22
FASSADE 4/2017
TECHNIK
|
Interview
„Fachgerechte Ausführung ist beim
Brandschutz das A und O“
Im Gespräch mit Ralf Pasker (VDPM)
Vor dem Hintergrund des aktuellen Brandfalls in London sowie zunehmender Verunsicherung
beim Thema Gebäudedämmung in Deutschland hat die Redaktion der FASSADE den Dämm-
Experten Ralf Pasker (Geschäftsführer Dämmsysteme des Verbands für Dämmsysteme, Putz und
Mörtel e.V. (VDPM) befragt.
FASSADE: Mit dem Hochhausbrand in London
ist das Thema Fassadendämmung auch in
Deutschland wieder aktueller denn je. Kann
ein solcher Brand auch in Deutschland
geschehen?
Ralf Pasker:
Zunächst beteiligen wir uns
nicht an Spekulationen. Wir warten die Un-
tersuchungsberichte ab und werden prüfen,
inwiefern sich daraus Rückschlüsse erge-
ben. Jedoch scheint festzustehen: Am Gren-
fell Tower war kein WDVS und EPS-Dämm-
stoff angebracht. Das gilt auch für das eva-
kuierte Hochhaus in Wuppertal, das Ende
der 1960er Jahre erbaut wurde als noch kei-
ne Brandschutzvorgaben wie heute exis-
tierten. Hier bestand die Fassade aus einem
hinterlüfteten System mit Holzunterkon-
struktion und einer Kunststoffverkleidung
als Abschluss; im Zwischenraum zwischen
der Betonwand und den Kunststoffplat-
ten fand sich ein holzwolleartiges, schein-
bar loses, Material. Die Feuerwehr hat fest-
gestellt, dass dieses Material brennbar ist. In
Deutschland wurde 1981 die erste Muster-
Hochhausrichtlinie MHHR veröffentlicht,
die nach und nach auch in die Landesbau-
ordnungen (LBO) integriert wurde. Seither
sind an Hochhäusern (> 22 m) nur nicht-
brennbare Außenwandbekleidungen nach
deutschem Baurecht zulässig.
FASSADE: Wie ist der Brandschutz von Gebäu-
den in Deutschland geregelt – speziell für
WDV-Systeme?
Ralf Pasker:
Hier gelten die Bestimmungen
der jeweiligen Landesbauordnungen. Die
entsprechenden Brandschutzmaßnahmen
sind nach Gebäudehöhe und Nutzungsart
gestaffelt (siehe Tabelle 1). Sie orientieren
sich am Risiko, insbesondere an der Frage:
Wie schnell können sich Bewohner selbst
in Sicherheit bringen oder wie können Ret-
tungskräfte Personen evakuieren? Dazu
wird die Brandweiterleitung auf höchstens
zwei Geschosse im Gebäude begrenzt.
FASSADE: Sind Dämmsysteme im Brandfall
sicher?
Ralf Pasker:
Eine hundertprozentige Sicher
heit wird es nicht geben, unabhängig von
der Fassadenart. Bei WDVS gilt neben der
zwingenden Berücksichtigung der bau-
rechtlichen Anforderungen (s.u.) grundsätz-
lich die fachgerechte und im System blei-
bende Ausführung durch ein qualifiziertes
Fachunternehmen als wichtigstes Kriteri-
um. Wird ein schwerentflammbares WDVS
mit EPS als Dämmstoff verwendet, sind
seit Anfang 2016 die beiden neu geschaffe-
nen Schutzzonen „Brand von außen“ (So-
ckelbrand) und „Brand von innen“ (Raum-
brand) maßgebend für die einzubauenden
Brandschutzmaßnahmen, insbesondere An-
zahl und Lage der umlaufenden Brandrie-
gel. Erhöhten Brandschutz bietet natürlich
ein WDVS mit nicht brennbarem Dämm-
stoff wie Mineralwolle oder Mineralschaum
(Übersicht s. Tabelle 2).
FASSADE: Unsicherheit herrscht vor allem
bei Bestandsimmobilien, für die die aktuellen
Sicherheitsstandards noch nicht galten. Das
hat man kürzlich auch bei der Hochhausevaku-
ierung in Wuppertal gesehen. Was empfehlen
Sie Immobilienbesitzern bzw. Städten und
Kommunen?
Ralf Pasker:
Viele ältere Gebäude wurden
mit schwerentflammbaren WDVS ausge-
Ralf Pasker ist Geschäftsführer Dämmsysteme
des VDPM – Verband für Dämmsysteme, Putz
und Mörtel e.V.
„Fachgerechte Ausführung ist das A und O“
Im Gespräch mit Ralf Pasker (VDPM)
Vor dem Hintergrund des aktuellen Brandfalls in London sowie zunehmender
Verunsicherung beim Thema Gebäudedämmung Deutschland hat die Redaktion der
FASSADE den Dämm-Experten Ralf Pasker (G schäftsführer Dämmsysteme des Verbands
für Dämmsysteme, Putz und Mörtel e.V. (VDPM) befragt.
FASSADE: Mit dem Hochhausbrand in London ist das Thema Fassadendämmung
auch in Deutschland wieder aktueller denn je. Kann ein solcher Brand auch in
Deutschland geschehen?
Ralf Pasker: Zunächst beteiligen wir uns nicht an Spek lati e . Wir warten die
Untersuchungsberichte ab und werden prüfen, inwiefern sich daraus Rückschlüsse ergeben.
Jedoch scheint festzustehen: Am Grenfell Tower war kein WDVS und EPS-Dämmstoff
angebracht. Das gilt auch für das evakuierte Hochhaus in Wuppertal, das Ende der 60er
Jahre erbaut wurde als noch keine Brandschutzvorgaben wie heute existierten. Hier bestand
die Fassade aus einem hinterlüfteten System mit Holzunterkonstruktion und einer
Kunststoffverkleidung als Abschluss; im Zwischenraum zwischen der Betonwand und den
Kunststoffplatten fand sich ein holzwolleartiges, scheinbar loses, Material. Die Feuerwehr hat
festgestellt, dass dieses Material brennbar ist. In Deutschland wurde 1981 die erste Muster-
Hochhausrichtlinie MHHR veröffentlicht, die nach und nach auch in die Landesbauordnungen
(LBO) integriert wurde. Seither sind an Hochhäusern (> 22 m) nur nichtbrennbare
Außenwandbekleidungen nach deutschem Baurecht zulässig.
FASSADE: Wie ist der Brandschutz von Gebäuden in Deutschland geregelt – speziell
für WDV-Systeme?
Ralf Pasker: Hier gelten die Bestimmungen der jeweiligen Landesbauordnungen. Die
entsprechenden Brandschutzmaßnahmen sind nach G bäudehöhe und Nutzungsart
gestaffelt (siehe Tabelle). Sie orientieren sich am Risiko, insbesondere an der Frage: Wie
schnell können sich Bewohner selbst in Sicherheit bring n od r wie können Rettungskräfte
Personenevakuieren? Dazu wird die Brandweiterleitung auf höchstens zwei Geschosse im
Gebäude begrenzt.
Tabelle 1: Baurechtliche Anforderungen an die Dämmung (bitte Layout)
FASSADE: Sind Dämmsysteme im Brandfall sicher?
Ralf Pasker: Eine 100%ige Sicherheit wird es nicht geben, unabhängig von der Fassadenart.
Tabelle 1: Baurechtliche Anforderungen an die Dämmung.