Technik
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RTS-Magazin 7/2018
Bessere Tageslichtversorgung sorgt für deut-
lich bessere schulische Leistungen. Das ha-
ben diverse Studien und Untersuchungen
belegt. Insofern wird seitens des Bundesver-
bandes Sonnenschutztechnik in Österreich
bemängelt, dass bei Erweiterung oder Sanie-
rung insbesondere vieler Schulen, die noch
aus Kaisers Zeiten stammen und zuvor dank
großer Fenster lichtdurchflutet waren, nun
häufig die Versorgung mit Tageslicht auf der
Strecke bleibt.
„Wer kennt nicht die alten Schulen, deren
große Fenster die hohen Klassenräume mit
Tageslicht durchfluten. Und dieses Tageslicht
ist ein wesentlicher Lernfaktor“, so Johann
Gerstmann, Sprecher des Bundesverbandes
Sonnenschutztechnik in Österreich. Zudem
benötigen solche Klassenräume weniger
Kunstlicht, dafür umso mehr Heizwärme.
Johann Gerstmann: „Seit ein paar Jahr-
zehnten leistet man sich im Schulbau jedoch
weder den Luxus immenser Heizwärme-
verluste noch den Luxus großer Kubaturen.
Bei einer Erweiterung oder Sanierung einer
alten K+K-Schule bringt man bei gleicher
Gebäudehöhe nun drei statt vier Geschoße
unter. Zusätzlich werden die Gebäudehülle
und damit auch deren Fenster mit entspre-
chendem Wärmeschutz ausgestattet. Das
spart zwar Energie, geht aber zu Lasten der
Versorgung mit Tageslicht. Und das wiede-
rum mindert die Vitalität und Leistungsfä-
higkeit.“
30 Prozent weniger Tageslicht
Ecofys, ein Beratungsunternehmen in den
Bereichen Energie und Klima mit Sitz in
Köln, hat sich die Belichtung von Räumen
in Abhängigkeit der Fensterentwicklung an-
gesehen. Demnach sinkt – bedingt durch
höheren Rahmenanteil, verminderte Licht-
transmission beschichteter Gläser und er-
höhte Laibungstiefen – beim Austausch al-
ter auf energiesparende, neue Fenster die
Tageslichtversorgung um bis zu 30 Prozent.
Eine Kompensation diesesVerlustes, der zu-
dem den Energieverbrauch für die Beleuch-
tung erhöht, erfolgte seitens der Baugesetze
jedoch nicht. Denn im Energieausweis muss
der Bedarf für Kunstlicht nicht nachgewie-
sen werden. Die Bauphysik schreibt in der
Regel für transparente Bauteile den Ener-
giedurchlassgrad (g-Wert) und den Wär-
medurchgangskoeffizienten (U-Wert) vor,
aber keinen Kennwert für die eigentliche
Funktion von Fenstern, nämlich die Quali-
tät der Sichtverbindung und der Belichtung.
Johann Gerstmann: „Ein Manko in der Pla-
nung. Tageslicht ist zwar keine nachhaltige
Energie, eine suboptimale Nutzung erhöht
jedoch den Energieverbrauch.“
Rückbesinnung auf eigentliche
Funktion
Schulen haben von jeher größere Lichtein-
trittsflächen als es der Mindeststandard für
Wohn- und Bürobauten vorgibt. Dennoch
kommt es durch den Einsatz komplexerVer-
glasungen dazu, dass Lichtversorgung und
Tageslichtqualität deutlich beeinträchtigt
werden. Der wichtige Aspekt der Energie-
vermeidung beim Heizen und Kühlen geht
nicht selten zu Lasten der Lichtversorgung
und Lichtqualität. Daher bedurfte es einer
gewissen Rückbesinnung, um die eigentli-
che Funktion von Fenstern und Verglasun-
gen in den Vordergrund zu rücken: Sicht
und Licht.
Das Österreichische Institut für Schul-
und Sportstättenbau (ÖISS) hat Anfang Fe-
bruar 2018 die überarbeitete Richtlinie für
die Belichtung und Beleuchtung von Schu-
len veröffentlicht. Darin wurde die Bedeu-
tung von Sonne und Licht für die Leistungs-
fähigkeit, das Wohlbefinden und die Ge-
sundheit der in Schulen arbeitenden und
lernenden Menschen als zentrales Thema
verankert. Damit entspricht man auch einem
Vorschlag der EU, der besagt, dass alle Maß-
nahmen zur Steigerung der Energieeffizienz
genauso der Verbesserung des Innenraum-
klimas für die Bewohner dienen sollen. Oft
wurde in den letzten Jahren die Prävention
gegen Überwärmung wichtiger genommen
als eine gute Tageslichtversorgung.
Sonnenschutzglas reduziert
Lichtversorgung
Sogar Sonnenschutzglas kommt für Klas-
senfenster zum Einsatz – ohne zu beden-
ken, dass dadurch die Lichtversorgung, aber
auch die Nutzung der Sonne fürs passive
Heizen auf der Strecke bleiben. Mit Son-
nenschutzglas alleine lässt sich eine Klasse
allerdings nicht vor Überwärmung schüt-
zen, weshalb Be- und Verschattung immer
mit zu berücksichtigen sind. Dazu kommt
noch, dass Klassen bei Bedarf soweit abge-
dunkelt werden müssen, dass mit visuellen
Medien gearbeitet werden kann. Johann
Gerstmann: „Also wieso teure Gläser ein-
setzen, die im Winter die kostenlose Son-
nenwärme nicht optimal nutzen, die Licht-
transmission verringern und eine Verände-
rungen des Tageslichtspektrums bewirken?“
Ob ein Glas das Tageslichtspektrum verän-
dert, ist visuell meist nicht feststellbar, kann
sich aber auf die biologischen Prozesse und
das emotionale Empfinden des menschli-
chen Körpers auswirken.
Um die erforderliche thermische Behag-
lichkeit zu gewährleisten, kommt es einer-
seits auf einen möglichst niedrigen Ener-
gieeintrag untertags sowie eine gute Abfuhr
der im Gebäude gespeicherten Wärme in
der Nacht an.Variabler außenliegender Son-
nenschutz ist die beste Methode, die Wärme
vom Gebäude untertags fernzuhalten. Alle
anderen Formen einer Kühlprävention, wie
beispielsweise Überstände, reduzieren den
Lichteinfall und sind zudem an Ost- und
Westfassaden unwirksam.
Schutz vor Überwärmung,
optimale Tageslichtversorgung
Bei der Planung ist aus didaktischen, be-
triebswirtschaftlichen, psychologischen und
biologischen Gründen eine größtmögliche
Ausnutzung von natürlichem Licht anzu-
Lernen wie zu Kaisers Zeiten
Tageslicht fördert die Leistungsfähig von Schülern.
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