glas+rahmen
07.17
technik
33
technik
betriebsführung
Foto: © Bauverbände Westfalen
werden. Den Klägern stehe das gesetzliche Verbraucher-
widerrufsrecht zu, erklärten die Richter. Es handele sich
um einen Vertragsschluss außerhalb der Geschäftsräu-
me. Die Eigentümer schlossen den Vertrag als Verbrau-
cher. Mangels entsprechender Belehrung über das Wi-
derrufsrecht habe die Frist zwölf Monate und 14 Tage
betragen. Der Widerruf der Kunden sei gut zwei Mona-
te nach Abschluss der Arbeiten fristgerecht erfolgt. Aus-
schlussgründe für den Widerruf, etwa eine dringende
Reparatur oder eine erhebliche Umbaumaßnahme, la-
gen nach Ansicht des Gerichts nicht vor.
kommentar:
Wer in diesem Fall Missbrauch an-
nimmt, liegt wahrscheinlich falsch: Die Kläger sind ein
rund 80-jähriges Ehepaar. Der Dachdecker ist nach dem
Urteil insolvent, die Kläger werden kaum Geld sehen.
Alle Beteiligten haben verloren. Zwei Jahre nach der Re-
form der Verbraucherschutzvorschriften kam das Ur-
teil nicht überraschend. Es schließt an das Landgericht
Münster (Urteil vom 4. November 2015, Az.: 2 O 127/15)
an, das bei einem beim Kunden geschlossenen Vertrag
über Trocknungsarbeiten ähnlich geurteilt hatte, ebenso
an das Urteil des Amtsgerichts Bad Segeberg vom 13. Ap-
ril 2015 (Az.: 17 C 230/14) zum Bau einer Treppe.
Abläufe noch nicht angepasst
Viele Unternehmen haben ihre Geschäftsabläufe noch
nicht an die Rechtslage angepasst. Es scheint allerdings,
als habe im oben genannten Fall der – anwaltlich ver-
tretene – Dachdecker seine Verteidigungsmöglichkei-
ten im Prozess nicht optimal ausgeschöpft. Er hat die Be-
hauptung der Kläger nicht substantiiert bestritten, dass
es sich um einen außerhalb seiner Geschäftsräume ge-
schlossenen Vertrag handelte. Die genauen Umstände
des Vertragsschlusses hat das Gericht wegen des schwa-
chen Sachvortrags des Dachdeckers nicht weiter aufklä-
ren müssen. Er behauptete erst in der mündlichen Ver-
handlung vor Gericht, der Vertrag sei erst am Telefon
nach Abgabe seines Angebots abgeschlossen worden.
Zur Beauftragung der Nachträge äußerte sich der Dach-
decker gar nicht – auch das wäre ein Verteidigungsan-
satz gewesen. Der Verbraucherwiderruf gehört jetzt zum
Standardrepertoire der Anwaltschaft bei Mängelrügen,
denn darum ging es hier im Kern. Der Widerruf spart
im Mangelfall Gutachterkosten, verkürzt den Baupro-
zess radikal und macht ihn zur Formsache.
praxistipp:
Es gibt Betriebe, die dem Kunden das
selbst unterschriebene, datierte Angebot mit frankier-
tem Rückumschlag übergeben. Erhält man das mit Un-
terschrift und Datum des Kunden zurück, ist belegt, dass
die Vertragserklärung nicht in Anwesenheit des Unter-
nehmers erfolgte. Andere Unternehmen belehren stan-
dardmäßig jeden Kunden und unterscheiden bewusst
nicht nach der Abschlusssituation. Beides wird von den
Kunden akzeptiert.
der autor
Rechtsanwalt
Alexander Kostka
ist Geschäftsführer
der Bauverbände
Westfalen mit Sitz
in Dormund
SCHUTZ VOR WIDERRUF
ausnahmen widerrufsbelehrung
In diesen Situationen braucht es ausnahmsweise keine
Widerrufsbelehrung:
- Verträge im stationären Handel:
- Vertragsabschluss in den Geschäfts-/Büroräumen des
Unternehmens
- Unverbindlicher Kontakt der Parteien außerhalb der Ge-
schäftsräume und späterer Vertragsabschluss in den Ge-
schäftsräumen oder per Telefon, Fax, E-Mail oder Post
- Verträge, bei denen der Verbraucher den Unterneh-
mer ausdrücklich aufgefordert hat, ihn aufzusuchen,
um dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten
vorzunehmen, unterliegen nicht dem gesetzlichen Wi-
derrufsrecht, z.B. die Notverglasung mit anschließender
Reparatur des beschädigten Glases.
1. Das gesetzliche Widerrufsrecht kann der Unternehmer
nicht über seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen
ausschließen.
2. Grundsätzlich sollte der Handwerker keine mündlichen
Verträge mit Verbrauchern abschließen, es sei denn, er
sendet die Widerrufsbelehrung hinterher und erhält
ein Exemplar samt Unterschrift zurück.
3. Verträge, auch schriftliche, sollte man im Beisein des
Verbrauchers nicht ohne Widerrufsbelehrung schlie-
ßen. Es sei denn, es wird in den eigenen Geschäftsräu-
men abgeschlossen – dann sollte man das aber auch
so dokumentieren. („In den Geschäftsräumen der Fa.
…am…“) und darunter die Unterschriften.
4. Punkte 1 und 2 gelten wohl auch für Nachträge auf der
Baustelle im BGB-Vertrag (Rechtsprechung liegt dazu
noch nicht vor).
5. Bei Vertragsabschluss ausschließlich über Fernkommu-
nikation (Fax, Telefon, E-Mail), also ohne jeden per-
sönlichen Kontakt mit dem Verbraucher, sollte man
immer eine Widerrufsbelehrung erteilen, da es sich um
ein so genanntes Fernabsatzgeschäft handelt. Auch für
Fernabsatzgeschäfte gilt das gesetzliche Widerrufsrecht
für Verbraucher. Muster-Widerrufsbelehrungen gibt
es als kostenlose Downloads bei Innungen und beim
Bundesjustizministerium.