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FASSADE 4/2017

BRANCHE

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Aus der Rechtspraxis

Rüge nach § 377 des Handels-

gesetzbuchs (HGB) als geneh-

migt gilt.

Die sich ergebenden erheblichen

Rechtsfolgen – der Verlust seiner

Rechtsbehelfe und die rechtliche

Fiktion einer mangelfreien Liefe-

rung – treffen manchen Auftrag-

nehmer unerwartet und wirken

sich oftmals massiv auf den wei-

teren Verlauf der Baumaßnahme

aus.

§ 377 des

Handelsgesetzbuches

Zu den rechtlichen Rahmenbe-

dingungen, die im Rahmen einer

Fassadenbauleistung zu beach-

ten sind, zählen neben den ver-

traglichen Regularien des Ein-

zelfalls, den Maßgaben des ge-

setzlichenWerkvertragsrechts (§§

631 ff. BGB) sowie ggf. derVOB/B

auch einzelne Vorschriften aus

dem Handelsgesetzbuch. Hier-

zu gehört dieVorschrift des § 377

HGB zu den Untersuchungs-

und Rügepflichten bei einem

Handelsgeschäft bzw. beim

Handelskauf (beide Vertrags-

partner sind Kaufleute im Sin-

ne des HGB). Ist der Kauf –

beispielsweise von Bauteilen

– für die vertragsschließenden

Parteien ein Handelsgeschäft,

hat der Käufer (z. B. Fassaden-

bauer) die Ware unverzüglich

Wareneingangskontrolle –

Rechtliche Anmerkungen (Teil 1)

Fassadenbau – Typische

Ausgangssituation

Der Fassadenhersteller wird im

Rahmen eines Bauvertrages mit

der Errichtung einer technisch

anspruchsvollen Fenster- und

Fassadenkonstruktion

beauf-

tragt. Nach Abschluss des Bau-

vertrages mit dem Auftragge-

ber nimmt er Kontakt mit seinen

Lieferanten auf und bestellt die

zur Herstellung der Fassade nö-

tigen Gläser, beschichteten Ble-

che sowie Fensterkonstruktio-

nen. Die Bauteile werden ohne

nähere Prüfung auf das Werks-

gelände des Unternehmers ge-

liefert; den Lieferanten werden

Stellplätze zugewiesen. Nach

geraumer Zeit werden die Bau-

teile aus dem Lager geholt und

entweder beim Fassadenherstel-

ler verbaut oder unmittelbar an

die Baustelle gebracht, um dort

montiert zu werden. Im Rahmen

der – einige Wochen später statt-

findenden – Bauabnahme bean-

Manchem Bauauftragnehmer sind die Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten im Rahmen des Handels-

kaufs nicht oder nicht hinreichend bekannt. Oftmals fehlt es an einer – nachweisbaren – unverzüglichen

Kontrolle angelieferter Waren/Bauteile. Versäumnisse im Rahmen der Wareneingangskontrolle können den

wirtschaftlichen Erfolg eines Bauvorhabens zu Lasten des Auftragnehmers in Gefahr bringen.

standet der Bauherr – leider zu-

treffend – eine unzureichende

Glasqualität, ein nicht vertrags-

gerechtes Erscheinungsbild der

Bleche sowie Beschädigungen an

den Fensterelementen.

Wochen nach Anlieferung der

betroffenen Bauteile entschei-

det sich der Fassadenbauer vor

diesem Hintergrund dafür, die

Mangelhaftigkeit der Bauteile

gegenüber seinem Lieferanten

zu rügen.

Dieser weist den Fassadenbau-

er darauf hin, dass er sich nicht

mehr auf Mängel der Bautei-

le berufen kann, weil die Ware

mangels einer unverzüglichen

§

Rechtsanwalt Jörg Teller ist Partner

in der Frankfurter Kanzlei SMNG

Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

(www.smng.de

) und berät seit mehr

als 20 Jahren Fenster- und Fassa-

denhersteller sowohl in Bauprozes-

sen als auch außergerichtlich.

Teil 2 des Beitrags erscheint in

der nächsten Ausgabe der FAS-

SADE. Darin geht es dann spe-

ziell um „Verschärfungen des

§ 377 HGB “ im Vertrag oder in

ergänzenden Regelwerken, aktu-

elle Entscheidungen der Gerichte

sowie Hinweise für die Praxis.

nach der Ablieferung durch den

Verkäufer (z. B. Lieferant), soweit

dies nach ordnungsgemäßem

Geschäftsgang tunlich ist, gemäß

§ 377 Abs. 1 HGB zu untersu-

chen und, wenn sich ein Mangel

zeigt, dem Verkäufer unverzüg-

lich Anzeige zu machen.

Unterlässt der Käufer die Anzei-

ge, so gilt die Ware gemäß § 377

Abs. 2 HGB grundsätzlich als ge-

nehmigt.

Erfüllt der Käufer seine Rügeob-

liegenheit nach § 377 HGB nicht

oder zu spät, tritt im Ergebnis

ein Rechtsverlust bezüglich des

in Rede stehenden Mangels ein.

Das Handelsgesetzbuch statuiert

die Fiktion der Vertragsgemäß-

heit der Ware. Dies gilt unabhän-

gig davon, ob sich der Verkäu-

fer (z. B. Lieferant) darauf be-

ruft. Diese Fiktion führt mithin

grundsätzlich zu einem Verlust

insbesondere der Mangelansprü-

che des Käufers und stellt den

Verkäufer so, als habe er mangel-

frei geliefert (vgl. Roth, in Koller

u. a.; HGB; § 377 Rn 20 ff.).