Technik
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RTS-Magazin 7/2016
Die Umsetzung der Gebäuderichtlinie bis
2020 und der prognostizierte Klimawan-
del führen zu neuen Herausforderungen bei
der Planung von Gebäuden insbesondere
in Hinblick auf deren Sommertauglichkeit.
Im Rahmen einer Studie wurden die gelten-
den Bauregeln auf den Prüfstand gestellt und
Vorgaben für den zukünftigen Planungsstan-
dard hinsichtlich der Vermeidung von Über-
wärmung erarbeitet.
Das Projekt RIOPT Holzbau (Risiko-op-
timierte Gebäudeentwicklung im Holzbau
aufgrund des Klimawandels) wurde gemein-
sam von der TU Graz und der Österreichi-
schen Energieagentur durchgeführt. In der
Studie wurde das Sommerverhalten unter-
schiedlicher Bauweisen bei differierendem
Nutzungsverhalten sowie bei verschiede-
nen Kühlstrategien analysiert und in weiterer
Folge untersucht, inwiefern die relevanten
Normen und Richtlinien den Anforderungen
tatsächlich gerecht werden.
Johann Gerstmann, Sprecher des Bun-
desverbandes Sonnenschutztechnik: „Diese
Studie liefert viele Beweise für das, was ei-
nem der Hausverstand sagt, und sie belegt,
dass alte Konzepte nicht unbedingt auf das
neue Bauen übertragbar sind. Sie liefert also
viele Antworten auf jene Fragen, die sich Pla-
ner, Investoren, Bauherren und Mieter unbe-
dingt stellen sollten, wenn es um zeitgemä-
ßes, vor allem aber auch zukunftsorientiertes
Bauen und Sanieren geht.“
Bauweise beeinflusst
nicht maßgeblich
In der Studie wurden Klimaszenarien ent-
worfen, klimatische und bauliche Parame-
ter festgelegt und Wien-Umgebung als Re-
ferenzstandort für die Simulationen aus-
gewählt. Weitere gebäudespezifische Para-
meter ergeben den Simulationsprototypen:
Bauweisen (Leichtbau–Holz sowie Mas-
sivbau-Holz / Ziegel / Beton), Nutzungs-
verhalten (Wohnung und Büro), Kühlstra-
tegien (Beschatten und Lüften sowie Kli-
matisieren), Gebäudeausrichtung, gängige
Grundrisse, Raumkonfigurationen und
-größen, übliche Fensterflächenanteile.
Bei der Klimatisierung wurde auf die OIB
Richtlinie 6 (Version 2011) Bezug genom-
men, und damit auf die Vermeidung me-
chanischer Kühlung bei Wohngebäuden. In
Hinblick auf die effektiven Klimalasten war
damit für die Autoren die Implementierung
von automatisch gesteuerter Außenver-
schattung von vornherein unumgänglich.
Studie belegt: Smarte Verschattung ist die
wichtigste Maßnahme gegen Überwärmung
In Summe zeigen die Simulationsergeb-
nisse aus 80 Varianten mit insgesamt 280
Mio. Ergebniswerten, dass der Effekt der
verschiedenen Bauweisen auf die durch-
schnittlichen operativen Temperaturen nicht
so deutlich ausgeprägt ist, wie es allgemein
erwartet wird. Über den gesamten Betrach-
tungszeitraum, von Anfang Mai bis Ende
September, bewegen sich bei Wohnnutzung
die gemittelten Stundenwerte abhängig von
der Bauweise zwischen 21,6 Grad Celsius
und 21,9 Grad Celsius. Der hauptsächlich
wahrnehmbare Effekt, der auf die Speicher-
masse zurückzuführen ist, ist die geänderte
Trägheit und damit die Reaktionszeit des
Gebäudes auf Temperaturschwankungen:
Gebäude in massiver Bauweise überschrit-
ten in der Studie das 27-Grad Celsius-Kri-
terium für den Tag seltener, führen aber zu
höheren Nachttemperaturen. Andererseits
sind Gebäude mit leichter Bauweise in der
Lage, rascher auf nächtliche oder wetterbe-
dingte Abkühlungen zu reagieren. Dieser
gegenteilige, sich positiv auswirkende Effekt
durch eine Begrenzung der Speichermasse
wird durch die Anwendung des Überschrei-
tungskriteriums derzeit in der einschlägigen
Norm nicht abgebildet.
Die Verschattung macht
den Unterschied
Die Speichermasse spielt als passiver Son-
nenschutz eine deutlich geringere Rolle
als gemeinhin angenommen. Auch an je-
nen Tagen, an denen die operativen Raum-
temperaturen über 27 Grad Celsius liegen,
zeigt sich, dass die wirksamsten Maßnah-
men temporäres Beschatten und wirksames
Nachlüften sind. In Zeiten, in denen die Tro-
pennächte deutlich zunehmen – wie z. B. im
letzten Sommer – und die Nachtauskühlung
schwierig bis unmöglich wird, kommt es vor
allem auf eine bestmögliche Prävention ge-
gen Überwärmung mittels konsequenter, gu-
ter Beschattung an. Die Anzahl jener Tage, an
denen amTag die operative Raumtemperatur
27 Grad Celsius und in der Nacht 25 Grad
Celsius nicht überschreitet, geht deutlich ge-
gen Null, wenn die Einstrahlung am Tag auf
unter 240 W/m
2
Fensterfläche gehalten wird.
Ing. Johann Gerstmann: „Das entspricht ei-
nem Abschattungswert von Fc<0,25, womit
dennoch für ausreichend Tageslicht gesorgt
ist.“
Die niedrigsten Raumtemperaturen er-
geben sich – unabhängig von der Bauweise
– durch eine konsequente, daher am besten
automatisch gesteuerte und gute temporäre
Beschattung. Die Sommertauglichkeit nur
über den Luftwechsel zu erreichen, funk-
tioniert nur theoretisch in der Simulation.
In der Praxis stehen dem Privatsphäre, Tro-
pennächte, Lärm, Insekten und Sicherheits-
bedürfnisse entgegen – sowie technische
Gründe, denn ein hoher Luftwechsel bedeu-
tet nicht automatisch, dass er auch kühlwirk-
sam ist.
Eine zeitgerechte Beschattung amTag und
ein kühlwirksamer Luftwechsel in der Nacht
schaffen behagliche Nachtstunden mit Tem-
peraturen unter 25 Grad Celsius.
Für die Büronutzung kommt die Studie zu
einem ähnlichen Ergebnis wie für die Woh-
nungsnutzung. Effiziente Beschattung und
intelligente Nachtlüftung können den Küh-
lenergiebedarf um 25 bis 30 Prozent reduzie-
ren, was sich auf das Referenzgebäude der
Simulation bezieht.
Ing. Johann Gerstmann: „Aus Sicht des
Sonnenschutzexperten ist zu sagen, dass
wir uns nicht in die Debatte schwere ver-
sus leichte Bauweise einmischen, denn eines
zeigt die Studie ganz deutlich – eine smarte
Verschattung ist die wichtigste Maßnahme
für jede Bauweise und jede Gebäudenut-
zung.“
Was empfehlen die Ersteller
der Studie?
Auf die Planung und Ausführung der Ver-
schattung ist zukünftig jedenfalls vermehr-
BVST
„Aus Sicht des Sonnenschutzexperten ist zu
sagen, dass wir uns nicht in die Debatte schwere
versus leichte Bauweise einmischen, denn eines
zeigt die Studie ganz deutlich – eine smarte
Verschattung ist die wichtigste Maßnahme für
jede Bauweise und jede Gebäudenutzung“, so
Ing. Johann Gerstmann.