glas+rahmen
04.18
technik
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„vertreter des bundesinnungsverbandes
des
Glaserhandwerks (BIV), des Bundesverbandes Flachglas
(BF) und weiterer Verbände sind derzeit wieder dabei,
die von uns gemeinsam herausgegebene „Richtlinie zur
Beurteilung der visuellen Qualität von Glas für das Bau-
wesen“ zu aktualisieren. Die Richtlinie ist seit Jahren an-
erkannt, in der Praxis vielfach bewährt und genießt hohe
Akzeptanz. Sie wurde bereits in mehreren Auflagen von
Verbänden gemeinsam erarbeitet, die mindestens drei
Stufen in der Wertschöpfungs- beziehungsweise Ver-
marktungskette repräsentieren, also eigentlich durchaus
gegensätzliche Interessen bei der Frage haben könnten,
was als Mangel zu gelten hat und was nicht. Wir halten
es für einen schönen Erfolg, dass diese Verbände sich auf
gemeinsame Aussagen einigen konnten.
Richtlinie ist Anerkannt
und geniesst einen hohen Stellenwert
Die Richtlinie bietet gemeinsame Beurteilungsmaßstä-
be für Reklamationsfälle an – sowohl für das Verhältnis
zwischen Unternehmen als auch gegenüber dem End-
verbraucher. Auch innerhalb der Beziehung zwischen
Hersteller und Verarbeiter / Handwerker gilt die Richt-
linie natürlich nicht automatisch mit Quasi-Gesetzes-
kraft. Andererseits kann sie auch in der Beziehung zu
Endabnehmern herangezogen werden. Auf der siche-
ren Seite, was die Gültigkeit der Richtlinie für den kon-
kreten Einzelfall angeht, ist man dann, wenn sie ver-
traglich vereinbart wurde (was die herausgebenden Ver-
bände auch immer ausdrücklich empfehlen). Wenn das
nicht getan wurde, wird die Frage auftauchen, ob sie be-
achtet werden musste, weil sie als anerkannte Regel der
Technik anzusehen ist.
Eine derart eingeführte Richtlinie ist in dieser Hin-
sicht nicht etwa „weniger wert“ als eine Norm. Eine
Norm ist keineswegs automatisch anerkannte Regel der
Technik. Andersherum kann eine Richtlinie durchaus zu
den anerkannten Regeln der Technik gehören. Für die-
sen Begriff gibt es keine Legaldefinition; er ist geprägt
von Rechtsprechung und Literatur. Eine anerkannte Re-
gel der Technik liegt nach allgemeiner Auffassung dann
vor, wenn sie in der technischenWissenschaft als theore-
tisch richtig anerkannt ist, feststeht, sowie durchweg be-
kannt und aufgrund der praktischen Erfahrung als tech-
nisch geeignet, angemessen und notwendig anerkannt
ist. Insbesondere für schriftlich niedergelegte technische
Regelwerke besteht die Vermutung der allgemeinen An-
erkennung und praktischen Bewährung. Dazu zählen
nicht nur Normen, sondern zum Beispiel auch einheit-
liche technische Baubestimmungen des Deutschen Ins-
tituts für Bautechnik sowie Herstellervorschriften und
-richtlinien. Auch DIN-Normen sind private technische
Regelungen mit Empfehlungscharakter und können die
allgemein anerkannten Regeln der Technik grundsätz-
lich zwar wiedergeben, aber auch hinter ihnen zurück-
bleiben.
Entwurf der Neuen Iso-Produktnorm setzt
schwächere Beurteilungsmassstäbe an
Einer unserer Anwälte hat hierzu übrigens kürzlich ge-
äußert: Erfahrungsgemäß sei die Wahrscheinlichkeit
hoch, dass immer dann, wenn etwas „schief gegangen“
sei, auch der Verstoß gegen die allgemein anerkannten
Regeln der Technik bejaht werde. Es ist insofern also
auch sicherer, davon auszugehen, dass die „Richtlinie
zur Beurteilung der visuellen Qualität von Glas für das
Bauwesen“ zu den anerkannten Regeln der Technik ge-
hört. Der Inhalt der – von 2009 stammenden – Richtli-
nie wurde gerade weitestgehend in die EN 1279-1 (2018)
Bedeutung der „Visuellen Richtlinie“
Die von Branchenverbänden erarbeitete „richtlinie zur Beurteilung
der visuellen Qualität von Glas im Bauwesen“ hat sich in der Praxis
bewährt, auch wenn sie bei Streitfällen nicht zwingend die massgebliche
EntscheidungsGrundlage darstellt. Aktuell wird die Richtlinie
überarbeitet und auf den neuen normativen Rahmen abgestimmt.
Einen kritischen Fach-
beitrag vom Sachver-
ständigen Arbeitskreis
(SAK) zur Anwendung
der „Richtlinie zur Beur-
teilung der visuellen
Qualität von Glas im
Bauwesen“ finden Sie in
der Glas+Rahmen (Aus-
gabe 1/2018, Seite 42)
und unter www.glas-
rahmen.dein der Rubrik
„Fachartikel“.
Bei einem solchen
Kratzer auf der Iso-
lierglasscheibe steht
außer Frage, dass es
sich um eine nicht
tolerable Beein-
trächtigung handelt.
In Beurteilungsfäl-
len, die nicht so
eindeutig sind, hat
sich die „Richtlinie
zur Beurteilung der
visuellen Qualität
von Glas im Bauwe-
sen“ vielfach als
praktisches Hilfsmit-
tel bewährt.
Foto: © Vössing