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RTS-Magazin 12/2016
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it einem 100 Millionen Euro schwe-
ren Infrastrukturprogramm wollen
Politik und Region die von hoher Arbeits-
losigkeit und zahlreichen Industriebra-
chen gezeichnete Hafenstadt wiederbele-
ben. Teil dieses Programms ist der Neubau
der Kunstschule (Ecole d‘Art de Calais) am
Boulevard Jacquard im Stadtzentrum von
Calais. Nach dem Entwurf des französi-
schen Architekturbüros Arc.Ame erhielt sie
als Zeichen des Beginns einer neuen Ära
von Calais eine dreiteilige, gebogene Fas-
sade aus goldenem Metallgewebe vom Typ
Escale der GKD – Gebr. Kufferath AG.
Die Kunstschule von Calais blickt auf
eine über 90-jährige Tradition in einem gro-
ßen, stark in die Jahre gekommenen Bürger-
haus in der Rue des Soupirants zurück. Mit
ihrem Angebot der technischen und theo-
retischen Einführung in die plastische und
visuelle Gestaltung bereitet sie angehende
Kunststudenten auf die anspruchsvollen
Aufnahmeprüfungen an Kunsthochschulen
vor. Ein breites Spektrum an künstlerischen
Disziplinen für Laien und angehende Profis
begründet überdies ihren über Jahrzehnte
gewachsenen guten Ruf. Schon lange erfüll-
ten die beengten Räumlichkeiten auf meh-
reren Etagen und die brüchige Bausubstanz
am bisherigen Standort nicht mehr die An-
forderungen von Schülern und Lehrkörper.
Mit dem attraktiven Neubau im Her-
zen des zentralen Stadtviertels Saint-Pierre
de Calais entstand jetzt auf einer ehemali-
gen Industriebrache ein Kernelement der
Stadterneuerung von Calais, dessen Name
Programm ist: Le Concept. Arc.Ame-Archi-
tekten planten auf dem 3220 Quadratme-
ter großen Areal ein markantes zeitgenössi-
sches Ensemble, zu dem auf der Rückseite
in der Rue Vauxhall 25 Wohneinheiten mit
Südterrasse gehören. Als Symbol der wie-
derbelebten Stadtmitte ist der dreigeschos-
sige Bau zugleich ein Begegnungsraum
mit Kunst und Künstlern, der für Schüler
und Bürger gleichermaßen zugänglich ist.
Seine Bauhöhe passt sich sensibel den alten
Stadthäusern auf dem Boulevard Jacquard
an. Auf den flüchtigen Betrachter wirkt der
kompakte, dreigliedrige Baukörper wie drei
einzelne Gebäude aus Beton, Glas und Me-
tallgewebe. Die Glasfassaden, die über die
gesamte Gebäudehöhe reichen und durch
dunkle Sprossen großflächig strukturiert
werden, zeigen die Leitmotive der Architek-
ten für diesen Bau – Transparenz und Licht.
Ihr subtiles Spiel variiert tageszeit- und
raumabhängig und symbolisiert damit aus
Sicht der Architekten das Wesen von Kunst:
permanente Veränderung als Widerhall der
aktuellen Umgebung und subjektive Wahr-
nehmung. Die leicht gebogenen Fassaden
der drei Gebäudeelemente erinnern in ihrer
Kunstschule, Calais:
Metallgewebe als Identitätsstifter
Im Norden Frankreichs, nur durch den Ärmelkanal von England getrennt, liegt die Hafenstadt Calais. Seit 1994
ist sie durch den Eurotunnel mit dem englischen Festland verbunden. Als zweitgrößter Passagierhafen Europas –
nach dem englischen Dover – lebt die rund 72000 Einwohner zählende Stadt deshalb hauptsächlich vom Transit-
Tourismus. Fischerei und Schifffahrt haben in den vergangenen Jahrzehnten stark an Bedeutung verloren, so dass
nur noch die Produktion von Klöppelspitzen für die Hersteller von Haute Couture an die frühere wirtschaftliche
Bedeutung der Stadt erinnert.
Architecte Arc.Ame + Michel
Denancé (3)
Das Gebäude ziert eine dreiteilige, gebogene Sonnenschutzfassade aus goldenem Metallgewebe.