TECHNIK
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Fachbeitrag
25
FASSADE 2/2017
(untergetauchte) Kultivierung gemeinsam
und verwenden aquatische Algen.
Der Einsatz von terrestrischen Algen in ae-
rosolbasierten Systemen kann für die Fassa-
denintegration von besonderer Bedeutung
sein. Die herausragende Bedeutung von ter-
restrischen Algen als Produktionsorganis-
mus wurde erst kürzlich wissenschaftlich
beschrieben
[2]
. So sind sie austrocknungsto-
lerant, was einen erheblich geringeren Ein-
satz von Wasser und das Entfallen des kos-
tenintensiven Durchmischens ermöglicht.
Es können als anhaftende Biofilme höhe-
re Biomassenkonzentrationen erreicht wer-
den und das Ernteverfahren ist kostengüns-
tiger, da das energetisch aufwendige Sepa-
rieren von großen Wasservolumen, wie bei
aquatischen Algen, entfällt. Des Weiteren fi-
xieren insbesondere Cyanobakterien (Blaual-
gen) den düngenden Stickstoff direkt aus der
Luft und Gase wie Sauerstoff und Kohlendi-
oxid können einfacher im System zirkulie-
ren. Hohe solare Einstrahlungen führen we-
niger schnell zu einer Photoinhibition (Stoff-
wechselreduktion durch ein Überangebot an
Licht) und somit zu keiner frühzeitigen Re-
duktion der Produktionsrate.Weiter kann die
Fähigkeit Austrocknung zu überleben ge-
nutzt werden, um hohe solare Einstrahlung
und damit verbundene hohe Temperaturen
zu überdauern ohne das System energieauf-
wendig kühlen zu müssen. Diese Eigenschaft
ist besonders beim Einsatz von
fassadenintegrierten Bioreak-
toren in feuchtwarmen und
trockenheißen
Klimazonen
von großer Bedeutung. Das
Austrocknen selbst induziert
weitere Stoffwechselprozes-
se, durch welchen bestimmte
Hochwertprodukte vermehrt
gebildet werden.
Wachstumsparameter
Die Faktoren, die das Wachs-
tum der meisten Algenar-
ten beeinflussen, sind: Nährstoffe, CO
2
,
das Verhältnis zwischen CO
2
und O
2
, pH-
Wert, Wasserverfügbarkeit, Temperatur und
Lichtintensität. Bei fassadenintegrierten
Photobioreaktoren spielen vor allem abio-
tische Faktoren wie Licht und Temperatur
eine entscheidende Rolle, da diese haupt-
sächlich von den jeweiligen Umweltrand-
bedingungen stark abhängig sind. Die opti-
male Lichtintensität für übliche Algenstäm-
me liegt bei ca. 100 – 200 μmol m
-2
s
-1
im
photosynthetisch wirksamen Wellenlängen-
bereich von 400 – 700 nm. Zum Vergleich:
direktes Sonnenlicht in unseren Breiten-
graden besitzt eine maximale Lichtintensi-
tät im Sommer von ca. 1800 μmol m
-2
s
-1
. Ei-
ne Lichtsättigung tritt je nach Algenstamm
zwischen 100 und 500 μmol m
-2
s
-1
ein. Mit
der Zeit ist jedoch eine Anpassung an un-
günstigen Lichtverhältnissen möglich. Eine
Überschreitung der Lichtsättigung ist nicht
zwangsläufig letal.
Anders verhält es sich mit der Tempera-
tur. Der Toleranzbereich liegt bei den der-
zeit am häufigsten verwendeten aquatischen
Stämmen bei 5 °C bis sehr selten 45 °C – die
meisten besitzen ein Optimum bei ca. 20-
30 °C. Außerhalb des Bereichs fällt die Pro-
duktionsrate häufig rapide ab. Bei manchen
kommerziell genutzten Arten führen Tempe-
raturen oberhalb des Optimums zum früh-
zeitigen Absterben der Algen
[4]
. Terrestrische
Algen, insbesondere diejenigen aus heißen
tropisch bis ariden Habitaten, weisen ein
breiteres Temperaturspektrum auf und kön-
nen nach Austrocknung auch Temperaturen
bis 100 °C ohne nennenswerte Schädigun-
gen überstehen
[2]
.
Synergismen mit der
Gebäudetechnik
Um möglichst wirtschaftlich Biomasse zu
produzieren, ist der Energiebedarf für den
Betrieb durch die Nutzung von Abwärme,
Abwasser und CO
2
und durch passive Sys-
teme möglichst gering zu halten. Hierzu
sind folgende Parameter zu beachten:
• die Orientierung der Reaktoren am je-
weiligen Standort,
• der Einsatz von adaptivenVerschattungs-
systemen zurVermeidung von Überhit-
zung im Sommer und Gewinnung von
solarer Energie imWinter,
• die Dämmeigenschaften der Materialien
der thermischen Hülle,
• die Transmissionseigenschaften der Re-
aktorhülle.
Parameter, welche wir aus der Fassaden-
technik zur Einhaltung des sommerlichen
und winterlichen Wärmeschutzes kennen
und seit Jahrzehnten optimieren.
Die uns zur Verfügung stehende Simulati-
onssoftware kann und sollte genutzt werden,
um standortspezifisch die abiotischen Fak-
toren Temperatur und Licht optimal für den
entsprechenden Organismus einzustellen.
Derzeit in Betrieb oder Planung befindliche
Systeme setzen hauptsächlich den Verkauf
der Biomasse und solarthermische Effekte
bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung an
[3]
.
Eine thermische/energetischeVerwertung der
Biomasse hätte den Vorteil, dass alle Erzeug-
nisse direkt vor Ort verwertet werden und so
der Stoffkreislauf geschlossen wird. Aufwand
(Energieeintrag zur Systembetreibung und
Wartung) zu Ertrag mit Blick auf die Biomas-
se steht hier allerdings in keinem günstigen
Verhältnis, weshalb aus ökonomischer Sicht
alternative oder gekoppelte Verwertungen
der Biomasse im hochprei-
sigen Produktspektrum her-
angezogen werden müssen.
Auch die sekundären Wärme-
einträge, welche zur Brauch-
wassererwärmung herange-
zogen werden, müssen dif-
ferenziert betrachtet werden.
Temperaturen in Bioreaktoren
liegen lediglich bei ca. 25 °C,
was die Wirtschaftlichkeit un-
ter solarthermischen Gesichts-
punkten erheblich reduziert.
Betrachtet man jedoch weite-
re Aspekte wie die Kopplung
Abbildung 3: Prototypen eines neuartigen aerosolbasierten Photobioreaktors.
Schmutzwasser
anaerobe
Wasseraufbereitung
Biomasse
BIO
Biogas
Solarthermische Gewinne
über die Bioreaktoren
CO ²
Kohlenstoff-
dioxid
°C
Abbildung 4: Synergien
mit dem Gebäude.
Inogram
Hochschule Augsburg (5)