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Markt

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RTS-Magazin 2/2017

Vertrieb und Controlling,

Entwicklung und Beschaf-

fung – zwei Beispiele von

vielen innerhalb des Un-

ternehmens, in denen Ab-

teilungen eigene Sprachen

sprechen, von verschie-

denen Interessen ausge-

hen. Nicht nur Schnittstel-

len zwischen Abteilungen

sind ein klassisches Feld

für Konflikte im betrieb-

lichen Alltag. Verände-

rungsprozesse im Unter-

nehmen bringen ebenso

Spannungen mit sich, wie

beispielsweise Interessen-

kollisionen mit Lieferanten

oder externen Dienstleis-

tern. Trotz all dieser Stol-

persteine ist es wichtig,

die Beziehungen zu allen

Stakeholdern (Mitarbei-

tern, Kunden, Lieferanten

etc.) wertschätzend zu gestalten und das

Reibungspotenzial sowie die Konfliktkos-

ten möglichst gering zu halten. Um dies

zu erreichen, benötigen alle Beteiligten Fä-

higkeiten, die unter dem Begriff „mediative

Kompetenz“ zusammen-

gefasst werden.

Gespräche mit exter-

nen Dienstleistern, bei-

spielsweise im EDV-Be-

reich, bringen nicht das

gewünschte Ergebnis, Jah-

resgespräche mit Lieferan-

ten sind nur noch ein wie-

derkehrendes Ritual ohne

Ergebnis und eine offene

Kommunikation mit poli-

tischen Interessensgrup-

pen findet nicht statt, weil

es am gegenseitigen Ver-

ständnis fehlt. Diese Si-

tuationen kosten die Be-

teiligten nicht nur Ner-

ven, sondern in der Regel

auch viel Geld. Viele Milli-

onen Euro verlieren deut-

sche Unternehmen jähr-

lich an Konfliktkosten – im

einzelnen Unternehmen beläuft sich die

Summe je nach Größe auf mehrere hun-

derttausende Euro. Die höchsten Kosten

verursachen verschleppte und gescheiterte

Projekte, wie die Wirtschaftsberatungsge-

sellschaft KPMG in einer gemeinsamen

Studie mit den Hochschulen in Regens-

burg und Bern bereits 2009 ermittelte. Je-

des zweite von den 4000 untersuchten Un-

Gestärkt in konflikthaften Zeiten

ternehmen gab an, durch

den Verlust oder die Verzö-

gerung von Projekten unge-

plant 50 000 Euro pro Jahr zu

verlieren, bei jedem zehnten

Unternehmen addierte sich

die Ausfallsumme sogar auf

500 000 Euro. Auch die wei-

teren Zahlen sind erschre-

ckend: So kostet ein Team-

konflikt mit Mobbing im

Vertrieb ein Unternehmen

beispielsweise über 400 000

Euro, und wenn sich in ei-

nem Industriebetrieb die

Betriebsleitung laufend mit

Mitarbeitern und Betriebsrat

streitet, steigen die Konflikt-

kosten ins Unermessliche.

Kein Wunder also, dass

immer mehr Unternehmen

in Konfliktmanagement in-

vestieren und das Stärken

der mediativen Kompetenz

der leitenden Angestellten mittlerweile

als wichtigen Bestandteil der Prozessop-

timierung ansehen. Schließlich stellt eine

nachhaltige und wertorientierte Unterneh-

mensführung einen hohen Anspruch an

das Führungspersonal und

dessen mediative Kompe-

tenz. Diese wirkt präventiv

mit dem Ziel, Verantwortung

für das eigene Auftreten und

Handeln zu übernehmen.

Der Ausbau der mediativen

Kompetenz in einem Unter-

nehmen bedeutet gleichzei-

tig den Aufbau einer neuen

Kooperationskultur.

Erste

Schritte in diese Richtung

sind klare Signale wie das

Einführen einer Feedback-

Kultur und beispielsweise

Workshops zur Teament-

wicklung.

