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TECHNIK

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Fachbeitrag

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FASSADE 2/2018

Ausgangspunkt sind vage Vorstellungen des

späteren Gebäudes, mit Raumprogramm,

Kostenrahmen, Entwurfsskizzen und ggf.

einer Leitidee. Anschließend werden

– die Entwurfsaufgabe in Teilaufgaben auf-

gegliedert

– operationale, rational lösbare Teilaufga-

ben automatisiert bearbeitet

– nicht-operationale Teilaufgaben durch

ein Miteinander von Computer (mittels

Logik) und Mensch (auch mittels Intuiti-

on) gelöst

– die Lösungen der Teilaufgaben zu einer

Gesamtlösung zusammengeführt.

Das Auftreten von Unschärfe und deren

schrittweise Reduzierung sind dem Ent-

wurfsprozess inhärent. So können zunächst

auch völlig unsinnig erscheinende Lösun-

gen automatisch generiert werden, die dann

mittels Simulationsprogrammen, Algorith-

men und Finite-Elemente-Analysen aus

unterschiedlichen Perspektiven untersucht

und durch spezifische Bewertungsfunktio-

nen evaluiert werden. Im nächsten Durch-

gang wird der generative Mechanismus an-

gepasst und der Entwurf optimiert. Dabei

entstehen unterschiedliche Varianten als

Lösungsvorschläge. Wichtig ist das mög-

lichst frühe „Prototyping“ (ggf. mittels Vir-

tual Reality oder 3D-Druck). Dabei wird die

Idee veranschaulicht und bewertet. Letzt-

endlich läuft es auf einen Digitalen Zwilling

hinaus. Darunter versteht man ein abstra-

hiertes, virtuelles Abbild des realen, physi-

schen Gebäudes, in dem dessen Funktions-,

Gestaltungs- und Nutzungsqualität abge-

bildet werden. Das Entwurfsteam bewertet

die vom Computer vorgeschlagenenVarian-

ten. Weniger Brauchbares wird verworfen.

Vielversprechendes wird weiterentwickelt.

Auf Grundlage der neuesten Einsichten las-

sen sich Randbedingungen und Planungs-

ziele präzisieren. Wenn neue Schwerpunk-

te gesetzt oder andere Gewichtungen vor-

genommen werden, kann es sinnvoll sein,

Rücksprache mit dem Auftraggeber zu neh-

men. Zudem bringt das Team neue Ideen in

den Prozess ein. So wird das Konzept konti-

nuierlich verbessert und solange verfeinert,

bis ein tragfähiger, nutzerorientierter Ent-

wurf vorliegt. Die Qualität des Ergebnisses

wird maßgeblich durch die Zusammenset-

zung des interdisziplinären Planungsteams

beeinflusst. Besondere Bedeutung haben

dabei kreativitätsfördernde Faktoren wie Ex-

pertenwissen, Fantasie, Risikobereitschaft,

intrinsische Motivation und eine kreative

Umgebung. Erfolgsentscheidend ist darüber

hinaus die Agilität des Teams. Es geht einer-

seits um die Interaktion zwischen den Indi-

viduen, andererseits um die Fähigkeit, als

Team rasch und effektiv auf neue Einsichten

zu reagieren. Im Zentrum der Methode ste-

hen technologische Machbarkeit und wirt-

schaftliche Tragfähigkeit sowie die mensch-

liche Erwünschtheit. Es gilt, die Motivation

des Bauherrn, Betreibers oder Nutzers zu

verstehen und deren wahren Bedürfnisse

zu befriedigen.

Zusammenfassung und Ausblick

Zusammenfassend lässt sich festhalten,

dass die Digitale Transformation im Ent-

wurf von Fassaden völlig neue Möglichkei-

ten eröffnet. So lassen sich praktische und

gestalterische Qualität sowie Nutzungsqua-

lität besser in Einklang bringen und eine

Ausgewogenheit zwischen ökologischen,

ökonomischen und sozialen Aspekten si-

cherstellen. Die Anwendung Künstlicher

Intelligenz im Entwurfsprozess bedeutet

bei kontinuierlich steigender Computer-

Rechenleistung und Speicherkapazitäten

(auch in der Cloud) in der Zukunft

– immer mehr Daten zu sortieren, zu ana-

lysieren und daraus komplexe Muster

und Gesetzmäßigkeiten im gebäude-

und nutzungsspezifischen Kontext zu

erkennen

– daraus immer mehr zu lernen und mit

Hilfe des Gelernten – bei immer kom-

plexeren operationalisierbaren Aufgaben

– automatisiert Entscheidungen zu tref-

fen

– und das Entwurfsteam bei der Beurtei-

lung nicht-operationalisierbarer Aufga-

ben sowie bei der Entscheidungsfindung

immer qualifizierter zu unterstützen.

Allerdings ist auf absehbare Zeit die Lösung

nicht-operationaler Probleme nur durch

menschliche Intelligenz möglich. Die Be-

fürchtung, dass sich gute Architektur auf

Knopfdruck generieren lässt und dass der

Computer Architekten sowie Ingenieure ab-

löst, ist demzufolge unbegründet.

Dipl.-Ing. Dipl.-

Wirt.-Ing. (FH)

Ksenija Kadija

(Global Building

Excellence Schüco

International KG)

Prof. Dr.-Ing.

Winfried Heusler

(Global Building

Excellence Schüco

International KG)

Bild 5: Entwurfsprozess als Kombination rationaler und intuitiver Strategien.