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FASSADE 2/2019
TECHNIK
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Objekte
Die fünf Einzelgebäude des King Abdulaziz
Center for World Culture sollten nach den
Architektenplänen wie „blanke Kieselstei-
ne” in der Sonne glänzen. Um das optisch
zu realisieren, setzte Fassadenbauspezialist
Seele auf eine Gebäudehülle als vollständi-
ge Freiformfläche mit tausenden räumlich
gebogenen Edelstahlrohren über eine Ge-
samtfläche von 30000 Quadratmetern. Teil-
weise ragen die spektakulären, dreidimen-
sionalen Freiformen bis zu 90 Meter in den
Himmel.
Kieselsteine in der Wüste
Außergewöhnliche Stahlrohr-Fassade mitten in Saudi-Arabien
Eine konstruktiv und ästhetisch anspruchsvolle Fassade komplett aus Edelstahlrohren
sah der Entwurf des Architekturbüros Snøhetta für das außergewöhnliche Projekt
King Abdulaziz Center for World Culture im Herzen der saudi-arabischen Ölfelder vor.
Mit Hilfe modernster Informationstechniken und Softwarelösungen konnte die Seele
Unternehmensgruppe (Gersthofen) das herausfordernde Projekt umsetzen.
Jedes Rohr eine einzigartige
Konstruktion
Als Unterkonstruktion der Rohre diente ei-
ne wetterdichte, elementierte Gebäudehül-
le, beplankt mit Stehfalzblechen zur Befes-
tigung der Edelstahlrohre. Die Rohre sind
auf sogenannten Pins befestigt, die die un-
terschiedlichen Bewegungen zwischen der
Gebäudehülle und den Rohren ausglei-
chen. Um die organische Form des Gebäu-
des umzusetzen, ist jedes der etwa 70000
Edelstahlrohre geometrisch einzigartig. Die
Referenz für Geometrie, Konstruktion, Fer-
tigung, Maßkontrolle und Montage ist die
virtuelle Mittellinie im Rohr. Der Abstand
zwischen den dreidimensional gebogenen
Rohren beträgt exakt 10 Millimeter. Je nach
späterer Einbauposition mussten die Roh-
re entsprechend gekennzeichnet, gebogen
und teilweise für die Fensterverschattung
zusätzlich in einem technisch komplexen
Verfahren gequetscht werden.
Softwarelösung für Biegemaschinen
Da eine derartige geschossüberspannende
Edelstahlrohrfassade noch nie umgesetzt
wurde, waren zahlreiche Tests sowie eine
spezielle Programmierung der Freiform-
biegemaschinen für das Biegen und Ver-
messen notwendig. Bei anfänglichen Tests
kam bei vier Versuchen ein korrekt gebo-
genes Rohr heraus. Um den Ausschuss ge-
gen Null zu reduzieren, wurde eine speziel-
le Software für die Biege- und Messmaschi-
nen entwickelt, so dass diese miteinander
korrespondieren und voneinander lernen.
Dadurch konnte die Fehlproduktion auf un-
ter drei Prozent reduziert werden. Bei die-
sem Projekt entwickelte Seele somit nicht
nur die konstruktive Lösung, sondern auch
die Softwareapplikation der selbstlernenden
Maschine.
Perfekt geplante Logistik
Auch die exakte Einbaureihenfolge wur-
de im Vorfeld mittels Simulation am Com-
puter festgelegt. Somit ergab sich für jedes
Rohr eine individuelle Gebrauchsanleitung
in Form von präzisen QR-Codes und La-
sergravuren, die automatisch auf jedes Rohr
aufgebracht wurden. Mithilfe der QR-Codes
konnten die Rohre durch das Montageteam
vor Ort ganz leicht via Scanner identifiziert
und die Position durch das 3D-Modell am
Gebäude bestimmt werden. Das Ergebnis
überzeugt aus jeder Perspektive: Die Hülle
des King Abdulaziz Centers schmiegt sich
an das Gebäude, zeigt harmonische Run-
dungen und perfekt parallel verlaufende
Rohre.
Objekttafel
Projekt:
King Abdulaziz Center for World
Culture (Saudi-Arabien)
Architekturbüro:
Snøhetta (Oslo/Norwegen)
Fassadenhersteller:
Seele Unternehmensgruppe (Gersthofen)
Fertigstellung:
2017
Foto:
© Diemo Schillack/Seele
Foto:
© Michael Vogt/Seele
Die Assoziation zu in der
Sonne schimmernden
Kieselsteinen ist gelungen.
Die außergewöhnliche und bislang auch
einmalige Fassadenkonstruktion inmitten der
saudi-arabischen Wüste.