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glas+rahmen

04.18

technik

46

„vertreter des bundesinnungsverbandes

des

Glaserhandwerks (BIV), des Bundesverbandes Flachglas

(BF) und weiterer Verbände sind derzeit wieder dabei,

die von uns gemeinsam herausgegebene „Richtlinie zur

Beurteilung der visuellen Qualität von Glas für das Bau-

wesen“ zu aktualisieren. Die Richtlinie ist seit Jahren an-

erkannt, in der Praxis vielfach bewährt und genießt hohe

Akzeptanz. Sie wurde bereits in mehreren Auflagen von

Verbänden gemeinsam erarbeitet, die mindestens drei

Stufen in der Wertschöpfungs- beziehungsweise Ver-

marktungskette repräsentieren, also eigentlich durchaus

gegensätzliche Interessen bei der Frage haben könnten,

was als Mangel zu gelten hat und was nicht. Wir halten

es für einen schönen Erfolg, dass diese Verbände sich auf

gemeinsame Aussagen einigen konnten.

Richtlinie ist Anerkannt

und geniesst einen hohen Stellenwert

Die Richtlinie bietet gemeinsame Beurteilungsmaßstä-

be für Reklamationsfälle an – sowohl für das Verhältnis

zwischen Unternehmen als auch gegenüber dem End-

verbraucher. Auch innerhalb der Beziehung zwischen

Hersteller und Verarbeiter / Handwerker gilt die Richt-

linie natürlich nicht automatisch mit Quasi-Gesetzes-

kraft. Andererseits kann sie auch in der Beziehung zu

Endabnehmern herangezogen werden. Auf der siche-

ren Seite, was die Gültigkeit der Richtlinie für den kon-

kreten Einzelfall angeht, ist man dann, wenn sie ver-

traglich vereinbart wurde (was die herausgebenden Ver-

bände auch immer ausdrücklich empfehlen). Wenn das

nicht getan wurde, wird die Frage auftauchen, ob sie be-

achtet werden musste, weil sie als anerkannte Regel der

Technik anzusehen ist.

Eine derart eingeführte Richtlinie ist in dieser Hin-

sicht nicht etwa „weniger wert“ als eine Norm. Eine

Norm ist keineswegs automatisch anerkannte Regel der

Technik. Andersherum kann eine Richtlinie durchaus zu

den anerkannten Regeln der Technik gehören. Für die-

sen Begriff gibt es keine Legaldefinition; er ist geprägt

von Rechtsprechung und Literatur. Eine anerkannte Re-

gel der Technik liegt nach allgemeiner Auffassung dann

vor, wenn sie in der technischenWissenschaft als theore-

tisch richtig anerkannt ist, feststeht, sowie durchweg be-

kannt und aufgrund der praktischen Erfahrung als tech-

nisch geeignet, angemessen und notwendig anerkannt

ist. Insbesondere für schriftlich niedergelegte technische

Regelwerke besteht die Vermutung der allgemeinen An-

erkennung und praktischen Bewährung. Dazu zählen

nicht nur Normen, sondern zum Beispiel auch einheit-

liche technische Baubestimmungen des Deutschen Ins-

tituts für Bautechnik sowie Herstellervorschriften und

-richtlinien. Auch DIN-Normen sind private technische

Regelungen mit Empfehlungscharakter und können die

allgemein anerkannten Regeln der Technik grundsätz-

lich zwar wiedergeben, aber auch hinter ihnen zurück-

bleiben.

Entwurf der Neuen Iso-Produktnorm setzt

schwächere Beurteilungsmassstäbe an

Einer unserer Anwälte hat hierzu übrigens kürzlich ge-

äußert: Erfahrungsgemäß sei die Wahrscheinlichkeit

hoch, dass immer dann, wenn etwas „schief gegangen“

sei, auch der Verstoß gegen die allgemein anerkannten

Regeln der Technik bejaht werde. Es ist insofern also

auch sicherer, davon auszugehen, dass die „Richtlinie

zur Beurteilung der visuellen Qualität von Glas für das

Bauwesen“ zu den anerkannten Regeln der Technik ge-

hört. Der Inhalt der – von 2009 stammenden – Richtli-

nie wurde gerade weitestgehend in die EN 1279-1 (2018)

Bedeutung der „Visuellen Richtlinie“

Die von Branchenverbänden erarbeitete „richtlinie zur Beurteilung

der visuellen Qualität von Glas im Bauwesen“ hat sich in der Praxis

bewährt, auch wenn sie bei Streitfällen nicht zwingend die massgebliche

EntscheidungsGrundlage darstellt. Aktuell wird die Richtlinie

überarbeitet und auf den neuen normativen Rahmen abgestimmt.

Einen kritischen Fach-

beitrag vom Sachver-

ständigen Arbeitskreis

(SAK) zur Anwendung

der „Richtlinie zur Beur-

teilung der visuellen

Qualität von Glas im

Bauwesen“ finden Sie in

der Glas+Rahmen (Aus-

gabe 1/2018, Seite 42)

und unter www.glas-

rahmen.de

in der Rubrik

„Fachartikel“.

Bei einem solchen

Kratzer auf der Iso-

lierglasscheibe steht

außer Frage, dass es

sich um eine nicht

tolerable Beein-

trächtigung handelt.

In Beurteilungsfäl-

len, die nicht so

eindeutig sind, hat

sich die „Richtlinie

zur Beurteilung der

visuellen Qualität

von Glas im Bauwe-

sen“ vielfach als

praktisches Hilfsmit-

tel bewährt.

Foto: © Vössing