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FASSADE 1/2018

TECHNIK

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Interview

Welche Idee steckt hinter der

Fassadengestaltung?

Richter:

Uns interessierten die physikalischen

Effekte der Lichtmodulation – wie Brechung,

Reflexion und Diffusion – diese in einer Fas-

sade zur Wirkung gebracht, können die

Menschen auch in 30 Jahren noch verzau-

bern. Mit diesen Phänomenen haben wir uns

also intensiv auseinandergesetzt. Wir wollten

nichts Modisches. Das wäre nach kurzer Zeit

schon veraltet. Unser Konzept sollte etwas

Dauerhaftes haben. Etwas, das den Betrach-

ter immer wieder aufs Neue fasziniert.

Musikowski:

Von Anfang an hatten wir zwei

Bilder vor Augen: Da war das Motiv einer

Wolke, die im Spiel des Lichtes ihre For-

men stetig verändert, und das Motiv eines

Raumschiffes, dessen robuste Oberfläche

fernen und noch völlig unbekannten Welten

standhalten muss. Diese beiden Leitbilder

sollten sich in der Fassadengestaltung des

Futuriums wiederfinden.

Worin bestand die besondere

Herausforderung?

Musikowski:

Um die gewünschte skulptu-

rale Wirkung zu erzeugen, sollte eine Netz-

struktur das Gebäude wie ein homogenes

Kleid umhüllen. Ähnlich einem Raumschiff

mit elementierter Oberfläche. Für die ein-

zelnen Netzelemente war Glas – und ur-

sprünglich auch Keramik – angedacht. Sie

sollten im optischen Zusammenspiel ein

changierendes, sich mit dem Lichteinfall

beständig änderndes Wolkenbild erzeugen.

Wurm:

Die klassischen Kategorien, mit de-

nen Fassaden beschrieben werden, treffen

auf das Futurium nicht zu. Bei diesem Ge-

bäude durften die Schnittstellen zwischen

den verschiedenen Systemen nicht sichtbar

„Eine neue Dimension der

Fassadengestaltung“

Interview mit Christoph Richter, Jan Musikowski und Dr. Jan Wurm

Das Futurium ist ein neuer Ort für Ausstellungen und Veranstaltungen rund um das Thema Zukunfts­

gestaltung im Berliner Regierungsviertel. Ab Frühling nächsten Jahres werden dort mögliche Szenarien für das

Leben in der Zukunft gezeigt, die das Potenzial von Forschung und Innovation beleuchten. Die Architekten

Christoph Richter und Jan Musikowski setzen bei ihrem Entwurf auf Offenheit und klare, skulpturale Formen

und auf eine außergewöhnlich prägnante Fassade. Zusammen mit dem Fassadenexperten Dr. Jan Wurm von

Arup erläutern sie im Gespräch mit der FASSADE den Planungs- und Entwicklungsprozess.

werden. Daher musste ein komplett neu-

er Ansatz auf der Systemebene entwickelt

werden. Eine neue Dimension der Fassa-

dengestaltung, die fließende Übergänge von

Warm- und hinterlüfteten Kaltfassaden so-

wie vertikalen, geneigten und horizontalen

Flächen ermöglicht.

Wie sah die Lösung aus?

Musikowski:

Ein innovatives, modulares

Fassadensystem aus Glas-Metallkasset-

ten umhüllt heute die Ost- und Westfassa-

de sowie die Deckenuntersichten der Ein-

gangsbereiche des Futuriums. Dafür wur-

den mehr als 7500 rautenförmige Kassetten

mit einer Kantenlänge von 70 Zentimetern

imWerk vorgefertigt und konfektioniert. Sie

bestehen aus strukturiertem Gussglas auf

der Außenseite und einer gefalteten Metall-

wanne aus blankgewalztem Edelstahl auf

der Rückseite. Diagonale Falten im Reflek-

torblech erzeugen hinter dem Schleier des

Gussglases eine bewegte und reflektieren-

de Oberfläche, die direktes Sonnenlicht ein-

fängt und das Glas von hinten beleuchtet.

Richter:

Das Gussglas mit seiner translu-

zenten und weich reflektierenden Oberflä-

che ist zum Teil keramisch bedruckt. Unter-

schiedliche Bedruckungsgrade von 1/4, 1/2,

3/4 und 4/4 der jeweiligen Kassetten erzeu-

gen ein schimmerndes, von den Lichtver-

hältnissen und dem Betrachtungswinkel ab-

hängiges Erscheinungsbild. Für einzelne In-

nenraumbereiche wurde je nach Lichtbedarf

der Bedruckungsgrad variiert. So erhielten

beispielsweise die Verwaltungsbereiche im

Obergeschoss eine geringere Bedruckung,

um einen stärkeren Lichteinfall und freie

Aussicht zu gewährleisten.

Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit?

Musikowski:

Wir haben Arup als herstelle-

runabhängigen Experten für die Material­

recherche und die bauliche Umsetzung mit

ins Boot geholt. Damit wollten wir sicher-

stellen, dass keine wirtschaftlichen Inter-

essen die Entscheidungsfindungen beein-

flussen. Die bestmögliche Lösung sollte

unterstützt werden. Außerdem war es uns

Architekt Christoph Richter

(Büro Richter Musikowski)

Architekt Jan Musikowski

(Büro Richter Musikowski)

Fassadenexperte Dr. Jan

Wurm von Arup Deutschland

BMW AG

Klemens Renner

Klemens Renner