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glas+rahmen

03.17

technik

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rungsseite bislang beachtet wurde. Die Folge ist, dass

Raumluft durch leichten Überdruck in kleinste Fens-

terfugen gedrückt wird. Diese Fugen befinden sich

zum Beispiel zwischen Flügelüberschlag und Blend-

rahmen bzw. zwischen Glashalteleisten und Glasfalz-

grund. Betroffen sind davon in erster Linie Fenster in

den oberen Stockwerken. Bei offener Bauweise gilt: Je

höher die Fenster im Haus eingebaut sind, desto stär-

ker wirkt sich der Sättigungsdruck aus. Die Folgen sind

Kondensat und Schimmelpilzbildung im Dichtungs-

falz und Glasfalzgrund. An sehr kalten Tagen kann in

den Falzen sogar Eisbildung möglich sein. In extremen

Fällen kann dieses Eis über Rollladengurt-Öffnungen

oder Dampfdruckausgleichsöffnungen bis in den Be-

reich des Rollladens vordringen und eine Funktions-

störung des Rollladens verursachen. Für die Entste-

hung dieses Problems sind keine erhöhten Luftfeuch-

tigkeitswerte nötig. Eine Raumluftfeuchte von unter 40

Prozent bei +21°C Zimmertemperatur reicht dafür völ-

lig aus. Anders ausgedrückt: Diesem Phänomen ist mit

stärkerer Lüftung über die Fensteröffnung nicht beizu-

kommen. Um dem Phänomen Herr zu werden, wurden

für Standard-Holzfenster Bestandteile der Passivhaus-

fenster übernommen. Das heißt, die Fenster erhielten

ab dem Jahr 2004 / 2005 innere Überschlagdichtun-

gen, und teilweise wurden die Glashalteleisten abge-

dichtet. Manche Holz-Aluminium-Systeme haben hier

deutliche Vorteile, da sie keine Glashalteleisten auf der

Rauminnenseite besitzen.

Massnahmen reichen nicht aus

Um dieser Problematik dauerhaft und sicher entgegen-

zuwirken, reichen die bisher eingeleiteten Maßnah-

men wie innere Überschlagdichtung und Abdichtung

der Glashalteleisten für die Fenster nicht mehr aus. Auf-

In extremen Fällen kann Eis

über Rollladengurt-Öffnungen

oder Dampfdruckausgleichs­

öffnungen bis in den Bereich

des Rollladens vordringen

und eine Funktionsstörung des

Rollladens verursachen.

„Ist kein Planer

vorhanden, ist der

ausführende Hand-

werker für das

Lüftungskonzept

verantwortlich.“

Jürgen Sieber

grund des erhöhten Aufkommens von Schimmelpilzen

in energetisch verbesserten Häusern hat der Gesetzge-

ber ab Mai 2009 ein Lüftungskonzept für alle Neubauten

vorgeschrieben. Weiter sind bei allen Niedrigenergie-

Häusern, die den Energiestandard KfW40 bzw. Energie-

Effizienzhaus 55 erfüllen, Lüftungsanlagen vorgeschrie-

ben. Wird ein KfW 60 Haus bzw. ein Energie-Effizienz-

haus 70 (ohne Lüftungsanlage) geplant, aber über erhöh-

te Dämmmaßnahmen ein besseres Haus gebaut, so wird

unter Umständen eine Lüftungsanlage notwendig. Ist ei-

ne solche Anlage vorhanden und das Phänomen tritt

trotzdem auf, muss geprüft werden, ob die Lüftungsan-

lage mit Überdruck betrieben wird oder ob sie auf eine

zu geringe Leistung eingestellt ist.

Handwerker in der Pflicht

Derzeit ist kein Fall bekannt, bei dem bei richtig einge-

stellter Lüftungsanlage Kondensat im Fensterfalz auf-

tritt. Demgegenüber tritt dieses Problem dann auf, wenn

an kalten Wintertagen die Lüftungsanlagen gar nicht

und mit zu geringer Leistung betrieben werden. Wer-

den im Rahmen einer Altbau-Sanierung mehr als ein

Drittel aller Fenster erneuert, müssen schon seit Mai

2009 Lüftungskonzepte erstellt und gegebenenfalls Lüf-

tungsanlagen installiert werden. Sanierte Altbauten mit

erhöhter Energieeffizienz müssen in der Regel mit Lüf-

tungsanlagen versehen werden (siehe DIN 1946-6). Laut

Gesetzgeber sind die Lüftungskonzepte vom Planer zu

erstellen. Ist kein Planer vorhanden, ist der ausführen-

de Handwerker für das Lüftungskonzept verantwortlich.

Als Norm gilt die seit Mai 2009 eingeführte DIN 1946-

6, speziell Kapitel 4.2. Darin finden sich viele Städte in

Baden-Württemberg in den windschwachen Regionen

wieder, was ebenfalls für eine ventilatorgestützte Lüftung

spricht.

jürgen sieber

der autor

Jürgen Sieber ist Glasermeister,

Fensterbauer und öffentlich be-

stellter und vereidigter Sachver-

ständiger für das Glaser- und

Fensterbauer-Handwerk. Darü-

ber hinaus ist er als Dozent an

der Meisterschule für Glaser und

Fensterbauer in Karlsruhe tätig.

www.fensterbau-sieber.de