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FASSADE 2/2018
glauben wir, dass durch die Verschmelzung
von Glasfilamenten die Möglichkeit besteht,
Glasscheiben zu versteifen und somit zu-
künftig größere Spannweiten zu realisieren.
Es wäre dann möglich, die optimierte Geo-
metrie für die Aussteifung auf Basis von sta-
tischen Berechnungen des Gebäudes durch
einen Computer generieren zu lassen, der
als Input für den FDM-Prozess verwendet
werden kann.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir
viel Potenzial darin sehen, mehr oder weni-
ger zweidimensionale Bauteile wie die Ver-
glasung einer Gebäudefassade um eine drit-
te Dimension zu erweitern. Dadurch kön-
nen wir u. a. Bohrungen im Glas bzw. die
Notwendigkeit von Klebstoffen und die da-
mit verbundenen Konstruktionsprobleme
vermindern.
Weitere Informationen erhalten Sie bei Robert
Akerboom, Technische Universität Darmstadt
(Institut für Statik und Konstruktion, ISM+D)
unter
akerboom@ismd.tu-darmstadt.deBei FDM wird das Filament über einen Ex-
truder auf einer Grundplatte zu komplexen
dreidimensionalen Geometrien verschmol-
zen. Für die Bauindustrie bedeutet dies zu-
künftig, dass es möglich ist, kostengünsti-
ge Bauteile in kleinen Stückzahlen für be-
stimmte Funktionen herzustellen.
Wenn wir also sowohl das Potenzial des Ma-
terials als auch der Technologie kennen, stellt
sich die Frage, wo wir geeignete Produkte
für das Bauwesen finden. Dazu werden wir
zunächst auf die Schwierigkeiten hinwei-
sen, die wir bei der heutigen Verwendung
von Glas in Fassaden sehen. Eine sehr ge-
bräuchliche Art Glasscheiben an der Unter-
konstruktion zu befestigen, ist die punktför-
mige Lagerung mittels “Spider“ und Punkt-
haltern. Hierbei werden die Lasten entweder
punktuell über Klebestelle (s. Abb. 1a) oder
über eine mechanische Befestigung (s. Abb.
1b), die Bohrungen im Glas erfordert, über-
tragen. Beide Varianten sind mit Herausfor-
derungen hinsichtlich der Alterung infolge
der Verwendung von Kunststoffen bzw. lo-
kalen Spannungsspitzen an den Bohrungs-
rändern verbunden. In beiden Fällen stellt
das Vorhandensein unterschiedlicher Mate-
rialien und den damit verbundenen Unter-
schieden in den Materialeigenschaften eine
Herausforderung dar. Insbesondere können
unterschiedliche thermische Ausdehnungs-
koeffizienten Spannungen in der Verbin-
dung der Bauteile erzeugen.
Fused Glass Deposition
Modeling im Bauwesen
Eine mögliche Lösung dieser Probleme
liegt in der Verwendung von geschmolze-
nen Glasfilamenten auf einer Glasplatte,
um eine Geometrie zu schaffen, über die
die Lasten auf die Unterkonstruktion über-
tragen werden können. Abbildung 1c) zeigt
die Entwicklung einer solchen FDM-Ver-
bindung. Es ist zu erkennen, dass zunächst
ein Zylinder mit kugelförmigem Abschluss
aus Glas mit der Glasplatte verschmolzen
wird, der anschließend über den Spider ge-
klemmt werden kann.
Das Potenzial des Verfahrens, Glasfilament
übereinander zu applizieren und miteinan-
der zu verschmelzen, hat das MIT (Massa-
chusetts Institute of Technology) bereits in
den letzten Jahren erkannt. Mit einer Ma-
schine, die geschmolzenes Glas innerhalb
eines definierten Temperaturbereichs aufei-
nander stapelt, wurden Glasskulpturen her-
gestellt, wie in Abbildung 2 zu sehen ist.
Mit dem Referenzprojekt FGDM konzen-
trieren wir uns als TU Darmstadt (ISM+D
und MPA-IfW) darauf, mit dieser Techno-
logie Geometrien auf einer Glasgrundplat-
te zu erzeugen. Auf dieser Grundlage sollen
neuartige Lastübertragungsmöglichkeiten
und Verstärkungsmaßnahmen geschaffen
werden. Die mit Glasfilamenten versehe-
ne Glasgrundplatte stellt eine modifizier-
te Glasscheibe dar, die als Glasscheibe ei-
nes Verbundglases oder eines Isolierglases
verwendet werden kann. Darüber hinaus
TECHNIK
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Fassaden der Zukunft
In der Rubrik „Fassaden der Zukunft“ stellen
Fassadenexperten aus Forschung und Praxis
innovative Fassadenkonzepte und zukunftswei-
sende Lösungen vor.
2030
2050
2020
Abbildung 1: Spider in einer Glasfassade
a) Montierte Ansicht, b) Explosionsansicht und c) Vorgeschlagenes System.
Der Baustoff Glas spielt bei Fassaden der Zukunft eine herausragende Rolle. Nicht nur
die Glasflächen an unseren Gebäuden, sondern auch die Funktionalität, die wir heute in
eine transparente Fassade integrieren können, ist sehr vielfältig und wächst. Transparenz,
Festigkeit und Dauerhaftigkeit sind nur der Anfang einer einzigartigen Kombination von
Eigenschaften bei Glas, die für Architekten und Ingenieure von großem Interesse sind.
Der Artikel konzentriert sich auf die Art der ‘Additive Manufacturing‘ (AM), die bei der
Verwendung von Glas als ‘Fused Deposition Modeling‘ (FDM) bezeichnet wird.
Abbildung 2: Additiv hergestellte
Glasskulpturen vom MIT.
U. Knaack (2)
Robert Akerboom