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Vorgehängte hinterlüftete Fassaden
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FASSADE 4/2017
Serieller Wohnungsbau mit VHF:
wirtschaftlich und innovativ
Von Dipl.-Ing. Ronald Winterfeld
Die Fehler der Vergangenheit mit Platten-
und Großbausiedlungen und deren Tendenz
zu einer gewissen Uniformität dürfen nicht
wiederholt werden. Politik, Wohnungswirt-
schaft und Planer sind sich ihrer baukulturel-
lenVerantwortung bewusst. Der heutige An-
spruch an seriellen Wohnungsbau zielt auf
eine starke Akzeptanz in der Gesellschaft ab
und ist durch einen hohen Grad an Individu-
alisierung gekennzeichnet. Ziel ist es, städte-
planerisch, baulich und gestalterisch quali-
tätsvolle Wohnbauten zu schaffen, die auch
den veränderten Ansprüchen zukünftiger
Generationen gerecht werden. Standardisie-
rung und Vorfertigung helfen dabei, Baupro-
zesse zu beschleunigen, gleichzeitig eine ho-
he Qualität zu garantieren und die Kosten zu
reduzieren.
VHF bietet Gestaltungspotenziale
Auf der Grundlage des VHF-Systembaukas-
tens, zum Beispiel in Form von vorkonfektio-
nierten Systemlösungen, gelingt es, den Ge-
Der Wohnungsbau ist einer der wichtigsten Baubereiche der Branche und wird auch dieses Jahr um sieben
Prozent wachsen. Jahrelang wurde diese Sparte vernachlässigt und sich mehr darauf konzentriert
zu Sanieren und zu Erhalten. Heute herrscht eine große Wohnungsnachfrage und es fehlt dabei vor allem
an bezahlbaren Geschosswohnungen. Hier sind Industrie und Politik gleichermaßen gefragt, technisch
innovative, nachhaltige und wirtschaftlich tragbare Lösungen anzubieten. Das serielle Bauen stellt hierfür ein
wichtiges Instrument dar, das ein beschleunigtes Bautempo ermöglicht und die Baukosten senken kann.
danken und dieVorteile des seriellen Bauens
mit den Anforderungen an eine hochwerti-
ge, abwechslungsreiche und ästhetische Ge-
staltung zu verbinden. Die einzelnen Kom-
ponenten der vorgehängten hinterlüfteten
Fassade (VHF) lassen sich je nach Anforde-
rungen nahezu beliebig kombinieren. Dabei
ergeben sich vielfältige Möglichkeiten hin-
sichtlich der Materialität und Oberflächenbe-
schaffenheit der Bekleidung, ihrer Formate,
Fugenverläufe oder Befestigungsarten. Bau-
monokultur wird so vermieden. Alle energe-
tischen und statischen Anforderungen lassen
sich bauphysikalisch sicher und technisch
problemlos erfüllen. Investoren, Bauherren
und Nutzer profitieren gleichzeitig von der
Langlebigkeit, den geringen Lebenszeitkos-
ten und der unkomplizierten Rückbaufähig-
keit des Systems, fast alle Komponenten sind
recyclingfähig. Die nachfolgenden Projekte
zeigen, welche Gestaltungsvielfalt die VHF
im Bereich des seriellen Bauens ermöglicht
und welches Potenzial das Fassadensystem
damit auch für die Lösung der Wohnungs-
bauproblematik bieten kann.
Aktiv-Stadthaus mit Fassaden
bekleidung aus Solarpaneelen und
Faserzement
Das Aktiv-Stadthaus von HHS Architek-
ten aus Kassel ist das derzeit größte inner-
städtische Plusenergiehaus Europas. Das
achtgeschossige Mehrfamilienhaus wurde
in Hybridbauweise mit vorgefertigten Fas-
sadenelementen errichtet, sodass die Ge-
bäudehüllen mit höchsten Energiestandards
schnell geschlossen werden konnten. Et-
wa 150 Fassadenelemente in einer Größe
bis zu 12 x 3 Metern wurden inklusive Fens-
tern sowie den vorgehängten Faserzement-
tafeln werkseitig vorgefertigt und geliefert.
Ausschließlich die Photovoltaikmodule an
der Südfassade wurden direkt auf der Bau-
stelle auf einer Alu-Unterkonstruktion mon-
tiert. Die Fassade mit einer Gesamtfläche
von rund 5400 Quadratmetern konnte in nur
4 Monaten realisiert werden. Die Module auf
dem Dach und an der Fassade versorgen die
Bewohner mit dem notwendigen Solarstrom.
Die Energiegewinne, die das Aktiv-Stadt-
haus unter anderem über die Südfassade
als zusätzliche Ertragsfläche selbst erzeugt,
kommen den Bewohnern in Form einer Flat-
rate-Miete zugute. Für die Erwärmung von
Trink- und Brauchwasser wird der Anschluss
an einen nahe gelegenen Schmutzwasser-
kanal genutzt. Diesem wird über Wärme-
tauscher Wärme entzogen und mit Wärme-
pumpen und Pufferspeichern in das System
eingespeist.
Deutsche Fassadentechnik für die
„Liverpool Waterfront“
Das neue „Museum of Liverpool“ hat sei-
nen Platz an exponierter Stelle im Hafen
von Liverpool. An vorderster Stelle auf der
Das Aktiv-Stadthaus (Frankfurt) ist derzeit
Europas größtes Plusenergiehaus.
Die dreidimensionale Gebäudehülle des
„Museum of Liverpool“ besteht aus vor
gefertigten kalksteinfarbenen Juraplatten.
Constantin Meyer, Köln
Vincent Phillips, Liverpool, GB