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GLASFassaden
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FASSADE 5/2017
Wo liegen die derzeitigen Trends und Heraus-
forderungen bei BIPV-Fassaden?
Ein Trend, der sich schon seit ein paar Jah-
ren abzeichnet, ist der Versuch, BIPV-Pa-
neele (Building Integrated Photovoltaic) zu
standardisieren, um auch die Kosten zu sen-
ken. Das mag im Bereich von hinterlüfteten
Fassaden möglich und sinnvoll erscheinen,
aber bei klassischen Pfosten-Riegel-Fassa-
den oder Atriumverglasungen ist das auf-
grund der geforderten Flexibilität hinsicht-
lich Formaten, Formen und Glasdicken
nicht wirklich machbar. Ein weiterer Trend
ist der Wunsch seitens der Architektur, das
gängige Solarzellenraster verschwinden zu
lassen oder generell auch etwas Farbe ins
Spiel zu bringen. Da wir mit unserer Mutter
der Ertl Glas AG einige Möglichkeiten ha-
ben, die Gläser zu bedrucken, eröffnen sich
dazu viele Möglichkeiten. Die einhergehen-
de Leistungsminderung wird dabei bis zu
einem gewissen Grad in Kauf genommen.
Eine Herausforderung ist sicherlich die Tat-
sache, dass im Bereich BIPV sowohl Zertifi-
zierungen aus der Welt der Photovoltaik als
auch aus der Welt des Baus bzw. Glas-Fas-
sadentechnik vorzuweisen sind. Leider hal-
ten sich nicht alle Hersteller daran. Die Un-
sicherheit bei den Planern und Architekten,
eventuell ein unsicheres Produkt zu ver-
wenden, bleibt dadurch bestehen und scha-
det der gesamten Branche.
Wie ist der Markt bzw. die Nachfrage bei der
gebäudeintegrierten PV derzeit in Deutschland
und bei internationalen Projekten?
Es gibt in jedem Projekt die unterschied-
lichsten Beweggründe, PV in die Gebäude-
hülle zu integrieren. Die Energiewende ist
einer davon, aber da würde es unter Um-
ständen auch reichen, das Dach mit Stan-
dardpaneelen zu belegen. Oft reicht aber
die Fläche nicht aus oder der Bauherr bzw.
Architekt will einen „Leuchtturm“ setzen.
Wesentlich ist immer die Multifunktionali-
tät, also irgendeine Zusatzfunktion zur rei-
„PV-Integration bietet viele Chancen“
Im Gespräch mit Dipl.-Ing. Dieter Moor
Gebäudeintegrierte Photovoltaikfassaden bieten die ideale Möglichkeit, die
Energiebilanz von Gebäuden nachhaltig zu verbessern und holen auch in puncto
Ästhetik auf. Im Gespräch mit der FASSADE erläutert Dipl.-Ing. Dieter Moor, CEO
Marketing/Sales beim BIPV-Spezialisten ertex solar, die aktuelle Marktlage.
nen Stromumwandlung. Das können die
Funktion einer Absturzsicherung als Bal-
kongeländer sein oder auch Abschattungs-
lamellen sowie die Nutzung der Gebäude-
hülle als Witterungsschutz und so weiter.
Asiatische Hersteller haben in Europa rela-
tiv wenig Marktanteil, weil die Projekte ext-
rem beratungsintensiv sind – und das ist aus
Asien nicht zu bewerkstelligen. Auch bei
den Lieferzeiten herrschen im Baubereich
andere Regeln als bei Standardpaneelen. In-
ternational realisieren wir Projekte über un-
ser Netzwerk in der Fassadenbranche. So
konnten wir etwa ein relativ spektakuläres
Glasdach für das „Sphäre“ Gebäude auf der
Weltausstellung in Astana (Kasachstan) lie-
fern. Generell versuchen sich auch immer
mehr Stararchitekten in der PV-Integration.
So durften wir im vergangenen Jahr ein gro-
ßes Projekt für den Pritzker-Preisträger Shi-
geru Ban beliefern.
Kristalline Module werden derzeit wohl mit
Abstand den größten Marktanteil haben. Ist
das auch die Technik der Zukunft oder wo geht
die Reise hin?
Zwischen 2008 und ca. 2012 gab es einen
Aufschwung im Bereich der Dünnschicht,
die sich aufgrund der Homogenität sehr gut
für die Architektur geeignet hat. Aufgrund
verschiedener Marktumstände – zum Bei-
spiel der Rücknahme der Fördertarife und
der Importe aus China – waren diese Werke
nicht mehr profitabel und wurden geschlos-
sen. Einige Hersteller bewegen sich noch
am Markt, aber die Flexibilität hinsichtlich
der Formate und teiltransparenten Modulen
hält sich in Grenzen. Momentan gibt es ei-
nige Firmen, die sich mit organischer Pho-
tovoltaik beschäftigen. Mir sind aber noch
keine größeren Projekte im Fassadenbereich
bekannt. Kristalline Zellen werden daher
noch mehrere Jahre Bestand haben.
Wo liegen die größten Potenziale für Sie als
Hersteller von gebäudeintegrierter PV und wo
sehen Sie die größten Herausforderungen?
Immer dann, wenn Bauherren eine langfris-
tige Perspektive mit Ihrer Immobilie verfol-
gen, wird BIPV berücksichtigt. Bei Investiti-
onsprojekten, die möglichst billig errichtet
und in kurzer Zeit möglichst teuer verkauft
werden sollen, hat BIPV keine Chance in
einer herkömmlichen Amortisationsrech-
nung. So ehrlich muss man sein. Die größ-
te Herausforderung momentan ist sicher die
Überkapazität an Herstellern im Vergleich
zur Nachfrage. So gut wie jeder Hersteller
in Europa, der bis vor wenigen Jahren nur
Standardmodule produziert hat, ist momen-
tan im Bereich BIPV unterwegs. Das mag für
die Kunden interessant sein, weil die Preise
fallen, hat aber den Nachteil, dass sich – wie
schon erwähnt – nicht wirklich jeder um die
Zertifizierungsanforderungen kümmert. Die
Kunden müssen dann eben umso genauer
hinsehen, was sie einkaufen.
Vielen Dank für das interessante Gespräch.
Ertex Solar
Dipl.-Ing. Dieter Moor ist CEO Marketing/Sales
beim österreichischen BIPV-Spezialisten ertex
solar.