Previous Page  31 / 60 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 31 / 60 Next Page
Page Background

TECHNIK

|

Produkte

31

FASSADE 1/2018

Forscher am Fraunhofer-Insti-

tut für Produktionstechnik und

Automatisierung IPA und der

Universität Stuttgart entwickeln

derzeit eine wirtschaftlich nutz-

bare, automatisierte Fassaden-

begrünung mit modularem Auf-

bau. Sie soll die aufwendige und

teure manuelle Pflege mit Ge-

rüstbauten, Hebebühnen oder

Industriekletterern überflüssig

machen. An ihre Stelle soll der

sogenannte Green Wall Robot

treten, der künftig alle anfallen-

den Arbeiten erledigt.

Stuttgart ist spätestens seit dem

Abgasskandal bekannt für seine

mit Feinstaub und Stickoxiden

belastete Luft. Mit einer Moos-

wand entlang der B14 versucht

man, sich die Potenziale verti-

kaler Grünflächen zunutze zu

machen. Diese bieten neben der

Luftreinhaltung noch eine gan-

ze Reihe weiterer Vorteile: Sie

regulieren das urbane Mikrokli-

ma, verringern den Energiever-

brauch für die Klimatisierung,

dienen als Rückzugsort für In-

sekten und im Winter als Sen-

ke für Abwärme, halten Regen-

wasser zurück, wirken lärmab-

sorbierend und erschließen dem

Urban Farming neue, bisher un-

genutzte Flächen.

„Mit dem Green Wall Robot

möchten wir neue Potenziale für

vertikale Begrünungen und den

Pflanzenanbau im urbanen Um-

feld schaffen“, fasst Kevin Breg-

ler vom Fraunhofer IPA das Ziel

seiner Forschungsarbeit zusam-

men. Gemeinsam mit seinem

Kollegen Martin Reisinger vom

Institut für Energieeffizienz in

der Produktion an der Univer-

sität Stuttgart entwickelt er der-

zeit ein Konzept für neuartige,

vollautomatisierte Fassadenbe-

grünungen. Es beinhaltet einen

intelligenten,

schienenbasier-

ten Roboter, der sich autonom

bewegt und sämtliche Pflanz-,

Pflege- sowie Instandhaltungs-

arbeiten übernehmen soll. Der

sogenannte GreenWall Robot ist

mit Hilfe von Künstlicher Intel-

ligenz in der Lage, die Fassade

optimal zu bewirtschaften.

Mit einer speziellen Bildverar-

beitungssoftware soll der Green

Wall Robot in die Lage versetzt

werden, die einzelnen Gewäch-

Fraunhofer IPA (2)

Intelligente Pflege für begrünte Fassaden

se voneinander zu unterschei-

den. „Damit kann er den Zu-

stand der Pflanzen bestimmen,

Schädlings- oder Pilzbefall de-

tektieren und Bonituren durch-

führen“, erklärt Bregler. Mit

seinem Roboterarm kann der

Green Wall Robot außerdem

sämtliche mechanische Aufga-

ben übernehmen: Pflanzen säen,

schneiden oder vollautomatisch

austauschen. „Unsere Fassaden-

begrünung ist aus Modulen und

Submodulen aufgebaut“, erläu-

tert Bregler. „So kann der Green

Wall Robot gezielt einzelne Sub-

module mit kranken oder abge-

storbenen Pflanzen entnehmen

und durch neue ersetzen.“

Bewässert werden die Pflan-

zen über ein Leitungssystem,

das in die Module integriert ist.

„Im industriellen Kontext kann

Abwärme für die Fassadenbe-

grünung nutzbar gemacht wer-

den“, erklärt Reisinger, der mit

seinem Team auch zu Ultraeffi-

zienzfabriken forscht. „Dadurch

könnten Fabriken im urbanen

Umfeld aktiv zur Luftreinhal-

tung betragen, anstatt die Situa-

tion für Anwohner durch Emis-

sionen weiter zu verschärfen.“

Großflächig bepflanzte vertika-

le Flächen könnten in Städten

künftig zu profitablen landwirt-

schaftlichen Produktionsflächen

avancieren und mit dazu beitra-

gen, die Bewohner zumindest

teilweise selbst mit Lebensmit-

teln zu versorgen. „Die modula-

re Fassadenbegrünung und der

Green Wall Robot könnten das

Urban Farming aus seinem Ni-

schendasein befreien“, prophe-

zeien Reisinger und Bregler. Ak-

tuell sind die beiden Forscher

auf der Suche nach interessier-

ten Unternehmen, die die Kon-

zepte an ihre konkreten Ge-

gebenheiten anpassen lassen

möchten.

www.ipa.fraunhofer.de

Aufbau der Fassadenbegrünung mit den

einzelnen Modulen und dem Schienensystem.