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TECHNIK

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Fachbeitrag

28

FASSADE 4/2017

Fassaden und Immobilienästhetik:

Was wollen die Bürger?

Von Prof. Dr. Friedrich Thießen

Geschmack sei individuell, heißt es. Über die optimale Fassadengestaltung aus ästhetischem

Blickwinkel ließe sich nicht diskutieren, denn jeder wolle etwas anderes. Tatsächlich ist dem aber

nicht so. Bei Befragungen schälen sich bestimmte Gestaltungspräferenzen deutlich heraus. Für

die Fassadenindustrie ist es wichtig, diese Präferenzen zu kennen. Der folgende Beitrag stellt die

Ergebnisse von vier in Deutschland zwischen 2010 und 2016 durchgeführten Untersuchungen

mit 600 Befragten in den Gebieten Hamburg, Berlin, Sachsen, Frankfurt und München vor.

Frage 1: Homogenität der

Fassadengestaltung

Wie wichtig ist den Menschen die Homoge-

nität einer Gebäudesituation? Untersuchun-

gen in anderen Ländern zeigen, dass Men-

schen Wildwuchs und Heterogenität von

Fassaden und Gebäuden nicht lieben. Dies

bestätigt sich auch in Deutschland. Wie Ab-

bildung 1 zeigt, präferieren die Befragten ho-

mogene Gebäudestrukturen. Es gibt viele

weitere Beispiele, die in diesem Beitrag aus

Platzgründen fehlen, aber beim Autor ange-

fordert werden können. Abb. 1 zeigt außer-

dem, dass die Einstellungen der Menschen

über die Zeit stabil sind. Darüber hinaus gilt:

Die Angaben sind mit keinem Persönlich-

keitsmerkmal korreliert. Das heißt, sie sind

von Alter, Geschlecht, Einkommen und Bil-

dungsgrad unabhängig. Alle Gruppen leh-

nen übereinstimmend Heterogenität ab.

Diese Befunde verdeutlichen den sozia-

len Aspekt des Bauens: Wer ein unpassen-

des Gebäude mit einer unpassenden Fas-

sade in einer gewachsenen Struktur errich-

tet, welches die Homogenität dieser Struktur

verringert, der schädigt die Menschen, die

in dieser Struktur leben und damit indirekt

auch die anderen Immobilienbesitzer. Bau-

träger und Redeveloper sollten sich mehr

disziplinieren und angepasster bauen, als

das oft der Fall ist.

Frage 2: Fassadengestaltung

Als nächstes wurde die Frage behandelt,

welche Wünsche die Menschen in Bezug

auf die Fassadengestaltungen haben. Lassen

sich generelle Aussagen machen oder sind

die Wünsche sehr unterschiedlich? Überein-

stimmend ergibt sich, dass den Menschen

die Fassadengestaltung wichtig ist (Abb. 2,

weitere beim Verfasser). Der Anteil indiffe-

renter Aussagen liegt im Schnitt deutlich

unter 2 %. Menschen zeigen eine starke Ab-

lehnung der einfachsten, kargen, schlichten

Stilvarianten. Es sind weniger als 10 % der

Menschen, welche den einfachsten Stil be-

vorzugen. Mehr als 90 % präferieren opu-

lentere Stile. Im Ergebnis zeigt sich, dass zu

schlichte, zu karge Fassaden nicht den Wün-

schen der Menschen entsprechen. Die Men-

schen sehnen sich mit großer Mehrheit nach

Verzierungen und Gestaltungen großer Flä-

chen. Dem wird, wie deutsche Großsiedlun-

gen zeigen, in vielen Fällen von Bauträgern

nicht ausreichend Geltung verschafft. Fassa-

den sollten lebendiger werden.

Frage 3: Häuser im Bauhausstil

Ein besonderer Untersuchungsteil wand-

te sich den Fassaden in der schlichten, kar-

gen Ausprägung der Häuser im sogenann-

ten Bauhausstil zu, die derzeit überall in

Deutschland in Baulücken gesetzt werden.

Zunehmend ist Kritik zu spüren. Die Zeit-

schrift Brigitte eröffnete ein Internetforum

Frage 2: Fassadengestaltung

Als nächstes wird die Frage behandelt, welche Wünsche die Menschen in Bezug auf die

Fassaden

gestaltungen haben. Lassen sich generelle Aussagen machen oder sind die Wün-

sche sehr unterschiedlich? Übereinstimmend ergibt sich, dass den Menschen die Fassaden-

gestaltung wichtig ist (Abb.2, weitere beim Verfasser). Der Anteil indifferenter Aussagen liegt

deutlich unter 2 %. Menschen zeigen eine starke Ablehnung der einfachsten, kargen,

schlichten Stilvarianten. Im Mittel sind es weniger als 10 % der Menschen, welche den ein-

fachsten Stil bevorzugen. Mehr als 90 % präferieren opulentere Stile. Im Ergebnis zeigt sich,

dass zu schlichte, zu karge Fassaden nicht den Wünschen der Menschen entsprechen. Die

Menschen sehnen sich mit großer Mehrheit nach Verzierungen und Gestaltungen großer

Flächen. Dem wird, wie deutsche Großsiedlungen zeigen, in vielen Fällen von Bauträgern

nicht ausreichend Geltung verschafft. Fassaden sollten lebendiger werden.