Die Eskalation

verhindern

Wäre es nicht schön, wenn

sich im Konfliktfall die Es-

kalation verhindern ließe, man so respekt-

voll miteinander umginge, dass nur krea-

tive Reibung entstünde und echte Interes-

senskonflikte als solche akzeptiert werden,

unabhängig von persönlichen Animositä-

ten? Nötig dazu sind ein veränderter Blick

auf Konflikte, ein offener Umgang mit kri-

tischen Situationen und eine transparente

Konfliktbearbeitung.

Interessensdivergenzen sind unaus-

weichlich und müssen in der täglichen

Kommunikation inner- wie außerbetrieb-

lich berücksichtigt werden. Konfliktmana-

ger im Unternehmen müssen also mehr

denn je in der Lage sein, Interessen zu klä-

ren, bzw. gemeinsame Interessen zu finden

für eine gelingende Zusammenarbeit. Diese

so genannte Interessenbasierte Kommu-

nikation hilft bei der Vorbereitung und der

Gestaltung konstruktiver Gespräche.

Im Konfliktfall werden ja nach außen

Positionen, reine Standpunkte, zum Teil ve-

hement vertreten. Im Kern verbirgt sich da-

hinter ein (Grund-)Bedürfnis, das von den

Betroffenen meist selbst nicht erkannt wird.

Solange alle Beteiligten lediglich auf ihren

Positionen beharren, ist eine Klärung meist

nicht möglich, die Uneinigkeit verschärft

sich, der Ton wird rauer und der Konflikt

beginnt zu eskalieren. Zwischen Position

und Bedürfnis liegt die Ebene der Interes-

sen, die sich erkunden lassen. Richtig er-

kannt und formuliert sind sie der Schlüssel

zu Konfliktklärung und -prävention.

Feedback-Kultur aufbauen

Interessen in den Fokus zu rücken, das mag

in der alltäglichen Kommunikation im Be-

trieb schwerfallen. Die Aufmerksamkeit

lässt sich aber schulen, etwa durch das Ein-

führen einer Feedback-Kultur. Feedback

bedeutet Rückmeldung – geschult wird

eine bewusste Form der Rückmeldung, die

mit Beispielen die Wirkung einesVerhaltens

beschreibt, ohne das Gegenüber zu verur-

teilen. Führungskräfte wie Mitarbeiter üben

in entsprechenden Seminaren diese res-

pektvolle, förderliche Form der Rückmel-

dung, sie lernen dabei, ihre Wahrnehmung

zu schärfen, Feedback-Gespräche vorzube-

reiten, bestätigende ebenso wie auf Verän-

derung zielende Kritik anzunehmen.

Weil Reibungen Teil des Unternehmen-

salltags sind, stehen neben den Kommu-

nikations- auch die Konfliktfähigkeiten im

Zentrum. Konflikte im Team oder mit ei-

nem Mitarbeiter lösen bei den Beteiligten

teilweise Angst und Stress aus. Zunächst

werden sie deshalb häufig gar nicht erst

wahrgenommen, bzw. verdrängt, bis sie

sichtbar eskaliert sind. Selbst dann wird

die Auseinandersetzung mit den Konflik-

ten möglichst vermieden, da sie nicht sel-

ten als persönliche Führungsschwäche in-

terpretiert werden. Sie werden als Störung,

Risiko, als Bedrohung und unangenehm er-

lebt. Konflikte entstehen jedoch im Kopf,

sie sind häufig Konstrukte der persönlichen

Wahrnehmung.

Weiss

Walter Stenzel ist Diplom-

Volkswirt und hat langjährige

Erfahrung im Topmanagement

im Handel. Seit 2001 ist er

Managementberater, Coach und

Wirtschaftsmediator.

Als Wirtschaftsmediatorin ist

Maxi Weiss auf Konfliktklärung

spezialisiert und bietet in

mittelständischen Unternehmen

Teamentwicklung,

Supervision, Mediation und

Führungscoaching an.

Stenzel