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ie Sie an gefühlt tausend Stellen im RTS Magazin lesen können, aber auch sel-
ber sicher schon wissen: Große Fensterfronten liegen voll imTrend. Am liebsten
sitzt man sowohl beruflich als auch privat gerne in einem Gebäude mit so viel Glas
wie möglich. Das ist natürlich gut für unsere Branche, da schließlich eine dementspre-
chende Beschattung vonnöten ist, die das ganze Jahr rund um die Uhr für ein ange-
nehmes Klima in den Räumlichkeiten sorgt. So sollte es theoretisch zumindest sein.
Dass das in der Praxis durchaus mal anders sein kann, konnte ich vor kurzem
am eigenen Leib erfahren. Freunde von mir haben nach endlos langer Suche end-
lich den Zuschlag für ein Grundstück erhal-
ten, um ihren ganz persönlichen Wohntraum
zu errichten. Während des Bauvorhabens gab
es selbstverständlich das übliche Theater, von
dem ich mir in regelmäßigen Abständen ge-
duldig berichten ließ. Ganz weit vorne war in
diesem Fall, dass die Gewerke nicht sinnvoll
koordiniert wurden und natürlich, dass alles
wesentlich teurer wurde, als vorab angenom-
men. Nach einigen Monaten war der Archi-
tekten-Traum endlich fertig, so dass die Fami-
lie einziehen und ich mir das Ganze mal anse-
hen konnte.
Auf den ersten Blick stand fest: Gelungen.
Weitläufig geschnitten und Glas – soweit das
Auge reicht! Bei Kaffee und Kuchen ließ ich
mir erzählen, was alles noch fehlt oder nicht
so geworden ist, wie es sollte. Ein bis dahin
nicht erwähntes Manko zeigte sich bereits in-
nerhalb der ersten halben Stunde, in der ich
auf dem Sofa saß: Das war ganz schön warm
da. „Was habt Ihr denn für einen Sonnenschutz gewählt?“, wollte ich wissen. Betre-
tendes Schweigen, bevor ein „Den haben wir leider nicht“ folgte. Meinen fassungs-
losen Blick richtig wertend, kam gleich die Erklärung dazu: „Das wurde bei den Pla-
nungen nicht erwähnt. Uns war nur wichtig, dass es in den Schlafzimmern etwas zum
Abdunkeln gibt.“ Ich finde das von Seiten der Planer nicht erstaunlich, sondern fahr-
lässig. Jetzt sitzen sie in einer Architekten-Traum-Sauna und haben fürs Nachrüsten
vorerst kein Geld mehr.
Aber Not macht ja bekanntermaßen erfinderisch, so dass die Familie schon ih-
ren ganz eigenen Hitze-Überlebens-Plan entwickelt hat. Der sieht so aus, dass die
Nutzung der Zimmer eben nach den klimatischen Bedingungen ausgerichtet wird,
die draußen herrschen. „Am Laptop gearbeitet wird morgens in der Küche und ab
mittags am Esstisch im Wohnzimmer“, wurde mir berichtet. Der Fernseher für den
Sonntagsabend-Krimi wurde auf ein rollbares Gestell montiert, um je nach Lichtein-
fall an welchem Platz auch immer eingeschaltet zu werden. Und zur Krönung haben
sie Sitzsäcke angeschafft, auf denen sie sich vom anstrengenden Wohnen im Archi-
tekten-Traum in einem abgelegenen Winkel ihres Zuhauses erholen können, wenn
das Sofa aufgrund der Wärmeentwicklung im Wohnzimmer nicht nutzbar ist. Diese
mobile Sitzmöglichkeit folgt übrigens auch vortrefflich dem Fernseher beim Sonne-
und-Wärme-Versteckspiel.
Schön ist, dass diese Familie ziemlich viel Humor hat und der Meinung ist, dass
sie sich davon nun wirklich nicht die Freude an ihrem Haus vermiesen lassen werden.
Ich wünsche Ihnen, dass ihr eingeschlagener Sparkurs reicht, um die Glasfronten in
Kürze unter Kontrolle zu bringen. Falls nicht fürchte ich mich ein wenig vor einem
Besuch in der Winterzeit. Dann wird ihnen u. a. sicher auffallen, dass spätestens ab 17
Uhr jeder Passant bis in den hintersten Winkel ihres Wohntraums gucken kann.
Beste Grüße
Maren Meyerling
m.meyerling@verlagsanstalt-handwerk.deEin Traummit Glas
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