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Technik

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ForumWintergärten 3/2018

Lange Zeit galt der möglichst effiziente

U-Wert einer Verglasung als das Maß der

Kompetenz und der Technologie, wenn es

um die Frage der Transparenz in der Archi-

tektur ging. Und tatsächlich ist es binnen 50

Jahren gelungen, von der Einscheibenvergla-

sung über die erste Generation der Isolier-

verglasung bis hin zur heutigen 3fach-Wär-

meschutzverglasung den U

g

-Wert von mehr

als 5,0 W/(m

2

K) auf 0,7 W/(m

2

K) auf fast ein

Zehntel zu reduzieren. Allerdings ist dieser

Wettlauf um den effizientestenWärmeschutz

einer Isolierverglasung bauphysikalisch

heute so ziemlich am Ende der Fahnen-

stange angekommen – weitere Verbesserun-

gen durch 4fach- oder Vakuumverglasungen

sind technisch möglich, aber vom

Aufwand, den Kosten und ande-

ren funktionalen Nachteilen her

gesehen in der Breite am Markt

derzeit und sehr wahrscheinlich

auch künftig weder durchsetzbar

noch wirklich sinnvoll.

An Format gewonnen

Der Wärmeschutz einer Vergla-

sung ist jedoch nur ein Aspekt

von vielen, die in der Architek-

tur eine Rolle spielen. Man denke

nur an den Brand- und Schall-

schutz oder die Verschattung, die

inzwischen durch elektrochrome

(schaltbare) Gläser auch von der

Verglasung selbst gelöst wird –

ganz ohne mechanische Kompo-

nenten wie Raffstores oder Roll-

läden, die oft störungsanfällig

sind und in großen Höhen den

Windlasten nicht mehr stand-

halten können. Und wenn wir

gerade von „groß“ sprechen – die

Formate der Scheiben sind aktu-

ell ein viel diskutiertes Thema

in der Glasbranche, welches die

Bedeutung der Verglasung für

die Architektur weg von rein

bauphysikalischen Aspekten in

(K)eine Frage des Formats

Die Entwicklung und Möglichkeiten der Glasherstellung haben die Architektur ab dem Zeitpunkt maßgeblich

beeinflusst, als mit dem Floatglasverfahren die Glasproduktion erschwinglich und die Scheiben in größeren

Formaten herstellbar wurden. In den letzten Jahren hat unter den Glasherstellern eine regelrechte Format-

Olympiade begonnen – inzwischen sind Längen bis 18 Meter machbar, und die 20-Meter-Marke hat ein

Hersteller für 2018 schon fest im Visier. Scheiben in solchen Maxi-Größen finden sich nur in ausgewählten

Projekten – und natürlich vom 23.–26. Oktober auf der Glasstec 2018 in Düsseldorf.

den Fokus der Gestaltung und der Ästhe-

tik rückt. Man kann auch sagen: Die Vergla-

sung hat wieder an Format gewonnen, und

zwar im Wortsinn. Tatkräftig unterstützt,

aber auch herausgefordert von den Planern,

haben sich die Glashersteller auf den Wett-

lauf eingelassen, wer es wohl schafft, die

noch größere Glasscheibe zu produzieren,

zu bearbeiten und zu veredeln.

Die Firma Sedak ist neben Thiele Glas, AGC

Interpane, Saint-Gobain und anderen einer

der Glashersteller, die bei der Entwick-

lung sogenannter XXL-Gläser den Ton für

das Machbare angeben. Das Format bis 18

x 3,21 Meter schafft inzwischen jedes die-

ser Unternehmen, während Sedak bereits

seit Mitte diesen Jahres mit 3,51 x 20 Meter

„die größten Gläser der Welt“ herstellt und

veredelt. Und weil solche Formate ja auch

irgendwie von A nach B transportiert wer-

den müssen, hat der 2007 gegründete Glas-

veredler dafür einen Spezialinnenlader ent-

wickelt, der 16 Meter lange Scheiben auf die

Straße bringt – in seiner Bauart mit insge-

samt 23 Metern der wohl längste Glas-Sat-

telschlepper der Welt.

Statik und Logistik

Tatsächlich ist die Herstellung der soge-

nannten XXL-Gläser das Eine – die Ver-

edelung und die Logistik hingegen das

Andere, das eben auch gelöst

und beherrscht sein will. Denn

schließlich durchläuft eine über-

große Scheibe vom Floatglasbett

bis zum Einbau an der Baustelle

ebenso viele Produktionsschritte

und Veredelungsvorgänge wie

eine übliche Scheibengröße. Die

Bemessung übergroßer Glä-

ser unterscheidet sich ledig-

lich in den Dimensionierungen

der Glasstärken (6 bis 20 Milli-

meter), das Verfahren an sich ist

aber üblich wie bei gewöhnli-

chen Scheibengrößen. Schwieri-

ger wird es bei statischen Fragen

hinsichtlich der geeigneten Kon-

struktion am Einbauort. Denn

Befestigungsmittel,

tragende

Profile und Untergründe müs-

sen in der Lage sein, das enorme

Eigengewicht der Scheiben (je

nach Größe zwei bis drei Ton-

Im Mai 2017 öffnete das Haus

der Europäischen Geschichte in

Brüssel seine Pforten. Der in den

1930er Jahren errichtete Altbau –

ein ehemaliges zahnmedizinisches

Institut – wurde um ein „Implantat

aus Glas“ erweitert, dessen Fassade

sich aus bis zu 13,8 Meter langen

Glasfins zusammensetzt.

Foto:

© Sedak/Christian Fabris