Previous Page  37 / 62 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 37 / 62 Next Page
Page Background

glas+rahmen

03.17

technik

37

technik

fachartikel

g+r:

Was ist die Ursache von Kondensatausfall

bei korrekt konstruierten Fenstern?

sieber:

Die Ursache des Kondensatausfalls

bei diesen Fenstern ist in erster Linie der nicht

abgeführte Dampfpartialdruck innerhalb des

Gebäudes. Dieser drückt Raumluft in kleinste

Fugen am Fenster, sodass der Taupunkt unter-

schritten wird und Kondensat entstehen kann.

Da Druck in einem offenen Raum immer nach

oben wirkt, sind in der Regel Fenster in den

oberen Stockwerken stärker betroffen als Fens-

ter in den unteren Etagen.

g+r:

Kann man diesem Phänomen durch ver-

bessertes Lüftungsverhalten entgegenwirken?

sieber:

Selbst wenn im Erdgeschoss „normal“

gelüftet wird, hat dies keinen Einfluss auf den

Überdruck in den oberen Etagen. Dies ist ver-

gleichbar mit einemHeißluftballon. Die warme

Luft drückt nach oben. Wird die Flamme am

unteren Ende des Ballons ausgeschaltet, ent-

weicht dennoch kein Überdruck aus der Hülle,

weil sich der Überdruck nach oben ausbreitet.

g+r:

Ist die Kondensation im Fensterfalz ein

konstruktives Problem des Fensterbaus?

sieber:

Zunächst muss verstanden werden,

dass sämtliche Maßnahmen am Fenster rei-

ne Symptom-Bekämpfungen sind. Ähnlich

wie Kondensat auf Brillengläsern nichts mit

der Qualität der Brillen zu tun hat, hat dieses

Phänomen nichts mit der Fensterkonstruk-

tion zu tun. Es wird nur dort sichtbar. Besit-

zen die Fenster bereits funktionierende inne-

re Überschlagsdichtungen sowie abgedichte-

Normales Lüften

hilft nicht

Kondensat und Schimmel im Fensterfalz sind Folgen

sehr dichter Gebäudehüllen. Im Kurz-interview mit

Glas+Rahmen erklärt Jürgen Sieber, Fensterbauer und

öffentlich bestellter und vereidigter Sachverstän-

diger für das Glaser- und Fensterbauer-Handwerk, die

Ursachen und gibt Tipps zur Abhilfe.

te Glashalteleisten sind die Anforderungen

an Niedrigenergie-Häuser erfüllt und die

Anforderungen der Fensternorm DIN EN

68121 (Holzfensterprofile) sogar übererfüllt.

Als zusätzliche Maßnahme können die Fens-

ter auf Fugen und Durchdringungen unter-

sucht und, wenn technisch möglich, abge-

dichtet werden.

g+r:

Was passiert, wenn Fenster zusätzlich

abgedichtet werden?

sieber:

Sind zusätzliche Abdichtungs-

maßnahmen am Fenster erfolgreich, ohne

dass gleichzeitig eine Lüftungsanlage instal-

liert wird, sucht sich der Dampfpartialdruck

(Wasserdampfsättigungsdruck) eine andere

Öffnung im Haus, in die er eindringen kann.

Kondensat in schwerer kontrollierbaren Be-

reichen wäre also die Folge.

g+r:

Gehört die zusätzliche Abdichtung zu

den Aufgaben des Fensterbauers?

sieber:

Nein, diese Arbeiten gehen über

die Anforderungen an Fenster hinaus.

Nach meiner eigenen Erfahrung und ak-

tuellen Untersuchungen der TU Graz sind

die Mängel durch Maßnahmen am Fenster

auch nicht zu beheben. Diese Meinung ver-

tritt auch das ift Rosenheim: „Der Mangel

ist deshalb dem Fenster nicht anzulasten. Er

ist vielmehr darauf zurückzuführen, dass

im Rahmen der Bauplanung die Frage der

Raumlüftung nicht geklärt wurde.“

g+r:

Wie kann das Problem Kondensation

im Fensterfalz dauerhaft gelöst werden?

sieber:

Dem Mangel ist nur dann bei-

zukommen, wenn die Raumluft durch ei-

ne ventilatorgestützte Lüftungsanlage ab-

geführt wird. Ist eine entsprechende Anla-

ge vorhanden, muss diese eine ausreichende

Leistung bringen. Gerade bei Blower-Door-

Ergebnissen die einen Dichtigkeitswert n50

von kleiner 1,0/h aufweisen ist eine höhe-

re Leistung der Lüftungsanlage gefordert.

Dichtigkeitswerte n50 von kleiner 0,7/h füh-

ren zu Dampfpartialdrücken von 15 – 25 Pas-

cal, die von innen gegen die Außenhülle des

Hauses drücken. Je dichter die Außenhülle,

desto höher der Druck. Da Fenstern nach

den gängigen Normungen ein gewisser Fu-

gendurchlass zugestanden wird, ist diesem

Phänomen mit den gängigen Fenstersyste-

men nicht beizukommen.

„Da Fenstern nach den gängigen

Normungen ein gewisser

Fugendurchlass zugestanden wird,

ist diesem Phänomen mit den

gängigen Fenstersystemen nicht

beizukommen.“

Jürgen Sieber