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FASSADE 4/2017

TECHNIK

|

Aus der Sachverständigenpraxis

Kriterien für die visuelle Beurteilung

von Glasschäden

Die BF-Richtlinie zur Beurteilung der vi-

suellen Qualität von Glas für das Bauwe-

sen gibt Vorgaben primär aus der Sicht von

Glasherstellern und Verarbeitern, anhand

der die Größe und die Lage der Schäden

bewertet werden. In einem neutralen Um-

feld, diffuses Licht, bedeckter Himmel üb-

licher Betrachtungsabstand und Raumnut-

zung wird die Betrachtung vorgegeben.

Daraus werden sie in zulässig oder unzu-

lässig eingeordnet. Diese Richtlinie stellt

eine Grundlage für die Untersuchung von

Schäden dar. Sie ist gut für die Qualitäts-

sicherung und Eingangskontrolle beimVer-

arbeiter geeignet.

Die Richtlinie verallgemeinert für den Ge-

brauch am Bauwerk die Untersuchungsbe-

dingungen und berücksichtigt dadurch die

Raumnutzung und den Nutzungszeitraum,

die Einbaulage der Verglasungen zur Um-

gebung wenig. Schon viele Jahre alt, bleibt

die architektonische Gestaltung mit Glas

außer Betracht. Überall dort, wo Vergla-

sungen heute gestalterisch eingesetzt wer-

den, Wohn- oder Repräsentationsräume

mit Glas nach außen geöffnet werden oder

auch bei Wintergärten,

sind nicht die Tage mit

bedecktem

Himmel

der Zeitraum, in dem

den Glasflächen die

Aufmerksamkeit

der

Nutzer am meisten an-

zieht, sondern Tage mit

Sonne und wechseln-

den Lichtverhältnissen.

Schon kleine Ober-

flächenschäden

sind

dann für den norma-

len Betrachter, wenn

sie in den Blickachsen

liegen, störend. Gera-

de bei hochwertigen

Fassaden vor entspre-

chend eingerichteten

Wohnräumen wird der

Nutzer auch eine ho-

he Qualität der Glas­

oberflächen erwarten.

Andererseits werden in

weniger genutzten Bereichen auch die An-

sprüche geringer zu bewerten sein. In einer

Garage, einem Kellerraum, einer Toilette

mag ein Kratzer durchaus nach der Richt-

linie unzulässig sein. Er kann aber dort un-

ter Berücksichtigung der jeweiligen Um-

stände als hinnehmbar eingestuft werden.

Wesentlich ist in all den Fällen, ob ein un-

beeinflusster Betrachter den Schaden aus

den üblicherweise einnehmbaren Positio-

nen im Raum oder außen davor als störend

wahrnehmen würde. Ein Kratzer in einer

Südverglasung vor einem Bergpanorama

wird auch bei geringer Größe eher als stö-

rend empfunden, als einer in einer Über-

kopfverglasung in 7 Metern Höhe, der um

ein Vielfaches größer ist. Die tatsächliche

Nutzung der Räume muss in der Beurtei-

lung durch den Sachverständigen berück-

sichtigt werden. Ein Wintergarten wird im

Wesentlichen bei Sonne genutzt werden.

Ein Schaufenster eines Juweliers wird ei-

ne akzentuierte Beleuchtung der hochwer-

tigen Gegenstände aufweisen. Schäden

dort müssen dann auch in der üblichen

Nutzung, unter Berücksichtigung solcher

Sachverhalte, bewertet werden.

Die Untersuchung der Scheiben muss im-

mer ohne Markierungen der Schäden vor-

genommen werden, damit der Sachver-

ständige dadurch nicht beeinflusst wird.

Kratzer und andere Schäden, die das visuelle Erscheinungsbild von Glasfassaden und Fenstern

beeinträchtigen, gibt es häufig. Die Ursachen dafür sind sehr vielfältig. Am häufigsten sind

Kratzer, die bei unsachgemäß durchgeführter Reinigung entstehen, weniger häufig andere

aus der Nutzung oder dem Baustellenbetrieb. Fehler und Beschädigungen in den Funktions-

schichten stammen unter anderem aus der Herstellung der Isoliergläser. Lage, Form und Aus-

prägung ermöglichen dem erfahrenen Sachverständigen die Zuordnung zu den Ursachen der

Entstehung. Doch wann ist ein Kratzer ein nicht mehr hinnehmbarer Mangel und erfordert

Maßnahmen wie den Austausch der Verglasungen?

Dipl.-Ing. Peter

Brey ist Inhaber ei-

nes Ingenieurbüros

für die Planung von Glasfassaden und Glasdä-

chern und hat sich auf die Betreuung von Sa-

nierungsvorhaben spezialisiert. Seit 1996 ist er

öffentlich bestellter und vereidigter Sachverstän-

diger für Holz-Glas- und Metall-Glas-Konstruk-

tionen. Außerdem ist er Mitglied im Arbeitskreis

Süddeutscher Sachverständiger (ASS).

Im Durchblick gegen Bewölkung kaum sichtbar, mindern

Schäden in den Glasoberflächen bei Sonnenlicht den hier

ansonsten hochwertigen Eindruck des Wohnraums.

Peter Brey