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FASSADE 1/2018
Forscher am Fraunhofer-Insti-
tut für Produktionstechnik und
Automatisierung IPA und der
Universität Stuttgart entwickeln
derzeit eine wirtschaftlich nutz-
bare, automatisierte Fassaden-
begrünung mit modularem Auf-
bau. Sie soll die aufwendige und
teure manuelle Pflege mit Ge-
rüstbauten, Hebebühnen oder
Industriekletterern überflüssig
machen. An ihre Stelle soll der
sogenannte Green Wall Robot
treten, der künftig alle anfallen-
den Arbeiten erledigt.
Stuttgart ist spätestens seit dem
Abgasskandal bekannt für seine
mit Feinstaub und Stickoxiden
belastete Luft. Mit einer Moos-
wand entlang der B14 versucht
man, sich die Potenziale verti-
kaler Grünflächen zunutze zu
machen. Diese bieten neben der
Luftreinhaltung noch eine gan-
ze Reihe weiterer Vorteile: Sie
regulieren das urbane Mikrokli-
ma, verringern den Energiever-
brauch für die Klimatisierung,
dienen als Rückzugsort für In-
sekten und im Winter als Sen-
ke für Abwärme, halten Regen-
wasser zurück, wirken lärmab-
sorbierend und erschließen dem
Urban Farming neue, bisher un-
genutzte Flächen.
„Mit dem Green Wall Robot
möchten wir neue Potenziale für
vertikale Begrünungen und den
Pflanzenanbau im urbanen Um-
feld schaffen“, fasst Kevin Breg-
ler vom Fraunhofer IPA das Ziel
seiner Forschungsarbeit zusam-
men. Gemeinsam mit seinem
Kollegen Martin Reisinger vom
Institut für Energieeffizienz in
der Produktion an der Univer-
sität Stuttgart entwickelt er der-
zeit ein Konzept für neuartige,
vollautomatisierte Fassadenbe-
grünungen. Es beinhaltet einen
intelligenten,
schienenbasier-
ten Roboter, der sich autonom
bewegt und sämtliche Pflanz-,
Pflege- sowie Instandhaltungs-
arbeiten übernehmen soll. Der
sogenannte GreenWall Robot ist
mit Hilfe von Künstlicher Intel-
ligenz in der Lage, die Fassade
optimal zu bewirtschaften.
Mit einer speziellen Bildverar-
beitungssoftware soll der Green
Wall Robot in die Lage versetzt
werden, die einzelnen Gewäch-
Fraunhofer IPA (2)
Intelligente Pflege für begrünte Fassaden
se voneinander zu unterschei-
den. „Damit kann er den Zu-
stand der Pflanzen bestimmen,
Schädlings- oder Pilzbefall de-
tektieren und Bonituren durch-
führen“, erklärt Bregler. Mit
seinem Roboterarm kann der
Green Wall Robot außerdem
sämtliche mechanische Aufga-
ben übernehmen: Pflanzen säen,
schneiden oder vollautomatisch
austauschen. „Unsere Fassaden-
begrünung ist aus Modulen und
Submodulen aufgebaut“, erläu-
tert Bregler. „So kann der Green
Wall Robot gezielt einzelne Sub-
module mit kranken oder abge-
storbenen Pflanzen entnehmen
und durch neue ersetzen.“
Bewässert werden die Pflan-
zen über ein Leitungssystem,
das in die Module integriert ist.
„Im industriellen Kontext kann
Abwärme für die Fassadenbe-
grünung nutzbar gemacht wer-
den“, erklärt Reisinger, der mit
seinem Team auch zu Ultraeffi-
zienzfabriken forscht. „Dadurch
könnten Fabriken im urbanen
Umfeld aktiv zur Luftreinhal-
tung betragen, anstatt die Situa-
tion für Anwohner durch Emis-
sionen weiter zu verschärfen.“
Großflächig bepflanzte vertika-
le Flächen könnten in Städten
künftig zu profitablen landwirt-
schaftlichen Produktionsflächen
avancieren und mit dazu beitra-
gen, die Bewohner zumindest
teilweise selbst mit Lebensmit-
teln zu versorgen. „Die modula-
re Fassadenbegrünung und der
Green Wall Robot könnten das
Urban Farming aus seinem Ni-
schendasein befreien“, prophe-
zeien Reisinger und Bregler. Ak-
tuell sind die beiden Forscher
auf der Suche nach interessier-
ten Unternehmen, die die Kon-
zepte an ihre konkreten Ge-
gebenheiten anpassen lassen
möchten.
›
www.ipa.fraunhofer.deAufbau der Fassadenbegrünung mit den
einzelnen Modulen und dem Schienensystem.