glas+rahmen
04.18
technik
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pflanzliche Komponenten. OLEDs bestehen aus zwei Glas-
scheiben. Auf die Scheiben werden während der Produk-
tion sehr dünne Schichten aus Kohlenwasserstoff basier-
ten Chemikalien aufgedampft. Kohlenwasserstoff zählt zu
den organischen Chemikalien, daher erklärt sich der Na-
me. Die Produktion ist Hightech. Die zahlreichen Schich-
ten, die das Licht erzeugen, sind dünner als ein menschli-
ches Haar, das 1.000 Mal der Länge nach geteilt wurde. Tat-
sächlich werden in der Produktion einzelne Atome aufein-
andergestapelt, um später das natürliche Licht zu erzeugen.
Normalerweise wird eine Schicht Aluminium als Kathode
verwendet, weshalb die OLED im ausgeschalteten Zustand
wie ein Schminkspiegel aussieht. Ersetzt man das Alumini-
um durch Silber, das nach dem Verdampfen nicht so stark
reflektiert, erscheint die OLED transparent. Diese Möglich-
keit, Licht aus einem scheinbar durchsichtigen Glas zu er-
zeugen, lässt sich nur mit dieser Technik erreichen.
Neue, Innovative Anwendungen
OLEDs sind sehr dünn und haben meist eine „Dicke“ zwi-
schen nur 0,7 und 1,8 Millimeter. Da sie nur gut 30 Grad
warm werden, ist eine Kühlung nicht nötig. Damit ermög-
lichen die Licht emittierende Dioden auch Anwendungen
mit Materialien, die bislang in Verbindung mit Licht nicht
genutzt werden konnten. Und sie ermöglichen Licht an
Stellen, die bislang nicht unbedingt mit Beleuchtung in
Verbindung gebracht wurden. So lässt sich beispielsweise
in Zukunft die Fensterscheibe im Bürogebäude „einschal-
ten“, wenn angenehmes Umgebungslicht gewünscht wird.
Auch eine Rundumbeleuchtung in der heimischen Glasdu-
sche ist denkbar, wenn dort OLEDs integriert sind. OLEDs
können auch in 3-D-Form hergestellt werden. In die Fassa-
de integriert, ist intelligentes Glas in der Lage, Energieko-
sten zu senken, denn Sonnenlicht kann je nach Bedarf ent-
weder geblockt oder durchgelassen werden. Zudem kann
solch ein Glas gerade in Gebäuden mit großen Glasfassa-
den eine echte Alternative zu mechanischen Jalousien sein.
Einige Aussteller der diesjährigen internationalen Fach-
messe glasstec (23.-26. Oktober) greifen das Thema Smart
Glass auf und präsentieren interessante Lösungsansätze.
www.glasstec.dematthias fischer
Der Autor ist freier Fachjournalist und Fachbuchautor
OLEDs sind Flächenlichtquellen. Ihr Licht ist in etwa mit dem
des Himmels vergleichbar.
Geht‘s nicht schneller?
Glas+Rahmen fragte Prof. Dr.-Ing. Ulrich
Knaack vom Institut für Statik und Kon-
struktion der TU Darmstadt nach den
Rahmenbedingungen für den Einsatz in-
telligenter Gläser in der GEbäudehülle.
g+r:
Was kann Ihrer Meinung nach in zehn Jahren eine intelligente
Glasfassade leisten?
knaack:
Spannende Frage! Ja, es werden viele interessante Dinge
entwickelt, und Themen wie Display und OLED gehören dazu. Und
ja, wenn wir diese Dinge in die Hülle des Gebäudes einbringen, wer-
den Fassaden aktiver und können mehr zur Funktion des Gebäudes
beitragen. Denkbar ist beispielsweise, dass nicht nur Trennwände,
sondern die Fassade selbst gesteuert wird, ein Display ist und damit
Teil eines Büros – also der Arbeitsfläche, auf der die Menschen tätig
sind, und dies nicht nur als Bildschirm für Kommunikation und In-
formation, sondern als Arbeitsfläche,
ähnlich des PC-Bildschirms heute.
g+r:
Woran liegt es, dass die Entwick-
lung dieser Technologien nur so verhal-
ten voranschreitet?
knaack:
Verhalten – na ja. Wir ha-
ben es mit Bauwerken zu tun, nicht
mit Konsumgütern. Bauwerke haben
einen hohen Kostenaufwand, müssen
über einen langen Zeitraum funktio-
nieren und haben aufgrund der Grö-
ße und der möglichen Schadensfol-
gen einen hohen Sicherheitsanspruch.
Entsprechend komplex sind die Ent-
wicklung und die Herstellung. Be-
trachtet man den Werkstoff Glas, so
lässt sich feststellen, dass in den letz-
ten 30 Jahren enorme Schübe in der Materialentwicklung, Integrati-
on in die Energiegewinnung und Steuerung sowie in gestalterischer
Hinsicht erfolgt sind. Das transparente Haus ist heute möglich! Und
dies innerhalb einer Generation von Wissenschaftlern, Ingenieuren
und Gestaltern. Kaum ein anderer Werkstoff kann das von sich be-
haupten. Aber dennoch ist das Ende der Entwicklung nicht erreicht,
und neue Themen sind erkennbar bzw. lassen ihren Impact voraus-
ahnen. Und wie bei allen Entwicklungen, gilt es auch hier, neben
den technischen Aspekten auch die Funktion an sich zu entwickeln.
Was wollen wir, was werden wir wirklich nutzen, und wie werden
wir es nutzen, bzw. welche Kosten sind wir bereit, für diese Funkti-
on zu tragen? Das sind die spannendsten Fragen der Entwicklung.
Kurz: Was können wir mit der neuen Technologie machen und was
ist es uns wert?
Prof. Dr.-Ing. Ulrich Knaack und
sein Team werden gemeinsam
mit Teams der Technischen Uni-
versitäten Dresden, Dortmund
und Delft in diesem Jahr erst-
mals die glasstec-Sonderschau
„glass technology live“ konzi-
pieren.
Foto: © Vössing
Foto: © Philips