Abb. 2: Fassaden mit karger oder üppigerer Gestaltung

Indif-

ferent

10%

81%

9 %

Quelle: Mader, 2010, S. 99

Frage 3: Häuser im Bauhausstil

Ein besonderer Untersuchungsteil wandte sich den Fassaden in der schlichten, kargen Aus-

prägung der Häuser im sogenannten Bauhausstil zu, die derzeit überall in eutschland in

Baulücken gesetzt werd n. Zunehmend ist Kritik zu spüren. Die Zeitschrift Brigitte eröffnete

ein Internetforum zum Thema „

Moderne Architektur ist hässlich

“. Dari find t ma Äußerun-

gen wie diese: „

Die nüchternen Bauhausstil-Häuser finde ich alles andere als schön. Zum

Glück dominieren hier in der Gegend noch die Klinkerhäuser.

“ Für den professionellen Fas-

s denbau ist es wichtig zu wissen, ob derartige Ansichten nur von einer Minderheit vertreten

werden, oder ob sie das Allgemeinverständnis darstellen.

Die folgenden Abbildungen zeig beispi lhafte Erg bnisse der Studi n (weitere beim Ver-

fasser). Die Menschen lehnen die kargen Fassaden der Häuser im Bauhausstil überwiegend

ab. Eine besondere Präferenz für die weiße Farbe dieser Häuser gibt es nicht. Wenn man

die Fassaden von „Bauhäusern“ mit Steinsockeln verkleidet oder sie mit Holzpanelen ver-

ziert, dann werden diese Varianten mit großer Mehrheit den Originalen vorgezogen. Unbe-

liebt sind auch die Flachdächer. In Abb. 4 wurde einem typischen Bauhaus mit Flachdach ein

schräges Dach „aufmontiert“. Selbst dieses unschei bar Dach findet m hr Anhänger als die

Originalversion mit Flachdach, die typisch für die Architektur im Bauhausstil ist.

Forma

Forma

Forma

Forma

Fassaden und Immobilienästhetik: Was wollen die Bürger?

Von Prof. Friedrich Thießen

Geschmack sei in ivid ell, heißt es. Über die optimale Fassadengestaltung aus ästheti-

schem Blickwinkel ließe sich nicht diskutieren, denn jeder wolle etwas anderes. Tatsächlich

ist dem aber nicht so. Bei Befragungen schälen sich bestimmte Gestaltungspräferenzen

deutlich heraus. Für die Fassadenindustrie ist es wichtig, diese Präferenzen zu kennen. Der

folgende Beitrag stellt die Ergebnisse von vier in Deutschland zwischen 2010 und 2016

durchgeführten Untersuchungen mit 600 Befragten in den Gebieten Hamburg, Berlin, Sach-

sen, Frankfurt und München vor.

Frage 1: Homogenität der Fassadengestaltung

Wie wichtig ist den Menschen die

Homogenität

einer Gebäudesituation? Untersuchungen in

anderen Ländern zeigen, dass Menschen Wildwuchs und Heterogenität von Fassaden und

G bäuden nicht lieben. Dies bestätigt sich auch in Deutschland. Wie Abbildung 1 zeigt, prä-

ferieren die Befragten homogene Gebäudestrukturen. Es gibt viele weitere Beispiele, die in

diesem Beitrag aus Platzgründen fehlen, aber beim Autor abgefordert werden können. Abb.

1 zeigt außerdem, dass die Einstellungen der Menschen über die Zeit stabil sind. Darüber

hinaus gilt: Die Angaben sind mit

keinem

Persönlichkeitsmerkmal korreliert. Das heißt, sie

si d von Alter, Geschlecht, Einkomm und Bildungsgrad unabhängig. Alle Gruppen lehnen

übereinstimmend Heterogenität ab.

Diese Befunde verdeutlichen den

sozialen

Aspekt des Bauens: Wer ein unpassendes Ge-

bäude mit einer unpassenden Fassade in einer gewachsenen Struktur errichtet, welches die

Homogenität dieser Struktur verringert, der schädigt die Menschen, die in dieser Struktur

leb n und damit indirekt auch die anderen Immobilienbesitzer. Bauträger und Redeveloper

sollten sich m hr diszipli ieren und angepasster bauen, als das oft der Fall ist.

Abb. 1: Häuserzeilen mit und ohne Homogenität

Indiffe-

rent

Präferenzen

Mader, 2010

6%

88%

6%

Hellwig 2016

15%

82%

3%

Quelle: Hellwig, 2016, S. X; Mader, 2010, S. 99

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Rechts

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