreier und gleichzeitig dichter Anschlüsse von Außentüren an der Fassade wird
in der Branche seit längerem heiß diskutiert. Schon Prof. Michael Lange hatte sich in der Ausgabe
3/2017 der FASSADE damit befasst. Der folgende Beitrag beleuchtet das Thema aus einem anderen
Blickwinkel und zeigt auf, warum die Nullschwelle fester Bestandteil barrierefreien Bauens sein muss.
Die bisherige Nullschwellen-Entwicklung
bietet spannende Innovationspotenziale.
Als Heilerziehungspflegerin mit Weiterbil-
dung in Sozialraumentwicklung und For-
schung kenne ich die Bedarfslagen in der
Sozial- und Pflegebranche und als Dipl.-
Ing. in Architektur kenne ich die technisch
bis ins letzte Detail ausgefeilten langzeitbe-
währten Lösungen. Die bis heute anhalten-
de Praxis des Schwellenbaus ist vor allem
dadurch zu erklären, dass es bisher üblich
ist, die verschiedenen Professionsbereiche
nebeneinander her arbeiten zu lassen. Ei-
ne interdisziplinäre Betrachtung eröffnet
jedoch ganz neue Perspektiven, um für in-
novative Unternehmen Wettbewerbsvortei-
le und für alle Nutzer von Architektur eine
Qualitätssteigerung zu erzielen.
Grundlegender Wandel von
rechtlichen Anforderungen
Das Gesetz zum Übereinkommen der Ver-
einten Nationen über die Rechte von Men-
schen mit Behinderung (Behindertenrechts-
konvention, UN-BRK) wurde bereits am 31.
Dezember 2008 im Bundesgesetzblatt ver-
öffentlicht und hat die letzten Jahre zu ei-
nem grundlegenden Paradigmenwechsel
beigetragen. Dabei eröffnet der neue Blick
auf das Thema Behinderung einen gesamt-
gesellschaftlichen Fortschritt. Die UN-BRK
fordert keine Sondergestaltung, sondern ei-
ne universelle Gestaltung (Universal De-
sign), die „von allen Menschen möglichst
weitgehend ohne eine Anpassung oder ein
spezielles Design“ genutzt werden kann.
(UN-BRK Artikel 2) Dieses hohe Ziel hat
die Technik der schwellenfreien Magnet-
Doppeldichtung schon weit vor Inkrafttre-
ten der UN-BRK erreicht.
Inklusion
Das neue vorgeschriebene Konzept der In-
klusion erfordert das Recht auf Teilhabe in
allen Lebensbereichen (z.B. Wohnen, Ler-
nen, Arbeiten, Freizeit) für alle Menschen,
auch für Menschen mit einem intensive-
ren Hilfebedarf. Die erfahrungsgemäß in
der Baubranche noch sehr verbreitete Hal-
tung, wenn einige Rollstuhlnutzer über 1
– 2 cm hohe Türschwellen gelängen, seien
diese barrierefrei, steht im krassen Wider-
spruch zur übergeordneten UN-BRK und
zur Inklusion. Nullschwellen ermöglichen
die Nutzung aller Gebäude, Räume und
Freisitze für jeden (Inklusion), 1 – 2 cm ho-
he Türschwellen nicht. Es gibt immer mehr
Menschen, die diese Barrieren z. B. durch
Einschränkungen im Oberkörper, in den
Armen und Händen nicht nutzen können
und dadurch von ganzen Gebäuden und
Gebäudeteilen und Freisitzen ausgeschlos-
sen werden (Exklusion, Ausgrenzung).
Nullschwellen nach DIN 18040
„Nur eine niveaugleiche schwellenlose Aus-
bildung bei Außentüren, das heißt mit ei-
ner Schwellenhöhe von null Zentimetern,
ist barrierefrei“, erklärt bereits 2013 der Ar-
Haus an der Ostsee ohne Rinne und ohne ausreichend großes Vordach – dicht seit 2007: „Trotz sehr heftiger Ostseestürme mit
Windgeschwindigkeiten von bis zu 120 km/h und nahezu waagerecht einfallendem Schlagregen ist die schwellenfreie Magnet-
Doppeldichtung vollständig dicht und ich bin hochzufrieden“, berichtet Eigentümer Manfred Schulz. Selbst bei den jeweils
2 Meter breiten und 2,25 Meter hohen Stulptüren (r.) sei bis jetzt kein Wasser ins Gebäude eingetreten.
Manfred Schulz (2)