TECHNIK
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Fachbeitrag
26
FASSADE 2/2017
Dr. rer. nat. Micha-
el Lakatos ist Öko-
loge und forscht
als Juniorprofessor
an phototrophen
Mikroorganismen
in den Bereichen
der angewandten Ökologie, dem Umweltschutz
und der Bioverfahrenstechnik. Momentan leitet
er an der Hochschule Kaiserslautern ein interdis-
ziplinäres Verbundprojekt zur Entwicklung eines
innovativen Biofilm-Photobioreaktors.
Timo Schmidt
ist Professor für
Fassadentechnik
und Design an
der Hochschule Augsburg und arbeitet im Fas-
sadenteam von Werner Sobek Stuttgart. Seine
interdisziplinäre Forschung hat unter anderem
zu einem Patent auf aerosolbasierte Bioreakto-
ren geführt.
Literaturverzeichnis
[1]
Jan Wurm, Cornelius Schneider, Martin
Kerner, Jörg Ribbecke, Markus Ticheloven:
Hinterlüftete Fassadenkonstruktion aus
Photobioreaktoren; Abschlussbericht
Forschungsinitiative Zukunft Bau F2856; 2013
[2]
Michael Lakatos, Dorina Strieht: Terrestrial
microalgae – novel concepts for
biotechnology and applications; Progress in
Botany, Vol 78 (early online); 2017
[3]
Martin Kerner: Anaerobic domestic waste
water treatment coupled to a bioreactor
facade for the production of biogas, heat and
biomass; SSC Strategic Science Consult GmbH;
Powerskin Conference Proceedings; 2017
[4]
Monique Ras, Jean-Philippe Steyer, Olivier
Bernard: Temperature effect on microalgae:
a crucial factor for outdoor production;
Springer Science+Business Media Dordrecht
2013; Published online: 10 March 2013
an eine Abwasseraufbereitung
[3]
, die zumin-
dest temporäre Fixierung von CO
2
und das
gestalterische Potenzial solcher Fassaden,
dann zeigt die Summe aller Einzelmaßnah-
men das Potenzial einer fassadenintegrier-
ten Bioreaktoranlage auch unter ökonomi-
schen Gesichtspunkten.
Produkte
Wird das Produktspektrum erweitert (wirt-
schaftliche Relevanz) ändert sich oft auch
das Kulturverfahren. Viele Zielprodukte
werden von den Algen erst in Stresssitua-
tionen gebildet, welche künstlich herbeige-
führt werden müssen. Für fassadeninteg-
rierte Systeme bedeutet das den Einsatz zu-
sätzlicher Steuereinheiten zum Beispiel zur
Induktion von Trockenstress oder häufige
Wechsel der Kulturmedienzusammenset-
zung zur gezielten Limitierung von Nähr-
stoffen.
Fazit
Vier wesentliche Stellschrauben müssen
für einen wirtschaftlichen Betrieb bei einer
Fassadenintegration beachtet werden: Ers-
tens muss die Kultur in einen geschlossenen
Bioreaktor und damit in ein kontrollierba-
res System überführt werden. Dieser muss
Synergismen mit dem Gebäude/Quartier
(CO
2
, Abwärme, Verschattung, Wasserauf-
bereitung) bilden. Zweitens kann die Be-
triebsenergie (Pumpleistung) durch die Ver-
wendung von Aerosolen anstelle von flüssi-
gen Medien verringert werden. Dies würde
zugleich das Gewicht erheblich reduzieren
und eine Applikation an der Fassade ver-
einfachen. Das Vernebeln von Nährmedi-
um würde den sommerlichen Wärmeschutz
durchVerdunstungskälte verbessern. Hierzu
muss allerdings ein völlig neuartiger emer-
ser (an Luft geführter) Bioreaktortyp zum
Einsatz kommen. Drittens muss die rein
thermische Verwertung der Biomasse und
der Ansatz solarthermischer Energie öko-
nomisch und ökologisch geprüft werden.
Hierbei gilt es zu klären, ob der solarther-
mische Verlust durch die niedrigeren Tem-
peraturen durch die thermische Nutzung
der Biomasse kompensiert werden kann.
Die Produktion von hochwertigeren Mole-
külen für Industrieanwendungen und die
Agrarwirtschaft stellt eine Alternative dar.
Hierzu notwendige Stressinduktionen und
häufige Ernte/Beimpfungsvorgänge werden
die technische Komplexität und die Anzahl
der Wartungszyklen weiter erhöhen. Daher
sollte viertens geprüft werden, ob bei der
Erzeugung von Hochwertstoffen wichtige
Prozesse wie Beimpfung, Ernte und War-
tung von externen Anbietern unabhängig
durchgeführt werden können. Ernte- und
Wartungsvorrichtungen an Fassaden wären
dann außerhalb des Gebäudes zu installie-
lipid
Startkultur
Beimpfung
Kultivierung
Kultivierung
Kultivierung
Reinigung
Ernte Biomasse
Ernte
Polysaccharide
Trockenstress
Ernte
Polysaccharide
Trockenstress
Phosphor-
limitierung
Ernte
Lipide
saccharide
Poly-
Lipide
Biomasse
saccharide
Poly-
Lipide
Biomasse
saccharide
Poly-
Fermentation
Methan
Strom
Verbrennung/
Brennstoffzelle
BIO
Wärme
Verbrennung
BioaktiveWirkstoffe
z.B.Hydrocoloide,
Antivirulenta
Proteine
Lebensmittelzusatz
Tierfutter
Treibstoff
Algendiesel
Kerosin
Dünger
Luftstickstoff
Fixierung
Luftstickstoff
Fixierung
Alternativ
Nebenprodukte
CO H
2
2
ren und müssten unabhängig vom Gebäu-
debetrieb zugänglich sein. Der Gebäudebe-
treiber wird von Betrieb und Wartung be-
freit. Anlagenbetreiber könnten dezentral
an urbanen Fassadenflächen kultivieren, die
Kulturen extern überwachen und die Pro-
duktaufbereitung (Downstreaming) zent-
ral durchführen. Im Gegensatz zu Solaran-
lagen sind Photobioreaktoren keine Ener-
gieerzeuger, welche jederzeit additiv an ein
bestehendes Bauwerk angebracht werden
und deren Erträge in ein öffentliches Netz
eingespeist werden können. Eine Fassade-
nintegration in die Primärfassade oder den
Zwischenraum einer Zweiten-Haut-Fassa-
de und eine Vernetzung mit den Stoff- und
Energieströmen sind komplexer, aber für ei-
nen wirtschaftlichen Betrieb notwendig.
Abbildung 5: Produktionsphase, Zwischen- und Endprodukte.