TECHNIK
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Fachbeitrag
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FASSADE 1/2017
1000 Fenster für ein Schloss
Die Errichtung des Humboldt Forums in Berlin
Von Hans-Dieter Hegner
Der Deutsche Bundestag hatte im Sommer 2002 mit großer fraktionsübergreifender
Mehrheit den Wiederaufbau des Berliner Schlosses mit drei seiner Außenfassaden
und dem Schlüterhof beschlossen. Der Beitrag gibt einen Überblick zur aufwändigen
Rekonstruktion der Fenster und Fassaden des historischen Bauwerks.
Aufgabenstellung und Architektur
2008 gewann der italienische Architekt Fran-
co Stella in einem internationalen Wettbe-
werb den 1. Preis für die Realisierung des
Projekts. Mit einer Fußgängerpassage quer
durch das Gebäude macht er das Gebäude
und seine Innenhöfe zu neuen öffentlichen
Stadtplätzen. Zur Spree zeigt sich das Ge-
bäude als Neubau. Das Humboldt Forum ist
ein Neubau mit hochmoderner Ausrüstung
und fortschrittlichen Standards insbesonde-
re hinsichtlich der Nachhaltigkeit und der
Barrierefreiheit. Mit einem gesamten Inves-
titionsvolumen von 620 Mio. Euro ist es das
größte zivile Bundesbauvorhaben und das
derzeit größte europäische Kulturprojekt.
Die stadträumliche Wirksamkeit der baro-
cken Fassade auf einer Länge von 750 m war
eine der größten Triebfedern für die Rekons-
truktion. Die Fassadenrekonstruktion basiert
vor allem auf Messbildfotografien vom Ende
des 19. Jahrhunderts, Detailfotos einzelner
Elemente sowie seinerzeit geborgenen und
noch immer erhaltenen Fragmenten. Die
Rekonstruktion der historischen Fassade mit
seinen 2828 figürlichen Darstellungen und
über 22.000 Sandsteinwerkstücken ist eine
bautechnische, kulturelle und handwerk-
liche Meisterleistung. Das Berliner Schloss
von Andreas Schlüter war zu Beginn des 18.
Jahrhunderts der wichtigste profane Barock-
bau nördlich der Alpen. Alle umliegenden
historischen Gebäude erhalten mit ihm wie-
der ihre städtebauliche Orientierung und ih-
re architektonische Maßstäblichkeit.
Gebäudehülle und -Inhalt finden in einem
„wunderbaren Widerspruch“ zusammen:
Wo sich früher die feudale Macht präsentier-
te, steht jetzt Kultur und Forschung im Vor-
dergrund. Das Humboldt Forum im Schloss
wird zu einem der größten und modernsten
Kulturhäuser Europas. Das Haus wird die
außereuropäischen Sammlungen der Stif-
tung Preußischer Kulturbesitz präsentieren,
in einer Dauerausstellung die Geschichte
des Ortes erläutern, Forschung und Lehre
der Humboldt-Universität mit der Öffent-
lichkeit zusammenbringen und Berlin mit
seiner Verflechtung in die Welt erklären. Ne-
ben den Museen und Ausstellungen werden
wissenschaftliche und künstlerische Veran-
staltungen aller Art möglich sein. Das Haus
bietet mit seinen Funktionen und der Archi-
tektur Möglichkeiten für ca. 1000 Veranstal-
tungen im Jahr.
Die Fassaden vor der Betontragkonstruktion
bestehen im Wesentlichen aus Ziegelmauer-
werk, das eine massive, 60 cm dicke Außen-
mauer bildet, und verschiedenen Sandstein-
werkstücken. Die Gesamttiefe der Fassade
beträgt somit bis zu 1,30 m. Schließlich sind
auch die Fenster eine technische Herausfor-
derung. Sollen sie doch nach außen das his-
torische Fassadenbild zeigen, nach innen
aber alle modernen Anforderungen an Kli-
matechnik, Tageslichteinfall usw. erfüllen.
Die Fenster im Schloss – Bewälti-
gung vielfältiger Anforderungen
Die Fenster haben vielen Kriterien für das
Bauvorhaben zu entsprechen. Es mussten
vor allem Anforderungen der Architektur,
der Nutzung und bauphysikalische Anfor-
derungen umgesetzt werden. Dabei hat das
Gebäude einerseits historische Fenster und
moderne Fenster in den zeitgenössischen
Fassaden. Natürlich sind auch die rekonstru-
ierten Fenster neue Fenster. Aber gerade ih-
re Konstruktion hatte viele Anforderungen
zu erfüllen:
Architektur-Rendering für das
fertiggestellte Berliner Schloss,
Blick von Unter den Linden.
© Stiftung Humboldt Forum
im Berliner Schloss / Architekt:
Franco Stella mit FS HUF PG
Einbausituation der historischen Fenster
Hegner