Technik
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RTS-Magazin 12/2018
Der vergangene Sommer ist geschichts-
trächtig: In allen österreichischen Landes-
hauptstädten gab es deutlich mehr Hitze-
tage mit einem Höchstwert von mindestens
30 Grad als in einem durchschnittlichen
Sommer – und in Deutschland war das mit
Sicherheit nicht anders. Diese klimatischen
Veränderungen sind ganz besonders in den
Städten spürbar. Doch über städtebauliche
Maßnahmen hinaus können mit traditio-
neller Sonnenschutztechnik Gebäude dies-
bezüglich upgedatet werden.
Im Sommer 2018 verzeichneten Wien
und Bregenz mit 32 bzw. 16 Hitzewellenta-
gen in Folge einen neuen Rekord. In Wien
gab es insgesamt 40 Tropennächte und da-
mit mehr als in jedem anderen Sommer
seit Messbeginn. Die Sommertauglich-
keit von Wohnräumen, Klassenzimmern
und Büros wurde auf eine harte Probe ge-
stellt und für viele Menschen, Tiere und
Pflanzen stellten die außergewöhnlichen
Werte eine große Herausforderung dar.
Der Klima- und Energiefonds präsentierte
Mitte September einen europaweit einzig-
artigen Sachstandsbericht, der vor gesund-
heitlichen Risiken des Klimawandels warnt.
„Dieser Sachstandsbericht verdeutlicht,
dass wir uns in den nächsten Jahren auf
vier zentrale Bereiche konzentrieren müs-
sen: Hitze, Allergien, Extremwetterereig-
Keine halben Sachen
nisse und neue invasive Insektenarten“, be-
tont Ingmar Höbarth, Geschäftsführer des
Klima- und Energiefonds.
Dauerbrenner Sommerhitze
Im Bausektor stellt die Vermeidung som-
merlicher Überhitzung die größte Her-
ausforderung dar. Dies bestätigt auch die
diesjährige Expertenbefragung „Zukunft
Bauen“. Denn egal wie heiß es draußen
ist: Drinnen wollen wir behaglich woh-
nen! Demzufolge zeigt ein genauerer Blick
auf die aktuellen Ergebnisse, dass dieses
Thema für 70 Prozent der Befragten „sehr
wichtig“ ist, für weitere 25 Prozent „wich-
tig“ – „unwichtig“ ist es für niemanden.
Dazu Ing. Johann Gerstmann, Sprecher des
Bundesverbandes
Sonnenschutztechnik:
„Dieses Überwärmungsproblem müssen
wir mit sogenannten passiven Maßnah-
men lösen. Dies beinhaltet zum einen die
Hitzeprävention am Tag, und zum anderen
eine wirksame Nachtauskühlung.“ Unter-
tags muss daher das Gebäude bestmög-
lich vor eindringenden Sonneneinstrahlen
geschützt werden. Andernfalls muss die
solare Wärme – die Sonne strahlt immer-
hin mit bis zu 1 kW/m2 auf die Fenster –
künstlich weggekühlt werden. Ein Vorgang,
der wiederum je nach Art des Kühlsystems
viel Energie kosten kann und die Außenluft
zusätzlich aufheizt. Die Nachtauskühlung
wiederum führt die in den Räumen gespei-
cherte Wärme nach außen ab, um das Ge-
bäude fit für den nächsten Sommertag zu
machen.
Achtung Dunkelfalle!
Doch beim wichtigen Schutz gegen Über-
wärmung darf die ausreichende Versor-
gung mit natürlichem Tageslicht nicht in
den Hintergrund geraten: Denn Kunstlicht
kann Tageslicht und dessen biologische,
physiologische und psychologische Wir-
kung nicht ersetzen. Nur den Energieein-
trag zu sehen, würde bedeuten, auf zahlrei-
che positive Aspekte zu verzichten: Raum-
wirkung, Motivations- und Leistungsstei-
gerung, Synchronisierung der inneren Uhr,
Stärkung des Immunsystems etc. sind eng
an die ausreichende Versorgung mit biolo-
gischem Licht geknüpft. „Es gibt mehrere
Methoden, Gebäude gegen zu viel Sonnen-
einstrahlung zu schützen, aber nur wenige,
die einem ganzheitlichen Anspruch gerecht
werden“, so Johann Gerstmann.
So nutzen zwar beispielsweise archi-
tektonische Konzepte bei südorientier-
ten Fenstern den Schattenwurf, der durch
Dachüberstände, Balkone und Loggien bei
entsprechendem Sonnenstand entsteht. Da
energieeffiziente Bauweisen von heute von
Mai bis September ein erhöhtes Überwär-
mungs-Risiko aufweisen, werden Auskra-
gungen von bis zu 2,5 Meter erforderlich.
Was dabei unberücksichtigt bleibt: Die Ta-
geslichtversorgung nimmt massiv ab. Denn
ein Überstand von 1,5 Metern reduziert
den Lichteintrag im Mittel auf knapp die
Hälfte gegenüber einem freien, unverbau-
ten Lichteinfall und ein zusätzlicher Meter
senkt das Lichtangebot auf rund ein Drittel.
Und zwar das ganze Jahr über – also auch
in der dunklen Jahreszeit.
Sonnenschutzglas wiederum wirkt, in-
dem es das Lichtspektrum verändert: Es
werden dabei über unsichtbare Schichten
ganz gezielt einzelne Lichtspektren teil-
weise oder sogar zur Gänze gefiltert. Je-
des Sonnenschutzglas kappt in der Regel
das Infrarot, das unser Körper evolutions-
bedingt benötigt, und reduziert auf diese
Weise den Energieeintrag um ca. 50 Pro-
zent. Das reicht aber nicht aus, um vor
Überwärmung zu schützen – weshalb in
weiterer Folge gezielt das sichtbare Licht
vermindert wird. Zudem haben diese Glä-
ser oftmals einen Farbstich, der zwar ge-
stalterische Akzente setzen mag, aber
schlussendlich dazu führt, dass selektiv
Am Tag muss das Gebäude bestmöglich vor eindringenden Sonneneinstrahlen geschützt werden.
Fotos (3): © BVST/Elero