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FASSADE 4/2017

TECHNIK

|

Interview

„Fachgerechte Ausführung ist beim

Brandschutz das A und O“

Im Gespräch mit Ralf Pasker (VDPM)

Vor dem Hintergrund des aktuellen Brandfalls in London sowie zunehmender Verunsicherung

beim Thema Gebäudedämmung in Deutschland hat die Redaktion der FASSADE den Dämm-

Experten Ralf Pasker (Geschäftsführer Dämmsysteme des Verbands für Dämmsysteme, Putz und

Mörtel e.V. (VDPM) befragt.

FASSADE: Mit dem Hochhausbrand in London

ist das Thema Fassadendämmung auch in

Deutschland wieder aktueller denn je. Kann

ein solcher Brand auch in Deutschland

geschehen?

Ralf Pasker:

Zunächst beteiligen wir uns

nicht an Spekulationen. Wir warten die Un-

tersuchungsberichte ab und werden prüfen,

inwiefern sich daraus Rückschlüsse erge-

ben. Jedoch scheint festzustehen: Am Gren-

fell Tower war kein WDVS und EPS-Dämm-

stoff angebracht. Das gilt auch für das eva-

kuierte Hochhaus in Wuppertal, das Ende

der 1960er Jahre erbaut wurde als noch kei-

ne Brandschutzvorgaben wie heute exis-

tierten. Hier bestand die Fassade aus einem

hinterlüfteten System mit Holzunterkon-

struktion und einer Kunststoffverkleidung

als Abschluss; im Zwischenraum zwischen

der Betonwand und den Kunststoffplat-

ten fand sich ein holzwolleartiges, schein-

bar loses, Material. Die Feuerwehr hat fest-

gestellt, dass dieses Material brennbar ist. In

Deutschland wurde 1981 die erste Muster-

Hochhausrichtlinie MHHR veröffentlicht,

die nach und nach auch in die Landesbau-

ordnungen (LBO) integriert wurde. Seither

sind an Hochhäusern (> 22 m) nur nicht-

brennbare Außenwandbekleidungen nach

deutschem Baurecht zulässig.

FASSADE: Wie ist der Brandschutz von Gebäu-

den in Deutschland geregelt – speziell für

WDV-Systeme?

Ralf Pasker:

Hier gelten die Bestimmungen

der jeweiligen Landesbauordnungen. Die

entsprechenden Brandschutzmaßnahmen

sind nach Gebäudehöhe und Nutzungsart

gestaffelt (siehe Tabelle 1). Sie orientieren

sich am Risiko, insbesondere an der Frage:

Wie schnell können sich Bewohner selbst

in Sicherheit bringen oder wie können Ret-

tungskräfte Personen evakuieren? Dazu

wird die Brandweiterleitung auf höchstens

zwei Geschosse im Gebäude begrenzt.

FASSADE: Sind Dämmsysteme im Brandfall

sicher?

Ralf Pasker:

Eine hundertprozentige Sicher­

heit wird es nicht geben, unabhängig von

der Fassadenart. Bei WDVS gilt neben der

zwingenden Berücksichtigung der bau-

rechtlichen Anforderungen (s.u.) grundsätz-

lich die fachgerechte und im System blei-

bende Ausführung durch ein qualifiziertes

Fachunternehmen als wichtigstes Kriteri-

um. Wird ein schwerentflammbares WDVS

mit EPS als Dämmstoff verwendet, sind

seit Anfang 2016 die beiden neu geschaffe-

nen Schutzzonen „Brand von außen“ (So-

ckelbrand) und „Brand von innen“ (Raum-

brand) maßgebend für die einzubauenden

Brandschutzmaßnahmen, insbesondere An-

zahl und Lage der umlaufenden Brandrie-

gel. Erhöhten Brandschutz bietet natürlich

ein WDVS mit nicht brennbarem Dämm-

stoff wie Mineralwolle oder Mineralschaum

(Übersicht s. Tabelle 2).

FASSADE: Unsicherheit herrscht vor allem

bei Bestandsimmobilien, für die die aktuellen

Sicherheitsstandards noch nicht galten. Das

hat man kürzlich auch bei der Hochhausevaku-

ierung in Wuppertal gesehen. Was empfehlen

Sie Immobilienbesitzern bzw. Städten und

Kommunen?

Ralf Pasker:

Viele ältere Gebäude wurden

mit schwerentflammbaren WDVS ausge-

Ralf Pasker ist Geschäftsführer Dämmsysteme

des VDPM – Verband für Dämmsysteme, Putz

und Mörtel e.V.

„Fachgerechte Ausführung ist das A und O“

Im Gespräch mit Ralf Pasker (VDPM)

Vor dem Hintergrund des aktuellen Brandfalls in London sowie zunehmender

Verunsicherung beim Thema Gebäudedämmung Deutschland hat die Redaktion der

FASSADE den Dämm-Experten Ralf Pasker (G schäftsführer Dämmsysteme des Verbands

für Dämmsysteme, Putz und Mörtel e.V. (VDPM) befragt.

FASSADE: Mit dem Hochhausbrand in London ist das Thema Fassadendämmung

auch in Deutschland wieder aktueller denn je. Kann ein solcher Brand auch in

Deutschland geschehen?

Ralf Pasker: Zunächst beteiligen wir uns nicht an Spek lati e . Wir warten die

Untersuchungsberichte ab und werden prüfen, inwiefern sich daraus Rückschlüsse ergeben.

Jedoch scheint festzustehen: Am Grenfell Tower war kein WDVS und EPS-Dämmstoff

angebracht. Das gilt auch für das evakuierte Hochhaus in Wuppertal, das Ende der 60er

Jahre erbaut wurde als noch keine Brandschutzvorgaben wie heute existierten. Hier bestand

die Fassade aus einem hinterlüfteten System mit Holzunterkonstruktion und einer

Kunststoffverkleidung als Abschluss; im Zwischenraum zwischen der Betonwand und den

Kunststoffplatten fand sich ein holzwolleartiges, scheinbar loses, Material. Die Feuerwehr hat

festgestellt, dass dieses Material brennbar ist. In Deutschland wurde 1981 die erste Muster-

Hochhausrichtlinie MHHR veröffentlicht, die nach und nach auch in die Landesbauordnungen

(LBO) integriert wurde. Seither sind an Hochhäusern (> 22 m) nur nichtbrennbare

Außenwandbekleidungen nach deutschem Baurecht zulässig.

FASSADE: Wie ist der Brandschutz von Gebäuden in Deutschland geregelt – speziell

für WDV-Systeme?

Ralf Pasker: Hier gelten die Bestimmungen der jeweiligen Landesbauordnungen. Die

entsprechenden Brandschutzmaßnahmen sind nach G bäudehöhe und Nutzungsart

gestaffelt (siehe Tabelle). Sie orientieren sich am Risiko, insbesondere an der Frage: Wie

schnell können sich Bewohner selbst in Sicherheit bring n od r wie können Rettungskräfte

Personenevakuieren? Dazu wird die Brandweiterleitung auf höchstens zwei Geschosse im

Gebäude begrenzt.

Tabelle 1: Baurechtliche Anforderungen an die Dämmung (bitte Layout)

FASSADE: Sind Dämmsysteme im Brandfall sicher?

Ralf Pasker: Eine 100%ige Sicherheit wird es nicht geben, unabhängig von der Fassadenart.

Tabelle 1: Baurechtliche Anforderungen an die Dämmung.