TECHNIK
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Fachbeitrag
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FASSADE 4/2017
genformen, als Sichtschutz oder star-
rer Sonnenschutz und als gestalterische,
massive 3D-gefräste Natursteinwerk
stücke.
Klinkerfassaden
Ziegel und Klinker basieren aufgrund des
Herstellungsprozesses traditionell auf fest-
gelegten Steinformaten. Für die große Mas-
se der als Mauersteine verwendeten Ziegel
ist dies absolut notwendig. Im Fassaden-
bau hingegen wurden auch bereits zu his-
torischen Gebäuden Sonderformen auch
für Ziegel und Klinker, zum Beispiel als
Schmuckelemente erstellt.
Während die Natursteinwerkstücke in ihren
Maßen millimetergenau an die Fassade an-
gepasst werden, muss eine Klinkerfassade
von Beginn an gemeinsam mit dem Rohbau
auf Basis der Rastervorgaben des gewählten
Klinkersteinformates geplant werden. Die-
se Rastervorgaben haben Auswirkungen auf
die Rohbauabmessungen und auf das Zu-
sammenspiel zwischen geschlossenen und
transparenten Fassadenflächen.
Die Planung der Klinker- und Ziegelstei-
ne für Objektlösungen im Detail wird der-
zeit noch nicht wie bei anderen Materiali-
en (Naturstein, Keramik, Architekturbeton)
von den ausführenden oder herstellen-
den Unternehmen erbracht. Auch die aus-
führenden Maurerbetriebe erbringen keine
Planungsleistung. Diese Lücke könnte der
Fassadenbauer schließen und so die Fassa-
de besonderer Objekte ganzheitlich anbie-
ten und ausführen. Sonderkonstruktionen
im Klinker- und Ziegelbau sind zum Bei-
spiel:
– Aufmauern von Klinkerfassaden über
mehrere Geschosse, ohne die üblichen
Abfangungen je Geschoss. Konventio-
nelles Aufmauern mehrerer Geschos-
se, wodurch die Kosten für die Abfan-
gungen und Rückverankerungen in den
Geschossen dazwischen
wesentlich reduziert
werden. Eine aufgemau-
erte Klinkerfassade wirkt
immer authentischer als
eine je Geschossdecke
abgefangene Klinker-
konstruktion. Deutlich
ablesbare Dehnfugen in
Klinkerfassaden, zum
Beispiel in den Abfange-
benen, zeigen ansons-
ten deutlich, dass es sich um eine vorge-
hängte Fassade handelt.
– Erstellen von Klinkerfassaden aus Son-
derklinkerformen, basierend auf dem
Raster eines üblichen Steinformates.
Beispielsweise konvex und konkav ge-
formte Rundungen im Klinker, um or-
ganische Fassadenflächen zu erstellen.
Hier ergibt sich die Möglichkeit, an der
Fassade ablesbare Formen auch im De-
tail am einzelnen Klinkerstein wiederzu-
finden. Das Resultat ist ein individuelles
Erscheinungsbild der Fassade, mithin ein
unverwechselbares, markantes Gebäude
mit sehr hohemWiedererkennungswert.
Keramikfassaden
Sonderformen in Keramikfassaden ver-
bindet man zu Recht zunächst mit Künst-
lerarchitekten wie Friedensreich Hundert-
wasser. Doch werden auch zu den Stan-
dardprodukten
viele
Sonderlösungen
ausgeführt, zum Beispiel als Eckelemen-
te und Randabschlüsse. Auch im Bereich
Keramik sind viele Sonderkonstruktionen
möglich, beispielsweise der Einbau von Ke-
ramikelementen (Standard- und Sonder-
formen) in Elementfassaden ebenso, wie
das Einlegen von Keramiksonderformen
in Betonfertigteile. Diese Sonderkonstruk-
tionen beruhen vor allem auf Überlegun-
gen zur Baustellenlogistik und zur Monta-
gefreundlichkeit und sind eher wirtschaft-
lichen Aspekten geschuldet. Eher selten,
aber dafür umso interessanter und indivi-
dueller, sind Fassadenkonstruktionen, wel-
che grundlegend auf Sonderformen basie-
ren.
Der Kreativität der Architekten sind dabei
kaum Grenzen gesetzt, denn die Einhal-
tung der produktionsbedingt maximalen
Abmessungen der einzelnen Keramiken
lassen sich durch entsprechende Fugentei-
lungen einhalten.
Wie bei den Klinkerfassaden auch, lassen
sich grundsätzliche Gestaltungsformen der
Fassade bis in das Einzelbauteil der Keramik
fortführen. Keramiken können einerseits
durch eine naturbelassene Oberfläche einen
sehr natürlichen Charakter haben und an-
dererseits durch verschiedene Farbglasuren
und Strukturen einen sehr lebendigen Ein-
druck vermitteln.
Durch unterschiedliche Farbgebungen an
einem beweglichen Fassadenkeramikele-
ment lassen sich an der Fassade unter-
schiedliche Eindrücke erzeugen. Im zu-
gänglichen erdgeschossigen Bereich zum
Beispiel würde der Besucher dazu animiert,
durch den Wechsel der Farbe oder Form ei-
nes solchen Keramikelementes, die Fassade
ständig verändert wahrzunehmen.
Fazit
Das Interessante an Sonderformen ver-
schiedener Materialität ist, dass sie wirk-
lich objektbezogen und damit individuell
sind. Solche Sonderformen werden oft für
den Auftraggeber oder den für den Entwurf
verantwortlichen Architekten geschützt,
quasi als Markenzeichen. Ziel in der De-
tailplanung von Sonderformen ist bei al-
len Materialien zur Umsetzung des Ge-
staltungswillens möglichst wenige Einzel-
formen zu benötigen. Das Einrichten einer
Sonderform ist mit Mehrkosten verbunden,
die Herstellung des Sonderelementes ist
dann nicht mehr wesentlich teurer als die
Herstellung eines Standardelementes, ja sie
kann sogar wirtschaftlicher sein.
Martina Walpi ist
Architektin und
Fachberaterin für
Fassadentechnik. Gemeinsam mit Petar Reich
ist sie Inhaberin des Ingenieurbüros a..t..f
architektur technik fassade in Frankfurt a. M.
und Mitglied im UBF – Unabhängige Berater für
Fassadentechnik e.V.
Aufgemauerte Hochhausfassade: Vom EG
bis
5.OGohne Abfangungen gemauert,
Nachweis über statische Berechnung.
und ist sogar bei Statikern und Prüfstatikern in Vergessenheit geraten – ein Grund mehr, diese
Sonderkonstruktion wieder häufiger anzuwenden.
- Erstellen von Klinkerfassaden aus Sonderklinkerformen, basierend auf dem Raster eines üblich
Steinformates.
Beispielsweise konvex und konkav geformte Rundungen im Klinker, um organische Fassadenfläc
zu erstellen. Hier ergibt sich die Möglichkeit, an der Fassade ablesbare Formen auch im Detail a
einzelnen Klinkerstein wiederzufinden. Das Resultat ist ein individuelles Erscheinungsbild der
Fassade, mithin ein unverwechselbares, markantes Gebäude mit sehr hohem Wiedererkennungs
Aufgemauerte Fassade mit Sonderklinkerformen
Nachweis über statische Berechnung
Schnittzeichnung einer Kli kerfassade.