glas+rahmen
08.17
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Foto: © Passivhaus-Institut
Sanierungsboom startet mit kleiner Welle
Der Journalist und Bauingenieur Ronny Meyer ist Initiator der
Modernisierungsoffensive. Sie bringt Bau-Beteiligte zusammen,
um die energetische Sanierung voranzutreiben. Im Interview mit
Glas+Rahmen erläutert Meyer die Ziele.
glas+rahmen:
Die von der Bundesregierung angestreb-
te Verdopplung der jährlichen Sanierungsrate von ein auf
zwei Prozent ist nach wie vor nicht in Sicht. Dabei gilt ge-
rade der Sanierungsmarkt als Schlüssel zum Gelingen der
Energiewende. Was ist zu tun, damit er in Schwung kommt?
meyer:
Die energetische und altersgerechte Gebäude-
modernisierung ist einer der großen Zukunftsmärkte
im Bauwesen. Der aktuelle Neubau-Boom dürfte in zwei
oder drei Jahren vorbei sein, dann wird kräftig moder-
nisiert. Eine ähnliche Situation hatten wir bereits 1995:
Der Bauboom durch die Wiedervereinigung und durch
den Wohnraumbedarf der geburtenstarken Jahrgänge,
die damals ihre Familien gründeten, war 1995 schlag-
artig vorbei, als der Markt gesättigt war. Es begann eine
jahrelange Krise am Bau, weil sich zu wenige für die Zeit
danach gewappnet hatten. Da sollten wir heute schlauer
sein. Was ist zu tun? Sich vernetzen, weiterbilden.
g+r:
Werden Sie ruhig konkreter.
meyer:
Wir haben zurzeit einen erkennbar großen Sa-
nierungsstau. Vor allem Häuser, die vor der ersten Wär-
meschutzverordnung 1977 gebaut wurden, sind betrof-
fen. Und wenn man dort anpackt, müssen die Themen
„altersgerecht“ und „energieeffizient“ zwingend miterle-
digt werden. Die geburtenstarken Jahrgänge der 1950er
und 1960er Jahre erzwingen regelrecht, dass der An-
teil der seniorentauglichen Immobilien deutlich erhöht
wird. Da ist bereits jetzt ein erkennbarer Druck entstan-
den, der ab sofort von Jahr zu Jahr wächst. Wenn Sie so
wollen, hat der Sanierungsboom mit einer ersten, klei-
nen Welle längst begonnen.
g+r:
Fehlt es eventuell auch am politischen Willen? Fehlt
es bei Glasern und Fensterbauern an der richtigen Strategie?
meyer:
Fehlenden politischen Willen möchte ich nicht
unterstellen. Es fehlt eher eine klare Linie. Es gibt unge-
zählte Kampagnen von Bund, Ländern, Kommunen und
auch von der Industrie, in denen mal die Heizung, mal
die Fenster, mal die Dämmung und mal die Barrierefrei-
heit imVordergrund stehen. Doch beimHaus geht es um
alle Komponenten. Ein Lichtblick ist jetzt der „individu-
elle Sanierungsfahrplan“ vom Bundeswirtschaftsminis-
terium (siehe auch Seite 22, die Redaktion), der aus Sicht
des Hauseigentümers die ansonsten recht unüberschau-
bare energetische Sanierung wie eine Zugfahrt mit drei,
vier oder fünf Stationen gut strukturiert dokumentiert.
g+r:
Sie haben eine Modernisierungsoffensive ins Le-
ben gerufen. Was sind die Ziele, und wie sieht Ihre Stra-
tegie aus?
meyer:
Die Modernisierungsoffensive möchte regio-
nal den Schulterschluss mit allen Baubeteiligten sowie
mit passenden Initiativen und Institutionen praktizie-
ren, damit nicht jeder das Rad neu erfindet. Diese Netz-
Der Gebäudebestand
gilt als Schlüssel zur
Energiewende. Wenn
der Sanierungsmarkt
anspringt, liegen hier
erhebliche Potenziale.
„Wir haben zurzeit
einen erkennbar
großen Sanierungs
stau.“
Ronny Meyer