TECHNIK
|
Fachbeitrag
22
FASSADE 2/2018
Ausgangspunkt sind vage Vorstellungen des
späteren Gebäudes, mit Raumprogramm,
Kostenrahmen, Entwurfsskizzen und ggf.
einer Leitidee. Anschließend werden
– die Entwurfsaufgabe in Teilaufgaben auf-
gegliedert
– operationale, rational lösbare Teilaufga-
ben automatisiert bearbeitet
– nicht-operationale Teilaufgaben durch
ein Miteinander von Computer (mittels
Logik) und Mensch (auch mittels Intuiti-
on) gelöst
– die Lösungen der Teilaufgaben zu einer
Gesamtlösung zusammengeführt.
Das Auftreten von Unschärfe und deren
schrittweise Reduzierung sind dem Ent-
wurfsprozess inhärent. So können zunächst
auch völlig unsinnig erscheinende Lösun-
gen automatisch generiert werden, die dann
mittels Simulationsprogrammen, Algorith-
men und Finite-Elemente-Analysen aus
unterschiedlichen Perspektiven untersucht
und durch spezifische Bewertungsfunktio-
nen evaluiert werden. Im nächsten Durch-
gang wird der generative Mechanismus an-
gepasst und der Entwurf optimiert. Dabei
entstehen unterschiedliche Varianten als
Lösungsvorschläge. Wichtig ist das mög-
lichst frühe „Prototyping“ (ggf. mittels Vir-
tual Reality oder 3D-Druck). Dabei wird die
Idee veranschaulicht und bewertet. Letzt-
endlich läuft es auf einen Digitalen Zwilling
hinaus. Darunter versteht man ein abstra-
hiertes, virtuelles Abbild des realen, physi-
schen Gebäudes, in dem dessen Funktions-,
Gestaltungs- und Nutzungsqualität abge-
bildet werden. Das Entwurfsteam bewertet
die vom Computer vorgeschlagenenVarian-
ten. Weniger Brauchbares wird verworfen.
Vielversprechendes wird weiterentwickelt.
Auf Grundlage der neuesten Einsichten las-
sen sich Randbedingungen und Planungs-
ziele präzisieren. Wenn neue Schwerpunk-
te gesetzt oder andere Gewichtungen vor-
genommen werden, kann es sinnvoll sein,
Rücksprache mit dem Auftraggeber zu neh-
men. Zudem bringt das Team neue Ideen in
den Prozess ein. So wird das Konzept konti-
nuierlich verbessert und solange verfeinert,
bis ein tragfähiger, nutzerorientierter Ent-
wurf vorliegt. Die Qualität des Ergebnisses
wird maßgeblich durch die Zusammenset-
zung des interdisziplinären Planungsteams
beeinflusst. Besondere Bedeutung haben
dabei kreativitätsfördernde Faktoren wie Ex-
pertenwissen, Fantasie, Risikobereitschaft,
intrinsische Motivation und eine kreative
Umgebung. Erfolgsentscheidend ist darüber
hinaus die Agilität des Teams. Es geht einer-
seits um die Interaktion zwischen den Indi-
viduen, andererseits um die Fähigkeit, als
Team rasch und effektiv auf neue Einsichten
zu reagieren. Im Zentrum der Methode ste-
hen technologische Machbarkeit und wirt-
schaftliche Tragfähigkeit sowie die mensch-
liche Erwünschtheit. Es gilt, die Motivation
des Bauherrn, Betreibers oder Nutzers zu
verstehen und deren wahren Bedürfnisse
zu befriedigen.
Zusammenfassung und Ausblick
Zusammenfassend lässt sich festhalten,
dass die Digitale Transformation im Ent-
wurf von Fassaden völlig neue Möglichkei-
ten eröffnet. So lassen sich praktische und
gestalterische Qualität sowie Nutzungsqua-
lität besser in Einklang bringen und eine
Ausgewogenheit zwischen ökologischen,
ökonomischen und sozialen Aspekten si-
cherstellen. Die Anwendung Künstlicher
Intelligenz im Entwurfsprozess bedeutet
bei kontinuierlich steigender Computer-
Rechenleistung und Speicherkapazitäten
(auch in der Cloud) in der Zukunft
– immer mehr Daten zu sortieren, zu ana-
lysieren und daraus komplexe Muster
und Gesetzmäßigkeiten im gebäude-
und nutzungsspezifischen Kontext zu
erkennen
– daraus immer mehr zu lernen und mit
Hilfe des Gelernten – bei immer kom-
plexeren operationalisierbaren Aufgaben
– automatisiert Entscheidungen zu tref-
fen
– und das Entwurfsteam bei der Beurtei-
lung nicht-operationalisierbarer Aufga-
ben sowie bei der Entscheidungsfindung
immer qualifizierter zu unterstützen.
Allerdings ist auf absehbare Zeit die Lösung
nicht-operationaler Probleme nur durch
menschliche Intelligenz möglich. Die Be-
fürchtung, dass sich gute Architektur auf
Knopfdruck generieren lässt und dass der
Computer Architekten sowie Ingenieure ab-
löst, ist demzufolge unbegründet.
Dipl.-Ing. Dipl.-
Wirt.-Ing. (FH)
Ksenija Kadija
(Global Building
Excellence Schüco
International KG)
Prof. Dr.-Ing.
Winfried Heusler
(Global Building
Excellence Schüco
International KG)
Bild 5: Entwurfsprozess als Kombination rationaler und intuitiver Strategien.