TECHNIK
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Fachbeitrag
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FASSADE 3/2018
zeigt sich: Nicht die Produktion der XXL-
Scheiben allein gibt für die Anwendung den
„Rahmen“ vor, auch die Weiterverarbeitung
und Veredelung von übergroßen Scheiben
setzt Grenzen. AGC Interpane kann ebenso
wie Sedak derzeit zum Beispiel Mehrschei-
ben-Isolierglas bis max. 3,21 x 15 m herstel-
len – nur Monogläser gehen größer.
Stabiler Randverbund und schaltbare
Gläser
Neben der Veredelung, Logistik und Mon-
tage stehen bei XXL-Verglasungen auch die
Aspekte Randverbund und Sonnenschutz
im Fokus. Da zumindest eine Kantenlänge
auf 3,2 m begrenzt ist, steigt die Eigenlast
bei größer werdender Scheibe überpropor-
tionional auf die herstellungsbedingt län-
genbegrenzte Schmalseite. Die Klebung des
Randverbunds muss – je nach Befestigungs-
art der Verglasung an der Fassade – deut-
lich mehr leisten, um Statik und Dichtheit
zu genügen. Im Gegensatz zur statischen
Bedeutung nimmt die energetische Rele-
vanz des Randverbundes bei zunehmender
Scheibengröße immer mehr ab, weil des-
sen Wärmebrückeneinfluss im Flächenver-
hältnis geringer wird. Umso wichtiger wird
hingegen ein verlässlicher und effizien-
ter Sonnenschutz, der bei großen Scheiben
und noch dazu in großen Höhen in konven-
tioneller Bauart – zum Beispiel mit Raffsto-
res – kaum möglich ist. Hier kommt zudem
die Frage der Ästhetik ins Spiel: Es ist kon-
traproduktiv, einerseits mit überformatigen
Scheiben die Transparenz einer Architek-
tur in Szene zu setzen, um sie dann hinter
Sonnenschutzanlagen zu verstecken. Zwar
lässt sich mit einer Low-E-Beschichtung
der Hitzeeintrag spürbar reduzieren, jedoch
bleibt der Blendeffekt bei strahlendem Son-
nenschein ohne Verschattung ungelöst. Für
XXL-Gläser sind schaltbare Verglasungen,
wie sie zum Beispiel Saint Gobain unter der
Marke SageGlass anbietet, daher geradezu
prädestiniert, um sowohl die Blendung, die
Ästhetik als auch die Problematik der Wind-
last elegant zu lösen. Die geringen Kosten
für den Energiebedarf (SageGlass: 2,4 Watt
pro Quadratmeter) fallen quasi unter den
Tisch, wenn man bedenkt, was man an In-
vestitionen für die Installation und War-
tung von Jalousien einspart. Hinzu kommt
die ständig erlebbare Transparenz im Innen-
raum, weil der Ausblick auch im gedimm-
ten Zustand permanent gewährleistet ist.
Die Technologie der schaltbaren Gläser un-
terscheidet sich durch aktiv oder passiv aus-
gelöste Scheibentönung. Am viel verspre-
chendsten ist derzeit die aktive elektro
chrome Variante (z. B. EControl Glas) mit
innenliegender Nanostrukturbeschichtung.
Diese erzeugt über eine elektrische Span-
nung den sogenannten „elektrochromen
Effekt“, wodurch sich das Glas blau einfärbt.
Beeindruckende Referenzen
offenbaren Kompetenzen
Für die Glashersteller sind die Referenzen
beste Werbung, um zu zeigen, was für eine
großartige Architektur mit XXL-Scheiben-
maßen möglich ist und was für eine Kompe-
tenz dahintersteckt, solche Projekte umzu-
setzen. Beispiele hierfür sind der Austausch
der 45 Jahre alten und 13 m hohen Fassa-
denscheiben des UNO-Gebäudes „Konfe-
renz der vereinten Nationen für Handel und
Entwicklung“ in Genf – ein Scheibenformat
aus nicht vorgespanntem Glas, das für das
Jahr 1971 sehr ungewöhnlich war und da-
mals vermutlich die bislang größten je ein-
gebauten Scheiben waren. Für Furore sorg-
ten auch die 15 m hohen Fassadenscheiben
für das neue Apple Hauptquartier in Cuper-
tino – solche Projekte wecken bei Architek-
ten und imagebewussten Konzernen natür-
lich Begehrlichkeiten, weshalb man davon
ausgehen kann, dass die 20-Meter-Marke
von Sedak noch lange nicht den Schluss-
punkt bei der Entwicklung und Herstellung
von XXL-Gläsern setzt.
Multifunktionale Scheiben
in übergroßem Format –
auf der glasstec 2018
Die Leistungsfähigkeit der Glashersteller
und -veredler misst sich an den Heraus-
forderungen, die ästhetisch, gestalterisch,
energetisch, funktional sowie komfort- und
bauartbedingt an eine moderne Verglasung
gestellt werden. Speziell zugeschnittene, ge-
krümmte, gebogene, ausgefallen bedruckte,
beliebig dimmbare und nicht zuletzt in ih-
rer Dimension bislang noch nie dagewese-
ne Formate belegen dieVielfalt der heutigen
Glasbearbeitung, die dem Baustoff Glas in
der Architektur einen prominenten Stellen-
wert verschafft. Die glasstec 2018 repräsen-
tiert das heutige Know-how in der Glasin-
dustrie und zeigt Visionen von übermorgen.
Dipl.-Ing. (FH)
Claudia Siegele ist freie Architektin und Fach-
journalistin.
Vom 23. – 26. Oktober findet in der Messe Düs-
seldorf mit der glasstec 2018 die Weltleitmesse
rund um den Werkstoff Glas statt. Der Schwer-
punkt der glasstec 2018 liegt im Flachglas auf
interaktivem Glas und ihm Hohlglas auf der
energieeffizienten und Emissionen reduzieren-
den Technologie für die Glasproduktion.
www.glasstec.deSedak hat für den Transport einen LKW-
Auflieger entwickelt, der bis zu 16 m
lange Glasscheiben transportieren kann.
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© sedak GmbH & Co. KG
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© Claudia Siegele