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Branche

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RTS-Magazin 8/2017

Die Digitalisierung stellt große

Unternehmen vor beträchtli-

che Herausforderungen. Noch

größer sind die damit verbun-

denen Aufgaben jedoch für den

Mittelstand, der die Veränderun-

gen ohne die Ressourcen und

Kapazitäten eines Großkon-

zerns angehen muss. Als Rück-

grat der deutschen Wirtschaft ist

auch der Mittelstand gezwun-

gen sich den Anforderungen der

industriellen Revolution zu stel-

len, um sich nicht vom globalen

Wettbewerb abhängen zu lassen.

Ein positives Beispiel, wie sich

Industrie 4.0 im Mittelstand als

Chance nutzen lässt, ist die Wa-

rema Renkhoff SE. Der europäi-

sche Marktführer für technische

Sonnenschutzprodukte hat die

Digitalisierung in seiner Unter-

nehmensstrategie verankert und

setzt die vernetzten Technolo-

gien erfolgreich ein, um seine

Prozesse, Services und Produkte

nachhaltig zu optimieren.

Veränderungen

erfordern

Mut, Offenheit, Bereitschaft

Digitalisierung imMittelstand

zum Wandel und Investitionen.

Bei Warema, einem mittelstän-

dischen Familienunternehmen

aus Marktheidenfeld in Unter-

franken, treibt die Vorstandsvor-

sitzende Angelique Renkhoff-

Mücke persönlich den Fortschritt

voran. Gemeinsam mit ihren

Vorstandskollegen hat sie die Di-

gitalisierung zur Chefsache er-

klärt und damit eine wichtige

Entscheidung getroffen: Im Ge-

gensatz zu vielen Familienun-

ternehmen, die das Thema In-

dustrie 4.0 nur von der techni-

schen Seite aus betrachten, geht

Warema die Umsetzung ganz-

heitlich an. „Wir haben das Po-

tenzial digitaler Prozesse schon

früh erkannt und nutzen bereits

seit rund zwanzig Jahren Auto-

mation in der Produktion. 1999

haben wir eine verkettete Ferti-

gungsstraße mit Einzelanlagen in

Betrieb genommen, die von einer

selbst entwickelten Software ge-

steuert wurde. Heute sind wir

bedeutend weiter“, berichtet An-

gelique Renkhoff-Mücke.

Hürden bei der

Umsetzung

Den Fortschritt zu ignorieren,

stand für Warema nie zur De-

batte. Es war von Anfang an klar,

dass das Unternehmen mit der

Zeit gehen muss. Denn Digita-

lisierung ist kein Selbstzweck,

sondern hat das strategische Ziel,

die Wettbewerbsfähigkeit und

damit die Zukunft des Unter-

nehmens zu sichern. Dass dies

im Zuge einer industriellen Re-

volution nicht immer einfach ist,

erklärt sich von selbst. Zu den

größten Herausforderungen ge-

hörte für Warema die Umsetzung

der Digitalisierung während der

laufenden Produktion. Denn bei

dem Mittelständler können nicht

einfach wochenlang die Bänder

stillstehen, ohne dass es zu Lie-

ferverzögerungen und damit zu

Verlusten kommt. Hinzu kommt

die Besonderheit, dass es sich bei

einem Großteil des breiten Sor-

timents nicht um Serienproduk-

tion, sondern um kundenindivi-

duelle Einzelfertigungen handelt.

Hier mussten spezielle Lösun-

gen her, die trotz der besonde-

ren Situation eine Effizienzstei-

gerung durch die digitale Tech-

nik ermöglichen. Und auch die

Weiterentwicklung administrati-

ver Prozesse war ein großer Um-

bruch, da in diesem Arbeitsfeld

im Gegensatz zur Produktion

deutlich seltener radikale Ver-

änderungen umgesetzt werden.

Zudem bedarf die Einführung

von neuen Technologien auf dem

Weg zu Industrie 4.0 beachtlicher

Investitionen.

Digitalisierung der

Wertschöpfungskette

Für Warema haben sich diese In-

vestitionen ausgezahlt. Der Son-

nenschutzexperte hat zahlreiche

Prozesse im Hinblick auf den

Gesamtkontext erfolgreich di-

gitalisiert. Es geht nicht nur um

Automatisierung der Fertigung

und hochfunktionale Produkt-

eigenschaften, sondern um die

Vernetzung komplexer Systeme.

Digitalisierung umfasst bei Wa-

rema die komplette Wertschöp-

fungskette. Sie beginnt bereits

bei der computergestützten Ent-

wicklung neuer Produkte. Die

Kundendaten gehen anschlie-

ßend im Idealfall vom Kun-

den direkt in die Fertigung, wo

die spezifischen Kundenpro-

dukte maßgeschneidert produ-

ziert werden. Dabei erfolgt nicht

nur die Steuerung der Maschi-

nen durch Computer, auch bei

Störungen lassen sich die An-

lagen digital fernwarten. In der

Logistik werden die Pakete mit

den fertigen Produkten selbsttä-

tig gewogen und die Zuladung

der LKW automatisch berechnet.

Die Bestellabwicklung wurde

mit der Einführung der Online-

Plattform myWarema erfolgreich

digitalisiert. Dies vereinfacht und

beschleunigt den Abwicklungs-

prozess vom Fachhändler bis zur

Fertigung und bietet zusätzlich

Schutz vor Fehlern, verkürzt die

Lieferzeit und erhöht die Liefer-

treue. Über QR-Codes an den

Produkten können die Fachpart-

ner vor Ort zudem komfortabel

relevante Auftragsinformationen

für zukünftige Ersatz-, Ergän-

zungs- und Serviceleistungen

auslesen. Und nicht zuletzt sind

auch viele der Produkte selbst

dank intelligenter Steuerungs-

lösungen Teil eines modernen

Smart Homes und damit nutzer-

freundlich und zukunftsfähig.

Teil der

Wachstumsstrategie

„Wir sind sehr zufrieden mit

dem erreichten Stand. Jeder neue

Schritt hilft uns dabei, unser Ge-

schäft weiter auszubauen und

uns kontinuierlich zu verbes-

sern“, sagt Angelique Renkhoff-

Mücke, Tochter des Firmengrün-

ders Hans-Wilhelm Renkhoff.

„Als einer der größten Arbeitge-

ber in der Umgebung fühlen wir

uns verantwortlich für die Men-

schen, denn vom Erfolg unseres

Unternehmens hängt für fast alle

hier sehr viel ab. Umso wichti-

ger ist es für mich, unser Famili-

enunternehmen erfolgreich und

sicher in die nächste Generation

zu führen.“

Mitarbeiter gewinnen

und qualifizieren

Die Technikaffinität ist in dem

Unternehmen, das neben der

Produktion von Sonnenschutz

und Steuerungssystemen auch

auf dem Gebiet der Kunststoff-

technik und des Maschinen-

baus tätig ist, Bestandteil der

Unternehmenskultur.

Ange-

lique Renkhoff-Mücke hält en-

gen Kontakt mit den Mitarbei-

tern ihres Unternehmens. Sie

schätzt die Nähe zur Basis, weiß

Warema (3)

Die Automatisierung des Pulverbeschichtungsprozesses ist dank der

hochentwickelten Software weit fortgeschritten.

Das Manufacturing Execution

System (MES) vernetzt die

Spritzgießmaschinen und bietet

jederzeit eine Übersicht aller

Maschinen.