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TECHNIK

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Fachbeitrag

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FASSADE 2/2017

Die wachsende Komplexität von Fassaden

stellen sowohl Planer als auch Ausführen-

de vor immense Herausforderungen, da die

unterschiedlichsten Fachdisziplinen zusam-

menzuführen sind, welche in den seltensten

Fällen von nur einem einzelnen Fachplaner

oder einem ausführenden übergreifenden

Betrieb beherrscht werden. Trotz dieser Sys-

temkomplexität wird auch bei hohen Ob-

jektsummen vor der Fertigung häufig keine

ausreichende technisch-funktionale Quali-

tätskontrolle eingesetzt, lediglich die ästhe-

tische Bemusterung vor Ort findet regelmä-

ßig statt. Komplexe Fassaden übernehmen

diverse – eben nicht nur ästhetische – Funk-

tionen, wie Wetterschutz und Raumbehag-

lichkeit sichern, Belüften, Beleuchten, ther-

mische sowie elektrische Energieerzeugung,

-speicherung und -verteilung. Um dieser

Komplexität mit ihren Risiken (auch finan-

zieller Art, u. a. Wartung und Betrieb) zu be-

gegnen, werden technisch-funktionale Mo-

delltests benötigt, so dass der Bauherr aus-

reichende Sicherheit über die Funktion der

bestellten Fassade erlangt. Darüber hinaus

erleichtert ein vorheriger Test im Bereich der

Gebäudetechnik die spätere Inbetriebnah-

me und schützt vor späteren Überraschun-

gen, das heißt im Idealfall wird das Gebäude

in Betrieb genommen und das Zusammen-

spiel der einzelnen Komponenten funkti-

oniert auf Anhieb, ohne dass im laufenden

Betrieb noch große Nachbesserungen vor-

genommen werden müssen. Denn immer-

hin werden rund 15 bis 25 % der Baukos-

ten bei Großprojekten (> 25 Mio. Euro Bau-

summe) in das Gewerk Fassade investiert. 2

bis 5 % dieser Investitionen sind Fachpla-

nungskosten, worunter auch die „Fachtech-

nische Begleitung von Bemusterungen und

Prüfungen“ (HOAI) fällt. Im Rahmen dieser

Position/Tätigkeit sollte die technisch-funk-

tionale Bemusterung implementiert werden,

welche derzeit jedoch nur sehr selten für

diese Zielsetzung durchgeführt wird.

Mit seinen Kompetenzen und Versuchsein-

richtungen kann das Fraunhofer-Institut für

Bauphysik IBP in Holzkirchen solche Be-

musterungen unter Realbedingungen vor-

nehmen, für welche es derzeit keine stan-

dardisierten und etablierten Testverfahren

gibt. Im Folgenden werden die Möglich-

keiten und die resultierenden Vorteile am

Beispiel einer Fassadenbemusterung am

VERU-Versuchsgebäude des Fraunhofer

IBP dargestellt.

Am Standort der Firmenzentrale des Unter-

nehmens Festo AG in Esslingen wurde mit

dem „AutomationCenter“ ein neues Büro-

gebäude mit einer innovativen Fassaden-

technologie, einer sogenannten Abluftfas-

sade, geplant und nach dem Mock-up Test

umgesetzt (Abb.1). Zur Minimierung der im

Raum wirksam werdenden solaren Lasten

wurde die einschalige Fassade mit vollflä-

chiger Sonnenschutzverglasung und einem

innenliegenden Blend- und Sonnenschutz-

screen ausgeführt. Bei dieser Konstruk­

tionsvariante wird die Abluft aus dem Raum

über den Spalt zwischen Screen und Ver-

glasung, durch eine Absaugung im Bereich

des Doppelbodens, abgeführt. Hierdurch

soll ein Großteil der solar eingebrachten

und am Screen bzw. der Verglasung absor-

bierten Wärme (bevor sie im dahinterlie-

Mock-ups zur Absicherung integraler

Planungskonzepte von Fassaden

Von M.-Eng. Michael Eberl, Dipl.-Ing. Herbert Sinnesbichler und Prof. Dr.-Ing. Gunnar Grün

Innovative Fassaden beruhen auf einer technologischen Disziplinen-Kombination aus Maschinenbau,

Leichtbau, Metallbau, Glaswesen, Haustechnik etc. mit hohen bauphysikalischen Anforderungen.

Die Nutzung von technischen Mock-ups im integralen Planungsprozess von Fassaden bietet die

Möglichkeit, der Kosteneinsparung und Fehlervermeidung. Der Beitrag veranschaulicht die Vorteile

und Möglichkeiten einer Fassadenbemusterung anhand eines Beispielprojekts.

Abb.1: Das neue Automation Center der Festo AG.

Festo