TITElTHEMA
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GlaSFaSSaDen
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FaSSaDe 5/2017
Physikalischer Hintergrund
Glas unter Beanspruchung oder vorge-
spanntes Glas mit internen Spannungszu-
ständen weist die Eigenschaft der Doppel-
brechung auf
[1]
. Während des Vorspannpro-
zesses von Floatglas zu teilvorgespanntem
Glas (TVG) oder Einscheibensicherheits-
glas (ESG) können die thermisch induzier-
ten Oberflächendruckspannungen aufgrund
kleinster, unterschiedlicher Temperaturzo-
nen nicht homogen verteilt ins Glas einge-
prägt werden
[2]
. Die Kombination aus diesen
Effekten führt unter polarisiertem Lichtein-
Der Begriff der „Anisotropie“ in Verbindung mit thermisch vorgespannten Architekturgläsern beschäftigt
derzeit Architekten, Glasveredler, Fassadenbauer und Bauherren. Auf nationalen und internationalen
Fachtagungen bildet der Begriff der Anisotropie, welcher auf optische Beeinträchtigungen (Irisationen)
der gläsernen Fassade zurückzuführen ist, den Schwerpunkt mit Seminaren und Vorträgen. Grund hierfür
sind die seit längerem zum Teil sehr hohen Anforderungen von Fassadenberatern und Architekten an die
Transparenz von thermisch vorgespannten Gläsern in der Fassade und neuartige Online-Messmethoden.
Durch die Weiterentwicklung zu quantitativen Messsystemen wird Schritt für Schritt der Weg zur objektiven
Bewertung von Anisotropien ermöglicht. Aktuelle und abgeschlossene kooperative Forschungsvorhaben der
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH) und der Hochschule München (HSM) sowie die
Verbandsarbeiten im Fachverband Konstruktiver Glasbau (FKG) tragen zu diesem Fortschritt maßgeblich bei.
Anisotropieeffekte an Fassaden
mit thermisch vorgespanntem Glas –
neue Messmethoden
Von prof. Dr.-ing. christian Schuler u.a.
fall und bestimmten Betrachtungs-
winkeln zu Irisationen, die im Glas
als graue bis farbige Streifen- oder
Fleckenmuster wahrgenommen wer-
den.
Das natürliche Tageslicht enthält je
nach Wetterbedingung und Tages-
zeit einen mehr oder weniger hohen
Anteil polarisierten Lichts. Ein hoher An-
teil herrscht z.B. bei klarem blauen Him-
mel und niedrigem Sonnenstand. Hier wird
das Licht in der Atmosphäre so gestreut,
dass ein hoher Polarisationsgrad erreicht
wird, bei dem die Anisotropien deutlicher
erkennbar sind
[3]
. Ein weiterer Aspekt, der
zu sehr hohen Polarisationsgraden führt,
sind stark reflektierende Oberflächen, wie
z.B. benachbarte Gewässer oder hohe Ge-
bäude mit Glasfassaden. Ferner ist der Be-
trachtungswinkel ein entscheidendes Krite-
rium für die Sichtbarkeit von Anisotropien.
Unter dem sogenannten Brewster-Winkel
(dieser beträgt bei Glas ca. 56°) kann der
Beobachter Irisationen sehr gut in der Glas-
fassade erkennen. In Anlehnung an Kön-
nen
[4]
beschreibt Bild 3 die typischen Situ-
ationen, bei denen Anisotropien bei ESG
oder TVG in der Fassade sichtbar werden.
Der polarisierte Lichtstrahl wird am Ein-
trittspunkt in zwei Komponenten parallel
zu den Hauptspannungsrichtungen im Glas
aufgespalten. Diese beiden Teilstrahlen be-
sitzen bei Inhomogenität der Vorspannung
unterschiedliche
Ausbreitungsgeschwin-
Bild 1: Rollen- und Streifenmuster
Bild 2: Fleckenmuster
© illguth,
M.
©Dix, S.