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TECHNIK

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Fachbeitrag

26

FASSADE 2/2018

Schlagregendichtheit (EN 12208) als

K.o.-Kriterium

Die Schlagregendichtheit definiert die Wi-

derstandsfähigkeit einer Fassade oder

Fensteranlage gegen das Eindringen von

Feuchtigkeit bei gleichzeitiger Beanspru-

chung von Wind und Regen. Der maßgeb-

liche Faktor dabei ist die Windlast, aus der

sich errechnen lässt, ob das Bauprodukt mit

der entsprechenden Klassifizierung für den

Einsatzort geeignet ist. Die Windlast an der

Fassade eines 60 Meter hohen Hochhau-

ses in einer Stadt innerhalb der Windlast-

zone I (z. B. Düsseldorf) kann sich genau-

so dramatisch gestalten wie an der Fassade

einer eingeschossigen Villa an der Nordsee

(Windlastzone IV). In einem 150 Meter ho-

hen Wolkenkratzer in der Windlastzone I

(z. B. Frankfurt a. M.) können an der Fassa-

de derart große Windbelastungen auftreten,

dass sich selbst die Balkontüren an man-

chen Tagen nicht mehr öffnen lassen. Beide

Schiebe-Systeme mit Stulp können an die-

ser Stelle schätzungsweise maximal nur ei-

ne Klassifizierung zwischen 5a (Prüfdruck

200 Pascal) und 6a (Prüfdruck 250 Pascal)

auf dem Prüfstand erreichen und sind damit

für Hochhäuser nicht geeignet.

Hebe-Schiebe-Systeme ohne Stulp sind

ab der Klasse 9A verfügbar. Für diese Stufe

wird das Prüfobjekt bis zu einem Prüfdruck

von 600 Pascal geprüft. Das entspricht ei-

ner Windgeschwindigkeit von ca. 111 km/h.

Nach Beaufort handelt es sich dabei um die

Windstärke 11, die als „orkanartiger Sturm“

bezeichnet wird. Es kann im Allgemeinen

davon ausgegangen werden, dass ein Schie-

be-System mindestens diesen Wert auf

dem Prüfstand erreicht haben muss, um in

Hochhäusern innerhalb der Windlastzone

I oder II bis maximal 100 Meter Höhe ein-

gesetzt werden zu können. Nichtsdestotrotz

muss darauf hingewiesen werden, dass je

weiter sich der Rahmen bei hohen Wind-

lasten durchbiegt, desto eher es zu Undich-

tigkeiten besonders in den Falz- und Dich-

tungsbereichen mit Begleiterscheinungen

wie Zugluft und eindringendem Wasser

kommen kann. Insofern wird empfohlen,

Schiebe-Systeme zu wählen, die eine Stufe

höher angesiedelt sind. Aufgrund des um-

laufend ausreichenden Anpressdrucks zwi-

schen dem Flügel- und dem Blendrahmen

ist das Parallel-Schiebe-Kipp-System in

Sachen Dichtigkeit (Schlagregendichtheit,

Schallschutz und Fugendurchlässigkeit) das

bessere Produkt.

Gegenüberstellung Vor- und

Nachteile der beiden Systeme

Vorteile Hebe-Schiebe-System

– Realisierung größerer Elemente / Flügel

(hohe Transparenz)

– Realisierung größerer Flügelgewichte

(bis 400 kg)

– Realisierung barrierefreier Ausführung

– Komfortable Bedienung

– Langlebigkeit und Strapazierfähigkeit

(hochwertige Beschlagsteile)

– Größere Typenvielfalt (mehrspurige Aus-

führung)

Nachteile Hebe-Schiebe-System

– Höhere Kosten

– Größerer Platzbedarf (Bautiefe)

– Geringere Dichtigkeit (Schlagregen-

dichtheit)

– Geringeres Schalldämm-Maß (Schall-

schutz gegen Außenlärm)

– Versatz im Übergang zum Oberlicht

aufgrund unterschiedlicher Bautiefen

(Oberlicht nur als Standardfensterkons­

truktion möglich)

Vorteile Parallel-Schiebe-Kipp-System

– Hohe Dichtigkeit

– Geringere Kosten

Karan Djalaei ist

Gründer des auf

Fassadentechnik

spezialisierten Büros KD Fassadenplanung. Er be-

rät als Fassadenplaner private Investoren, Pro-

jektentwickler, Architekten, Generalunternehmer

und die öffentliche Hand in allen Fragen rund um

die Gebäudehülle.

– Hohes Schalldämm-Maß (Schallschutz

gegen Außenlärm)

– Weniger Platzbedarf durch geringere

Bautiefe

– Oberlicht in einer Flucht wie das

Parallel-Schiebe-Kipp-System

– Möglichkeit der Kippstellung zu

Lüftungszwecken

Nachteile Parallel-Schiebe-Kipp-System

– Keine barrierefreie Ausführung

– Weniger Bedienungskomfort (Beschlag)

Was ist bei der Planung als

erster Schritt zu beachten?

– Maximal zulässiges Flügelgewicht (Ein-

fluss Schallschutzgläser)

– Zulässige Flügelgrößen

– Zwangsbelüftung ohne Fensterfalzlüfter

– Vermeidung höher Lärmpegelbereiche

(Hebe-Schiebe-System)

– Keine Stulp-Ausbildung

– Im geschlossenen Zustand Überdeckung

der Rahmenprofile des zweispurig ange-

ordneten Fest- und Flügelfeldes

Schlussfolgerung  / Empfehlung

Erfahrungsgemäß sind herstellerseitig kaum

Prüfzeugnisse für Anlagen mit Stulp vor-

handen. Da die Markt-Voraussetzungen ge-

geben sind, können nur die Systemhäuser

auf diese Lücke reagieren. Solange das rich-

tige Produkt nicht entwickelt und mit dem

entsprechenden Prüfzeugnis auf dem Markt

verfügbar ist, muss in Hochhäusern vom

Einsatz zweiflügeliger Schiebe-Systeme mit

Stulp abgeraten werden.

Gegenüberstellung der Leistungsmerkmale

Hebe-Schiebe-Systeme (ohne Stulp)

Eigenschaften

Prüfverfahren

Klassifizierung

Windwiderstand

EN 12211

EN 12210

Schlagregendichtheit

EN 1027

EN 12208

Luftdurchlässigkeit

EN 1026

EN 12207

Bewertetes

Schalldämmmaß

Rw,p (Prüfstand)

C2 bis C4

9A bis E1050

3 bis 4

41 bis 44 dB

Parallel-Schiebe-Kipp-Systeme (ohne Stulp)

C5/B5

E1250

4

47 dB

Gegenüberstellung der Leistungsmerkmale.

Hebe-Schiebe-System mit einer größeren

Bautiefe.