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TECHNIK
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Objekte
FASSADE 6/2016
Der Fertigstellung im Herbst
2015 ging fünf Jahre zuvor
ein Bewerbungsverfahren der
Stadt Ulm voraus. Für ihren
Entwurf wurden die Hoch
strasser Architekten mit dem
1. Platz ausgezeichnet. Das
Planungskonzept des Ulmer
Architekturbüros bezieht sich
auf die historische Stadtbe-
bauung, interpretiert diese
aber behutsam neu: Das kla-
re, einfache, ästhetische Ge-
bäude fügt sich harmonisch
in den Bestand ein und wertet
den angrenzenden Stadtraum
optisch auf.
Betonbauer aus Tradition
und Leidenschaft
Architekt Adrian Hochstras-
ser und seine Mitarbeiter sind
leidenschaftliche Betonbau-
er. „Das Material reizt uns
kolossal, ganz einfach, weil
man damit fast alles machen
kann.“
Während eines Aufenthaltes
in der Schweiz stieß Hoch-
strasser bei einem Neubau-
projekt zufällig auf Dämmbeton und war
überrascht von der angenehmen, weichen
und fast warmen Haptik dieses noch we-
nig verbreiteten Baumaterials. „Er ist diffu-
sionsoffen und sorgt somit für ein angeneh-
mes Raumklima. Für mich ist das der Bau-
stoff der Zukunft,“ schwärmt Hochstrasser.
Also sollte beim Neubau in der Karpfengas-
se ebenfalls Dämmbeton eingesetzt werden,
was sich in der Praxis schwieriger erwies als
erwartet.
Gutachten und Zulassungen
im Einzelfall
Dämmbeton ist bislang nur wenig erprobt
und fast nur in der Schweiz im Einsatz. Das
Beeindruckender Monolith
Stadthaus in Ulm mit Fassade aus Dämmbeton realisiert
Das neue Wohn- und Geschäftshaus in der Karpfengasse 5 in Ulm hat Potenzial, zur neuen Pilgerstätte
von Liebhabern zeitgemäßer Baukunst aus Beton zu werden. Auf dem etwa 100 Quadratmeter großen
Grundstück eines ehemaligen Parkplatzes steht heute ein Sichtbetonmonolith mit einer modernen
Version des im mittelalterlichen Stadtkern von Ulm vorherrschenden Satteldachs.
erforderte zahlreiche Gutachten, Material-
prüfungen sowie Zulassungen im Einzel-
fall (ZiE). Auch die Suche nach einem Be-
tonwerk, das bereit war, den Dämmbeton
nach Zusammensetzung – einem Rezept
der Misapor AG – und in so geringer Menge
herzustellen, war nicht einfach. Schließlich
fand Adrian Hochstrasser in der Schwenk
Zement KG einen innovativen Partner. Die
Erdgeschosswände sind konzipiert als fu-
genlose Konstruktion aus monolithischem
Dämmbeton (LC12/13 DIN EN 206-1) mit
Glasschaumschotter aus Recyclingglas als
Zuschlag. In den oberen Geschossen wur-
den die Wände zweischalig mit Kerndäm-
mung hergestellt. Die verwendete Däm-
mung besteht aus voll recyclingfähigem
diffusionsoffenem EPS in
WLG 0.029. Der monoli-
thisch in einem Zuge ge-
gossene Wandaufbau be-
steht aus einer inneren
Tragschale mit 16 Zenti-
meter, einer diffusionsoffe-
nen EPS-Dämmung mit 16
Zentimeter und äußeren
Vorsatzschale mit 12 Zenti-
meter Stärke. Die Fixierung
der Dämmung innerhalb
der Schalung erfolgt über
Abstandshalter aus Glas-
faser, sogenannten „Ther-
moPins“, um den Wärme-
durchgang zu minimieren.
Der gesamte Aufbau mit
44 Zentimeter Wanddicke
erzielt einen U-Wert unter
0,15 W/m²K und erreicht
damit den Passivhausstan-
dard.
Für den Architekten hat
sich das Experiment ge-
lohnt – auch wenn es rund
fünf Jahre gedauert hat, bis
das Gebäude bezugsfertig
war und es bis dahin vie-
le Abstimmungsphasen mit
Objekttafel
Objekt:
Neubau Wohn- und Geschäftshaus,
Karpfenstr. 5 (Ulm)
Auftraggeber:
Adrian Hochstrasser
Architekten:
hochstrasser.architekten BDA DWB (Ulm)
Planung Metallfassade:
3DE - Jess Maertterer (Borken)
Betonherstellung:
Schwenk Beton Alb-
Donau GmbH & Co. KG (Neu-Ulm/Pfuhl
Fertigstellung:
2015
Christian Peters/BetonBild